Dolomiten Das Skigebiet Carezza

Von Florian Sanktjohanser

Auf einem Bildschirm sieht Georg Eisath den nächsten Winter entstehen. Er sieht die Wasserleitungen, die sich durch sein Skigebiet ziehen wie Adern und daran aufgereiht die vielen Kästchen, jedes eine Schneekanone. Rot bedeutet außer Betrieb, grün bereit und blau in Betrieb. Die Saison hat begonnen im Südtiroler Eggental, die meisten Kästchen sind blau.

«Hier auf der Alpensüdseite ist es immer eine Lotterie gewesen, ob genug Schnee fällt», sagt Georg Eisath. «Deshalb beschneien wir seit den 90er-Jahren großflächig zum Saisonstart. Für die Liftbetreiber und Hoteliers ist es ein viel zu großes Risiko, sich auf den Naturschnee zu verlassen.»

Eisath ist der Schneekanonenmann, mit Kunstschnee hat er ein Vermögen gemacht. Anfang der 80er-Jahre war er als technischer Verantwortlicher dafür zuständig, eine Beschneiungsanlage für das Skigebiet Obereggen aufzubauen. «Die ersten Schneekanonen kamen aus den USA, sie brauchten tiefe Temperaturen und waren sehr teuer», erzählt Eisath. Er hatte Maschinenbau studiert, sein Kollege Walter Rieder Elektrotechnik.

Gemeinsam tüftelten sie an den Kanonen herum. 1990 gründeten sie ihre eigene Firma: TechnoAlpin. Zwei Jahre später lieferten sie schon Schneekanonen nach Chile und Japan, sie rüsteten die Ski-WM und die Winterolympiade aus. Bald war TechnoAlpin Weltmarktführer.

Als Eisath die Firma verkaufte, suchte er ein neues Ziel für seine Umtriebigkeit. Seit 2008 ist er Präsident des Skigebiets Carezza, 20 Kilometer von Bozen entfernt. «Ein Liebhaberprojekt», sagt er. Mit neuen Liften, besseren Pisten und natürlich vielen Schneekanonen will er das kleine Skigebiet am Karersee nach oben bringen. Von einer der gelben Propellerkanonen lächelt sein aufgedrucktes Porträt. Ein Mitarbeiter nannte sie Claudia Schiffer. «Weil sie so schön ist», sagt Eisath.

Im Eggental kann man besichtigen, was anderen Wintersportorten vielleicht noch bevorsteht, wenn das Klima wärmer wird. Der Sessellift hinauf zu den Felszinnen des Rosengartens surrt über ein Spalier von Schneekanonen, die in hohen Fontänen weißen Staub in die Luft blasen. Noch sind kaum Skifahrer auf der Piste, in weiten Schwüngen gleiten sie über das makellose Weiß. «Die Leute wissen gar nicht, auf was sie fahren», sagt Eisath. «Wenn sie rechts und links Weiß sehen, gehen sie davon aus, dass es Naturschnee ist.»

Dabei könnten heute viele Gäste gar nicht mehr auf echtem Schnee fahren, weil er ungleichmäßiger sei als die weiße Pracht aus der Maschine. «Wenn frischer Schnee gefallen ist, kommen zehn Leute und beschweren sich, dass nicht genug gewalzt ist», sagt Eisath. Früher habe der Skiurlaub eine Woche gedauert, jetzt kämen die Gäste nur noch für vier Tage. Und in denen muss dann alles perfekt sein.

Deshalb laufen die Schneekanonen im Eggental am Start jeder Wintersaison, egal wie viel es geschneit hat. «Wir haben jetzt drei Nächte produziert und eine Grundschicht von 30 Zentimetern», sagt Eisath. «Insgesamt brauchen wir 60 Zentimeter. Das müsste bis zum Ende der Saison reichen.» Kunstschnee wiegt 400 Kilogramm pro Kubikmeter, Naturschnee nur 70 bis 80 Kilogramm. Der Kompaktschnee, wie Eisath ihn nennt, wirkt wie eine Isolierschicht. Es muss schon zehn Tage lang zehn Grad plus haben, damit diese Schicht schmilzt.

Notwendig sei der Kunstschnee weniger wegen der nachlassenden Schneefälle, sondern vielmehr wegen der steigenden Zahl von Skifahrern. «Früher waren an einem Lift vielleicht 250 Leute pro Stunde, heute sind es 3000», sagt Eisath. Ohne Kunstschnee würden im Frühjahr braune Stellen die unteren Hänge sprenkeln, die Ski würden die Erde aufreißen wie einen Acker.

Der planbare Winter ohne das Risiko der launischen Natur hat natürlich seinen Preis. Wenn das Kältefenster mit mindestens sieben Grad minus da ist, speien die 170 Schneekanonen und Schneilanzen bis zu 210 Liter Wasser pro Sekunde über die Hänge. In wenigen Tagen werden 160 000 bis 180 000 Kubikmeter Wasser aus dem riesigen Stausee durch die Leitungen gepumpt, allein der Strom dafür kostet 120 000 Euro pro Jahr.

Ökologisch mag das fragwürdig sein, auch wenn sich Eisath brüstet, Energieverbrauch und CO2-Ausstoß durch Optimierungen um 20 Prozent nach unten gedrückt zu haben. Ökonomisch macht es offenbar Sinn.

«Inzwischen rüsten alle Skigebiete in den Dolomiten auf», sagt Eisath. Die Kunden werden anspruchsvoller, die Konkurrenz ist groß. Deshalb ließ Eisath im vergangenen Winter für 13 Millionen Euro eine neue Kabinenbahn bauen: Laurin 1, benannt nach dem Zwergenkönig des Rosengartens. Früher startete der Sessellift zur Frommer Alm zwei Kilometer oberhalb von Welschnofen, jetzt steigen die Skifahrer mitten im Dorf in die Zehnergondeln ein.

In diesem Jahr investierte Eisath in einen neuen Sessellift und einen Family Fun Park. Insgesamt 40 Millionen Euro hat er seit 2008 in das kleine Skigebiet gesteckt - eine Million für jeden Kilometer Piste. Von der Frommer Alm geht es mit einem Lift hinauf zu Laurins Lounge auf 2337 Meter, dem höchsten Punkt von Carezza. Hier und an der Bergstation Paolina starten die einzigen schwarzen Pisten des Gebiets, über die Abfahrt kann man 7,6 Kilometer bis Welschnofen hinabwedeln.

Ansonsten carvt man entspannt über die sonnigen Hänge mit Aussicht auf das Amphitheater der Felsmassive, auf Rosengarten, Rotwand und Latemar. Die Kulisse für Eisaths Projekt stimmt. dpa

Reise ins Skigebiet Carezza

Anreise: Aus München fahren täglich mehrere Züge nach Bozen. Von dort geht es mit dem Bus weiter ins Skigebiet.

Skifahren: Das Skigebiet Carezza gehört zum Verbund Dolomiti Superski. Erwachsene bezahlen für den Skipass pro Tag 36 Euro, Kinder und Jugendliche ab acht Jahren 25 Euro.

Reisezeit: Die Lifte laufen diese Wintersaison bis zum 6. April.

Informationen: Eggental Tourismus, Dolomitenstraße 4, I-39056 Welschnofen, Tel: 0039/0471/61 95 00, www.eggental.com

www.carezza.it