Ein Käse ist ein Käse ist ein Käse Krieg um Käseladen

Von Sabine Dobel

Käse riecht. Auch durch Betonwände? Und über mehrere Stockwerke? Derartige olfaktorische Belastungen aus dem Tölzer Kasladen im oberbayerischen Bad Heilbrunn beschäftigen seit Längerem die Gerichte. Am 17. Dezember will das Landgericht München II eine Entscheidung verkünden. In diesem Rechtsstreit geht es darum, ob Hausbewohner ihren Ärger mit Aufklebern an den Scheiben des Ladens Luft machen dürfen, die eine geruchsbelästigte Nase zeigen.

Immer wieder habe er die Aufkleber von den Scheiben gekratzt - und schließlich auf Unterlassung geklagt, sagt Inhaber Wolfgang Hofmann. «Das ist nur die Spitze des Eisbergs», sagt der 58-jährige. Die Käsefehde zieht sich seit Jahren hin.

Schon bald nach dem Einzug des Kasladens in einen früheren Supermarkt 2016 klagten Hausbewohner vor dem Amtsgericht Wolfratshausen. Denn neben dem Verkauf im Laden lagern und reifen in den hinteren Räumen in Regalen feinsäuberlich gestapelt zwei bis drei Tonnen Käse. Rund 200 Sorten werden hier verpackt und verschickt. Der Käsehandel samt Käsereifung sei kein Supermarkt und die Nutzung somit nicht erlaubt, argumentierten die Nachbarn.

«Wir haben erst versucht, eine gütliche Einigung zu erreichen. Aber Herr Hofmann hat das Problem des Gestanks von Anfang an negiert», sagt Hausbewohnerin und Prozessgegnerin Manuela Kragler. Der Käsegeruch ziehe durch geöffnete Fenster der Käseräume nach oben, komme aber auch durch Steigleitungen, den Sicherungskasten und sogar aus den Steckdosen. «Man hätte diskutieren können, ob Lüftungsanlagen eingebaut werden.» Doch stattdessen eskalierte der Streit immer mehr. «Ich bin dazu übergegangen, auf nonverbale Art zu kommunizieren, dass es uns Hausbewohnern stinkt», sagt die Goldschmiedin, die eigentlich gern Käse isst. So sei es zu den Nasen-Zetteln gekommen.

2017 wurden Landratsamt und Gemeinde auf den Streit aufmerksam. Hofmann musste eine Nutzungsänderung beantragen. Der Bauausschuss der Gemeinde kam zur Ortsbegehung samt Schnüffelprobe. «Es war ein deutlicher säuerlicher Geruch zu erkennen», sagt Andreas Mascher, Geschäftsleiter der Gemeinde Bad Heilbrunn. Die Anwohner hätten glaubhaft versichert, dass das vorher nicht der Fall gewesen sei.

«Aber Käse riecht nicht säuerlich», wehrt sich Hofmann. «Das ist Silage. Es gibt hier drei landwirtschaftliche Betriebe, die mit Silage füttern.» Die Nachbarn, glaubt der gelernte Koch, hätten den Geruch manipuliert - indem sie hinter einem Sicherungskasten alten Käse versteckten. Dass es im Käseladen selbst nach Käse rieche, sei logisch. «Wenn Sie in einen Parfümladen gehen, riecht es nach Parfüm, und wenn Sie in einen Blumenladen gehen, riecht es nach Blumen.»

Käsegeruch liegt in der Herstellung begründet. Damit Käsesorten reifen und ihren typischen Geschmack entwickeln, wird die Masse mit Bakterien oder Schimmelpilzen versetzt. Je älter ein Käse, desto intensiver riecht er. Käseliebhaber schätzen gerade diesen, mit dem Geruch einhergehenden, kräftigen Geschmack.

Nicht nur über Geschmack, sondern auch über Geruch lässt sich streiten. Das zeigte sich auch ein paar Kilometer weiter in Rottach-Egern am Tegernsee. Ein Ehepaar zog vor Jahren dort gegen den Geruch frischer Semmeln aus einer Backstube vor Gericht. Nachbarn schlugen sich auf die Seite der Bäckerei und bedankten sich mit Schildern für den «täglichen Bäckerei-Duft».

Hofmann betreibt den 1972 gegründeten Tölzer Kasladen mit handwerklich hergestelltem Käse in der zweiten Generation. Er beliefert gehobene Restaurants, Hotels und Sterneköche. Das Geschäft lief gut - so gut, dass der Platz in den früheren Räumen in Bad Tölz nicht reichte und Hofmann nach Bad Heilbrunn umzog.

Dort hatte man sich anfangs gefreut, als der Kasladen in den lange leerstehenden Supermarkt einzog. «Das hat sich keiner vorstellen können, dass sich das so entwickelt. Man war ja froh damals, dass man wieder eine Nutzung gefunden hat», sagt Mascher. Doch wenig später begann die geruchliche Misere.

Der Bauausschuss kam nach der persönlichen Geruchsprobe zu der Entscheidung, dass eine Nutzung des Ex-Supermarkts für den Kasladen samt Reifung nicht genehmigt werden kann. «Man hat den Anwohnern darüber auch nicht zumuten können, dass es so bleibt», sagt Mascher. Hofmann klagte gegen die Nutzungsuntersagung, scheiterte aber vor dem Verwaltungsgericht München. Hier ist - wie auch vor dem Amtsgericht - das letzte Wort noch nicht gesprochen. Hofmann hat Rechtsmittel eingelegt. Wie es weitergeht: offen. Noch läuft der Kasladen.

Wenn das Gericht am Dienstag Hofmann recht gibt und die Nachbarin ihre Nasen-Aufkleber nicht mehr anbringen darf, ändert das freilich nichts an der Nutzungsuntersagung. Auch wenn Hofmann noch eine Chance in zweiter Instanz vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof haben sollte: Er sucht schon ein neues Domizil. Nicht einfach nach dem Aufruhr: «Da hat sich schon Widerstand formiert, als wir uns nur erkundigt haben.» Der Streit habe seinen Ruf geschädigt. Hofmann und seine Nachbarn eint nun eine Hoffnung: Dass er bald fündig wird. dpa

Kasladen, Ferdinand-Maria-Straße 3, 83670 Bad Heilbrunn