Die Bülle, die Arche von Slow Food und das Bülle-Fest

Mild, bauchig und rot ist sie, die Höribülle. Die Zwiebel schmeckt wegen ihrer zarten Schärfe köstlich auf Brot und im Salat, aber sie ziert auch eine Suppe oder den Zwiebelkuchen. Die alte Zwiebelsorte wird nur auf der Halbinsel Höri im Landkreis Konstanz am Bodensee angebaut.

Früher war sie das charakteristische landwirtschaftliche Erzeugnis der Region, heute ist die Zwiebel mit roter Haut und weißem Fleisch nach Angaben von Erzeugern und Förderern in ihrer Existenz gefährdet. Um den Bekanntheitsgrad der Knolle zu steigern, feiert die Höri an jedem ersten Oktobersonntag ihre Bülle -­ und das seit 1976.

Weite Teile der Halbinsel am Untersee waren früher vom Zwiebelanbau bestimmt, Ende des 19. Jahrhunderts erstreckten sich die Büllefelder auf bis zu 16 Hektar. Auf den Zwiebelmärkten der nahen Schweiz und in Konstanz wurde das Gemüse im Herbst verkauft. Heute ist die Anbaufläche nach Angaben der Organisation Slow-Food auf drei bis vier Hektar zusammengeschrumpft. Der Rückgang liegt zum einen an der arbeitsintensiven Ernte: «Sie ist nur von Hand zu ernten», sagt Claudia Blender vom Slowfood-Convivium Bodensee.

Zudem sei die Höribülle auf dem Großmarkt nicht verkäuflich, «weil sie für die EU-Norm zu breit und zu flach ist.» Da die Zwiebel eine weichere Konsistenz hat als die robusten Sorten im Handel, ist sie auch nur eingeschränkt lagerfähig.

Vor allem sei die Nachzucht mühsam: «Der Samen ist nicht patentiert und nicht im Handel erhältlich.» Früher übernahmen Blender zufolge die Alten in den Familien die Samenpflege. Das bedeutete viel Arbeit im Winter. Heute hätten viele Landwirte keine Zeit mehr für die Bülle, «und wenn die ältere Generation stirbt, stirbt oft ihr Wissen mit.»

Seit August 2008 ist die Bülle deshalb «Passagier» auf der «Arche des Geschmacks» von Slow Food, einem internationalen Projekt der Geschmacksschützer. Auf dieser Arche sollen lokale Nutztier- und Nutzpflanzenarten vor dem Vergessen gerettet werden. Unter rund 30 Mitgliedern aus Deutschland ist die Höribülle dort in bester Gesellschaft neben dem Weißlacker-Käse, der nur im Allgäu hergestellt wird, dem Bamberger Rauchbier oder dem Rhönschaf, einer der ältesten Schafrassen Deutschlands.

Zudem will das Regionalentwicklungsprojekt Plenum einen geografischen Herkunftsschutz für die einzigartige Zwiebel ins EU-Register eintragen lassen. «Wir sind da im Antragsstadium», sagt Michael Baldenhofer vom Plenum.

Dass die rote Knolle längst zu einem Markenzeichen der Region geworden ist, zeigte sich jedes Jahr beim Büllefest in der Gemeinde Moos, die zwischen dem badischen Radolfzell und dem schweizerischen Stein am Rhein liegt. Tausende Zwiebelfreunde kommen, und kaufen außer Säcken voll roter Zwiebelchen vor allem Bülledünne, eine Art Zwiebelpizza, die traditionell mit neuem Wein genossen wird.

Neben kunstvoll geflochtenen Zwiebelzöpfen und Knoblauchsträußen bieten viele Marktstände auch würzige Büllesuppe, saftiges Büllebrot, Zwiebelwürste und sogar Zwiebelmarmelade an. Der Termin für das nächste Büllefest auf der Höri steht bereits fest: Am 2. Oktober 2011 wird sich wieder alles um die Bülle drehen. (Anette Le Riche, dpa)