Deutschland passt sich dem Klimawandel an Wein, Wald, Wassermelone

Von Anna Ringle und Teresa Dapp

Tropische Nächte, Sonne pur, selten Regen: Deutschland erlebt einen Sommer, wie man sich ihn eigentlich viel weiter südlich vorstellt. Klimaforscher warnen schon lange, dass extreme Wetterlagen künftig häufiger vorkommen werden. Landwirte müssen sich umstellen, um die Folgen abzufangen - aber nicht nur sie. Ein paar Beispiele.

NEUE KULTUREN: Wassermelonen & Co.

Landwirte setzen auf neue Kulturen, die viel Wärme brauchen. Wassermelonen, Süßkartoffeln und Physalis nennt der Geschäftsführer der Bundesfachgruppe Gemüseanbau im Zentralverband Gartenbau, Jochen Winkhoff, als Beispiele. Das Bio-Gut Schlosser im rheinland-pfälzischen Schifferstadt etwa baut Süßkartoffeln an. Betriebsleiter Frank Weisbrod erläutert, dass sie subtropische Verhältnisse bevorzugen. Erst bei mehr als 18 Grad gebe es ein gutes Wachstum.

GEMÜSE-ERNTE: Die Zeiten ändern sich

Neben exotischen neuen Kulturen sind auch Veränderungen im Anbau generell zu beobachten, wie Winkhoff erläutert. Es werde immer früher und immer länger angebaut. Die Erntesaison verlängere sich in Deutschland. Und es gebe regionale Verschiebungen vom Süden Richtung Norden bei Kulturen, die mehr Kühle brauchen wie zum Beispiel Eissalat oder Kopfkohl. Gemüsegärtner und Gemüsebauern passten sich auch an, indem sie Sorten auswählen, die gut mit Trockenheit umgehen können.

FIRMEN: Wasser und Kühlung für die Mitarbeiter

Schwitzen vor dem PC: Auch in der Arbeitswelt macht sich die Hitze bemerkbar. Und es gibt Strategien, um es den Mitarbeitern etwas erträglicher zu machen. "Viele Unternehmen stellen momentan kostenlos Wasser für die Beschäftigten zur Verfügung", teilt die Gewerkschaft Verdi mit. Ventilatoren gehörten in vielen Büros mittlerweile zur Grundausstattung für die Sommermonate, wenn nicht ohnehin eine Klimaanlage vorhanden ist.

WEIN: Höhere Lagen, weniger Laub und neue Sorten

Für Winzer werden andere Anbauflächen interessant. So werden an der Mosel wieder höhere Lagen bepflanzt, die "oberen Riegel". "Hundert Meter höher bedeuten ein Grad Durchschnittstemperatur weniger", erklärt Ernst Büscher vom Deutschen Weininstitut in Bodenheim bei Mainz. Dort können weiter leichtere Weißweine erzeugt werden. Damit es mit steigenden Temperaturen nicht so schwere Weine gibt wie in Spanien oder Portugal, schneiden Winzer auch das Laub der Reben stärker zurück. Denn Blätter erzeugen in der Photosynthese Zucker, der in die Trauben eingelagert und dann zu Alkohol umgewandelt wird.

Mittelfristig schauen sich Winzer auch nach neuen Rebsorten um. "Dem Trollinger wird es zu heiß, er verträgt Hitze nicht so gut", sagt Büscher über die beliebte Rebsorte der Württemberger. Daher gebe es die Überlegung, den Trollinger durch andere Rebsorten zu ersetzen wie Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon oder Merlot. Allerdings seien die Winzer mit Blick auf die Trinkgewohnheiten vorsichtig und legten zunächst kleinere Parzellen mit südländischen Rotweinsorten an.

STÄDTEBAU: Mehr Grün für die Häuser

"Das Thema ist durchaus im Bewusstsein der deutschen Stadtplaner, Architekten und Bauherren angekommen", sagt Jan Peter Hinrichs, Geschäftsführer beim Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle. 53 Prozent der deutschen Städte und Kommunen legen in Bebauungsplänen verbindliche eine Dachbegrünung fest, bei der Fassadenbegrünung seien es 34 Prozent. Beides helfe, Hitzeinseln in der Stadt zu minimieren. Nicht nur die Oberflächentemperatur der Häuser sinke so, auch die Umgebungstemperatur könne durch Verdunstungskühlung um ein bis drei Grad verringert werden.

WALD: Bunte Mischung macht widerstandsfähig

"Waldumbau" heißt das Stichwort, unter dem Forste widerstandsfähiger gegen Stürme und Orkane, Waldbrände und Schädlingsbefall als Folge anhaltender Trockenheit machen sollen. Der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände zufolge kommt es darauf an, "vitale Mischwälder" zu schaffen. Dazu müssten "auch klimatolerantere Baumarten wie Douglasie, Küstentanne oder Roteiche" angepflanzt werden, sagt Verbandspräsident Philipp zu Guttenberg. Seit fünf Jahren fördert das der Waldklimafonds der Bundesregierung. Es gibt noch Forschungsbedarf. Das Bundesagrarministerium hebt etwa das Projekt "Wasserwald" in der Lüneburger Heide hervor, wo Nadelwald zu einem Laub- und Mischwald umgestaltet wurde, und nun die Ökosystemleistung des Waldes zur Grundwassererhöhung geprüft wird. dpa