Von Verena Wolff
Der Nebel hängt dick in den Bergen um Livade. Langsam wird es dunkel, die Luft ist schwer und feucht - in Istrien geht ein schwüler Tag zu Ende. «Die Natur hat das gebraucht», sagt Giancarlo Zigante. Lange war es trocken, sehr trocken und sehr warm. In Livade, dem kleinen Dörfchen, in dem es nicht viel mehr gibt als ein paar Straßen und einen Kreisverkehr, hört man aus allen Ecken Hundegebell.
Die Tiere sind hier genauso wichtig wie die Berge, die den Ort einkesseln - und der Nebel. Denn in den Wäldern wachsen Trüffel. Schwarze und weiße. Neben Italien und Frankreich ist die kroatische Region die einzige in Europa, in der alljährlich viele Kilo der teuren Knolle aus dem Boden gegraben werden. In einem guten Jahr sind es leicht mehr als zehn oder zwölf Tonnen. Offenbar haben die Pilze hier beste Bedingungen zum Wachsen. Der Boden passt, die klimatischen Bedingungen stimmen.
Mister Giancarlo, wie ihn hier alle nennen, ist aber nicht einfach ein Trüffelsucher. Er ist ein ausgezeichneter Trüffelsucher. 1999 war es, da ging er in den Wald - wie immer auf der Suche nach dem Joker, einem besonders guten, großen Trüffel. Was er fand, ist einzigartig: Einen weißen Trüffel, der exakt 1310 Gramm auf die Waage brachte.
Bis heute sucht der schwarzhaarige Mann nach Worten, um sein Glücksgefühl von damals zu beschreiben. «Ich kann es eigentlich noch immer nicht fassen», sagt er. Es braucht keine Übersetzung, wenn er die Arme auseinanderreißt und seine Augen zu leuchten beginnen. Er lacht. Und freut sich auch viele Jahre nach dem Fund über seinen Coup, der ihm einen Eintrag in das «Guinness Buch der Rekorde» bescherte.
Aber der fast drei Pfund schwere Trüffel brachte ihm mehr als flüchtigen Ruhm und Ehre. «Mister Giancarlo hat ein richtiges Imperium hier in Istrien aufgebaut», sagen seine Mitarbeiter. Er ist weit und breit der einzige, der die Trüffel der mehr als 600 Sucher einkauft, der sie weiterverkauft in die EU, nach Amerika und sogar nach China. Und der sie verarbeitet, zu Honig mit Trüffeln, zu Trüffelbutter und der die kleinen Knollen mit Salz konserviert.
Auch ein Restaurant hat er in Livade - eines, das seit der Eröffnung vor acht Jahren vom Gault Millau alljährlich wieder mit zwei Hauben versehen wird und in dem frische Trüffel in allen Variationen auf den Tisch kommen. Aber nicht nur die edle Knolle bringt der 61-Jährige an den Mann und die Frau - auch Olivenöle von der eigenen Plantage stehen im Regal seiner Shops, bald sollen Weine das Sortiment ergänzen.
Trüffel, Weine, Öl - diese drei Spezialitäten hat Istrien im Überfluss zu bieten. Die Reben und die meist noch recht jungen Olivenbäume prägen zusammen mit Säulenzypressen, Kiefern, Steineichenwäldern, Rosmarin- und Lavendelbüschen die mediterrane Landschaft, die oft als Toskana Kroatiens bezeichnet wird. Kristallklares, türkisblaues Wasser an der Adria, kleine, mittelalterliche Dörfchen auf den Hügeln im Landesinneren, urige Fischerdörfer und mediterrane Lebensart - das alles ist typisch für Istrien.
Zu gut einem Drittel ist die Region von Wäldern bedeckt, auch die Inselgruppe Brijuni trägt zum Grün Istriens bei. Sie ist der einzige Nationalpark und bietet vielen Tierarten sowie seltenen Pflanzen ein Zuhause. Die Örtchen zwischen Weinbergen und Olivenhainen, in Senken und auf Hügeln, könnten unterschiedlicher nicht sein: Manche stehen nur noch in Ruinen, andere sind schick hergerichtet. Städte wie Umag, das mittelalterliche Groznjan mit seinen verwinkelten Gassen oder Rovinj sind ebenso sehenswert wie Porec mit der Euphrasius-Basilika, die von der Unesco in das Weltkulturerbe aufgenommen wurde oder Hum, das mit 17 Einwohnern als kleinste Stadt der Welt gilt.
Das Olivenöl Istriens ist etwas ganz Eigenes - es will sich nicht so recht mit den Supermarkt-Sorten vergleichen lassen. Der Geschmack ist intensiv, fruchtig - und ein bisschen bitter. Es gehört einfach dazu in der Küche Istriens. Das erste zertifizierte Bio-Olivenöl stellt Jolanta Pavlovic auf ihrer Plantage «Oma Jola» in Savudrija her.
Alles begann mit einem Zufall, wie die 62-Jährige mit polnischen Wurzeln erzählt. Schon immer hat sie gegärtnert, sie war stolz auf ihren sprichwörtlichen grünen Daumen. Lavendel und Rosen, Kräuter und kleine Obstbäume - das alles wuchs in ihrem Garten. Und eines Tages dann bot sich die Möglichkeit, eine kleine Farm zu kaufen. Jolanta griff zu - vor allem wegen eines alten, knorrigen Olivenbaums, der ihr besonders erschien.
Mehr als 2000 Olivenbäume stehen heute auf dem Hügel unweit der Adria, dazu Dutzende Kirschbäume, Apfel-, Pfirsich- und Birnbäumchen. Jolanta hat zwar einen grünen Daumen, aber keinerlei gärtnerische Ausbildung. Also verschrieb sie sich dem Learning-by-doing. «Ich stand neben den Bäumen, die Gartenschere in der einen Hand und das Lexikon in der anderen.»
Auch heute braucht Jolanta das Lexikon gelegentlich noch. Oder sie holt sich Rat von einem Gartenbau-Professor, der regelmäßig mit seinen Studenten aus Zagreb auf die Farm kommt und die Olivenbäume erforscht. Jolanta ist bis heute die Begeisterung anzumerken, wenn sie zwischen ihren Olivenbäumen umherläuft: «Ich freue mich jeden Tag darüber, dass ich meinem Bauchgefühl gefolgt bin».
Trüffel, Olivenöl, Wein - ganz zu schweigen von einer großen Auswahl an frischem Meeresfisch und dem seltenen Boskarin-Rind - die kroatische Küstenregion hat kulinarisch viel zu bieten. Das weiß auch Serafin Koutni zu schätzen. Der 33-Jährige ist Küchenchef im Kempinski-Hotel «Adriatic» und schweift bei seinen Kreationen nicht allzu weit in die Ferne: «Ich brauche keine große Philosophie beim Kochen», sagt der Kroate, der lange in Deutschland gelebt und in Hannover sein Handwerk gelernt hat. «Ich brauche gute, frische Zutaten, die aus der Region kommen.» Und die Ideen, diese Zutaten in Szene zu setzen.
Trüffelrisotto mit Lamm steht bei ihm ebenso auf der Karte wie frischer, mediterraner Rucola-Salat mit zartem Rinderfilet oder Jakobsmuscheln mit Gemüse und wildem Spargel. Und immer wieder Oktopus. Viermal im Jahr schreibt er eine neue Speisekarte, Sonderwünsche werden jederzeit erfüllt. Er schwärmt vom Olivenöl und dem guten Fleisch, das es hier gibt - und er schätzt den Wein, der noch nicht allzu weit über Kroatiens Grenzen bekannt ist. «Und man merkt einfach, dass die Produkte frisch sind und nicht lange herumkutschiert werden», sagt er.
In diesem Jahr jedenfalls freuen sich die Köche in Istrien auf beste Zutaten. Warm war das Frühjahr, ein bisschen Regen braucht es noch, sagt Koutni. Dann kann es ein gutes Jahr werden. Für den Trüffel, für den Wein und das Olivenöl. dpa
Reise nach Istrien
Anreise: Nach Istrien kommt man am besten direkt mit dem Auto. Alternative ist ein Flug nach Triest in Italien oder Ljubljana in Slowenien, von dort aus sind es noch jeweils etwa eine Stunde Fahrzeit mit dem Auto.
Klima und Reisezeit: Die Hauptsaison an der istrischen Adriaküste ist Juni bis September. Im Frühjahr und Herbst kann das Wetter recht kühl und unbeständig sein.
Geld: In Kroatien zahlt man mit Kuna (HRK), die man am besten vor Ort umtauscht. Für einen Euro gibt es etwa sieben Kuna.
Unterkunft: In Istrien finden Touristen vom idyllisch gelegenen Campingplatz bis zu luxuriösen Fünf-Sterne-Hotel jede Kategorie.
Sprache: Offizielle Sprache ist Kroatisch, allerdings spricht ein Großteil der Menschen sehr gut Deutsch, Italienisch und Englisch.
Informationen: Kroatische Zentrale für Tourismus, Hochstraße 43, 60313 Frankfurt, Tel: 069/238 53 50, visitkroatien.de