Ein Mann, ein Fass Mit Hammer, Rauch und Wasser

Von Herbert Mackert

Laute Hammerschläge dröhnen durch die Halle, schwere Rauchschwaden ziehen durch den Raum und verbreiten einen Geruch von Schwefel, brennendem Holz und Eisen. Was für den Laien aussieht wie eine Szene aus der Unterwelt des Mephistopheles, ist für einen Weinfassbauer aus Franken ganz normaler Arbeitsalltag.

"Toasten" nennt Büttner Andreas Aßmann diesen Vorgang, wenn die inneren Fasswände mit Feuer erhitzt werden, damit sich die zuvor mit Wasserdampf gebogenen Holzlatten, sogenannte Dauben, zusammenziehen. Nach dem Feuern zieht der Experte mit seinen Gesellen die Fassringe auf, hobelt die Innenseiten des Fasses glatt und bringt die Dauben auf die gleiche Länge und fräst eine Rille für den späteren Fassboden.

Sie heißen Binder, Schäffler, Büttner oder Böttcher, früher Schmied und Wagner, und sind in Deutschland inzwischen die Letzten ihrer Zunft. Böttchermeister Aßmann aus dem unterfränkischen Eußenheim (Landkreis Main-Spessart) ist einer von wenigen verbliebenen Weinfassbauern in Deutschland.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) zählt derzeit noch 61 Böttcherbetriebe bundesweit. Ganze acht Auszubildende erlernen diesen seltenen Beruf, davon alleine drei in der Büttnerei Aßmann. Weil Muskelkraft vonnöten ist, ist es bis heute eine Männerbastion geblieben.

Dabei hat der Beruf sehr gute Aussichten, denn bei Winzern erfährt das alte Eichenholzfass eine echte Renaissance. "Wir haben akuten Nachwuchsmangel", klagt der bayerische Innungsobermeister Wilhelm Schmid. "Wir sind zwar wenige, aber wir sind voll ausgelastet." Die Innung zählt noch zwölf Mitglieder, neben Aßmann gibt es noch einige kleinere Fassbauer, die vor allem Bierfässer herstellen, der Rest fertigt kleinere Fässer, Humpen, Bierkrüge, Badewannen oder Saunabottiche.

Bei Aßmann arbeitet inzwischen die dritte Generation. Vater Karl hat das Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg gegründet, mittlerweile ist Enkelsohn Erik, 20 Jahre alt, als Geselle dabei. Neben ihm, seinem Vater und den drei Auszubildenden arbeiten noch weitere sechs Böttchergesellen. Rund 1000 Fässer stellen die Männer in einem Jahr her, davon werden 15 Prozent ins Ausland geliefert. Aßmann hat Kunden in den USA, in Kanada und verschifft seine bis zu 3000 Liter großen und bis zu eineinhalb Tonnen schweren Holzkolosse sogar bis Australien und Neuseeland - zum Stückpreis von bis zu 6000 Euro. "Der Trend zurück zum Holzfass ist weltweit erkennbar", sagt der 48-Jährige.

Verwendeten Winzer bis in die 1990er Jahre fast nur die leicht zu reinigenden und geschmacksneutralen Edelstahlfässer, bevorzugen sie heute zumindest für ihre kräftigeren Rotweine und meist auch für opulentere Spätlese-Weißweine wie Silvaner, Riesling und Burgunder die Reifung im Eichenholzfass. Denn Eichenholz ist hierfür der ideale Werkstoff. "Es ist sehr stabil und trotzdem biegsam und sehr lange haltbar", sagt Aßmann.

Anders als Weichholz hat es sehr dichte Poren, so dass keine Flüssigkeit nach draußen dringt - wohl aber Sauerstoff nach innen. "Durch diesen Sauerstoffeintrag entsteht aus dem im Eichenholz enthaltenen Lignin Vanillin das charakteristische Vanillearoma im Wein. Gleichzeitig werden die bitteren Gerbstoffe im Wein abgebaut", erklärt der Chefönologe der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG), Johannes Burkert.

Zwar würden 90 Prozent der fruchtigen, frischen Weißweine weiter im Edelstahltank gegoren, wodurch sie den gewünschten Kohlesäuregehalt behalten. Viele Winzer schätzten aber wieder die individuelle Handwerkskunst des Fassbauens und Werte wie Nachhaltigkeit und Regionalität. Statt Wirtschaftlichkeit und gleichbleibender Weingeschmack stünden das Individuelle und ein einzigartiger Geschmack im Vordergrund.

"Nichts veredelt einen Wein besser als ein Holzfass", ist sich Kellermeister Reinhold Full vom Weingut Geiger und Söhne aus dem benachbarten Thüngersheim sicher. Seit Jahren bestellt er seine Holzfässer bei Aßmann. "Zur Qualität im Weinberg muss die Qualität im Weinkeller kommen." Dabei dürfe das Holz aber den Wein im Geschmack nicht dominieren. Sonst werde der Wein "von der Latte erschlagen", sagt er und Böttchermeister Aßmann lacht. Wichtig sei ihm daher der Terroirgedanke, dass nämlich das Holz für das Weinfass aus der gleichen Region komme wie der Wein selbst. "Der Wein und das Holz müssen sich verheiraten", sagt der Winzer schmunzelnd.

Bei Aßmann stammt das Holz ausschließlich aus dem Spessart, für eine "Verheiratung" bestellen die Fässer aber längst nicht nur Winzer aus Franken. Er wählt nach seinen Worten jeden Eichenstamm mit dem Holzrücker selbst aus. Auf dem Hof wird das 200 Jahre alte Holz gesägt und gespalten. Fünf Jahre lang lagern die Latten dann im Freien, damit sie gut austrocknen und die richtigen Biegeeigenschaften haben. Die tatsächliche Herstellung des Fasses geht dann vergleichsweise schnell - für einen geübten Böttcher ist es ein Tagwerk. Aßmann - selbst das, was man in Bayern ein gestandenes Mannsbild nennt - bringt es auf die griffige Formel: "Ein Mann, ein Fass!" dpa