Domaine de l'Horizon 10 Jahre Dynamik

Für Thomas Teibert, der stapelweise Degustationsnotizen selbst erforschter Riojas archivierte, als die anderen Kids noch Fußballbilder tauschten oder Klingelstreiche machten, war bereits früh klar: ich werde Weinmacher und habe mein eigenes Weingut. Ob er, als er schließlich im Jahr 2005 in Calce auf den damals steinharten Böden der Domaine de l'Horizon stand, tatsächlich "Heureka!" gerufen hat, ist nicht zweifelsfrei überliefert. Tatsache aber ist, dass sich sein Wunsch schließlich hier im Roussillon, unterhalb der Pyrenäen, gar nicht weit von Spanien, realisierte.

Thomas Teibert (r.) und Doris & Joachim Christ stehen in der 11. Weinlese und feiern somit das 10jährige Bestehen des Weinguts in Calce im französischen Roussillon.  

Zwar galt es noch, Joachim und Doris Christ mit an Bord zu holen, doch viel zu überreden war da nicht. Allerdings war durchaus Phantasie und - mehr noch - Sachverstand nötig, um das ungeheure Potential dieses Fleckchens Welt zu erkennen. Aber an Phantasie mangelte es den dreien nicht, und Sachverstand war weit mehr als nur ausreichend vorhanden. Schließlich konnte Thomas Teibert unter anderem auf Erfahrungen auf den Weingütern Wöhrwag (D), Graf Hardegg (A), Canon La Gaffelière (F) und Lanzerac Wine Estate (ZA) zurückblicken; zudem war er nach dem abgeschlossenen Önologiestudium in Geisenheim der Betriebsleiter bei Manincor (I).

Auch die Christs waren alles andere als Weinnovizen. Nachdem Joachim in der französischen Sternegastronomie gekocht hatte, übernahm er das familieneigene Hotel-Restaurant im Saarland und verschrieb sich darauf schließlich zusammen mit seiner Frau Doris dem Weinimport und -handel.

Daher war den dreien schnell klar, dass die hiesigen mineralreichen Böden mit Anteilen von Kalk, Mergel, Ton, Schiefer und Eisenoxid den exakt richtigen Untergrund für ihre Idee von Wein abgaben. Und dass die Winde aus dem Hinterland wie vom Meer, die als natürliche Klimaanlage Calce immer ein wenig kühler halten, als die restliche Gegend, ihr Übriges tun würden, um die Domaine de l'Horizon mehr als nur irgendeinen weiteren Wein aus Südfrankreich hervorbringen zu lassen. Kurzum erweiterten sie die Domaine von 2,5 Hektar auf gut 15 Hektar beste Rebflächen - bestückt mit zwischen 30 und 100 Jahren alten Rebstöcken -, richteten einen Keller für die Erzeugung überschaubarer Mengen hochqualitativen Weins ein und kauften die nötige Hardware für die Landwirtschaft. 2007 kam der erste Jahrgang der Domaine de l'Horizon heraus - und sorgte frischweg für grandiose Bewertungen in der einschlägigen Literatur.

Kein Grund für Lorbeerenruhe, sagt das Team und stellt 2008 den schon im Vorjahr Ecocert-zertifizierten Betrieb auf Biodynamik um, wird Mitglied bei "Biodyvin" und später auch bei der von Nicolas Joly gegründeten Winzervereinigung "Renaissance des Appellations". Macht's gut Herbizide, chemisch-synthetischen Fungizide und Fabrikdünger, Bahn frei für spezielle Pflanzenstärkungsmethoden für das natürliche Leben auf und im Boden, das den hier stehenden heimischen Rebsorten Macabeau, Grenache Gris, Grenache Blanc, Muscat Petit Grain, Carignan, Grenache Noir und Syrah wohlbekommt.

Domaine de l'Horizon

Bahn frei aber auch noch mehr Aufwand, noch peniblere Arbeit im Weinberg. Auch im Keller verzichtet die Domaine de l'Horizon auf rüde Eingriffe bei der Weinwerdung des Mostes. Die Trauben wissen im Prinzip selbst, was zu tun ist, brauchen halt nur hier und da ein wenig fachmännische Unterstützung. So entstehen Wein-Individuen. Trotzdem, nein, vielmehr: deshalb ist die Handschrift von Thomas Teibert immer erkennbar. 2013 erweiterten Thomas Teibert und die Christs die Domaine de l'Horizon noch einmal. Sie erwarben 35 Kilometer nordwestlich von Calce 4 Hektar auf 300 Metern Höhe gelegenes Rebland in der Gemeinde Caudiès-de-Fenouillèdes. Hier wachsen auf Schiefer und Ton-Kalk-Mergel Syrah, Carignan und Grenache Noir für den "Mar i Muntanya", die Hommage Thomas Teiberts an den Beaujolais. Wer meint, das allein klinge schon spannend, sollte erst mal den Wein probieren.

Die Domaine de l'Horizon repräsentiert heute, nach 10 Jahren Arbeit mit Reben und Boden, wie kein anderes Weingut den "Neuen Süden" Frankreichs. Moderate Alkoholgradation, hohe Feinheit und Differenziertheit, nicht enden wollende Frische, auf Mineralik bauende Eleganz sind typische Eigenschaften ihrer Weine.

Die "Grand Vins" der Domaine: Blanc, Rosé und Rouge sind komplexe Charaktere mit hochinteressanten Ontogenesen. Da kann es schon mal passieren, das herzliches Entgegenkommen von einer radikalen Trotzphase abgelöst wird und reflektive Melancholie in souveräne Unverblümtheit übergeht - den Weinen der Domaine wohnt nicht nur am Anfang ein Zauber inne.

Die wahrnehmende Begleitung ihrer Selbstfindungsprozesse ist spannend, dauert über Jahre. Wer einmal das Glück hatte, alle Jahrgänge der "Großen" zugleich auf einem Tisch versammelt und im Glas gehabt zu haben weiß, dass am Ende jedes Parcours über einen vinologischen Abenteuerspielplatz immer ein nachhaltig beeindruckender Wein steht. Unkopierbar, singulär. Wobei streng genommen von einem Ende gar nicht gesprochen werden kann, denn alle Jahrgänge der großen l'Horizons sind in Top-Form. Aber auch die "Esprits de l´Horizon", die kleineren Geschwister in rot und weiß, sind unverwechselbar - stammen fraglos von den selben Eltern. Wie auch "Le Cadet de l'Horizon", den es bislang nur aus 2015 gibt, und "Mar i Muntanya". Sie alle erfüllen die Ansprüche, die man zu Recht an diese Domaine stellen darf - spielend und mit Leichtigkeit. Was buchstäblich gemeint ist.

Heute, 10 Jahre nachdem der Korken aus der ersten Flasche l'Horizon gezogen wurde, finden 25.000 bis 35.000 Flaschen der Domaine jährlich ihren Weg zu ausgesuchten Händlern und Restaurants in ganz Europa, Russland, USA und Kanada.

www.domaine-horizon.com