Ernährung verkauft sich mit Gesundheit und Gewissen gut Mehr Moral als beim Sex

Von Erich Reimann

Den Ernährungspsychologen Christoph Klotter von der Hochschule Fulda überrascht das nicht, denn für ihn steht fest: «Beim Thema Essen wird heute mehr moralisiert als bei der Sexualität. Beim Sex ist mittlerweile fast alles zulässig, was einvernehmlich geschieht. Beim Essen ist dagegen immer weniger erlaubt.»

Tatsächlich hat sich nach Angaben der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) der Anteil der Verbraucher, die Wert auf einen gesundheitsorientierten und nachhaltigen Lebensstil legen, in den vergangenen fünf Jahren von 18 auf mehr als 31 Prozent erhöht. Gesundheit und soziale Verantwortung würden deshalb für den Einzelhandel immer mehr zu «Pflichtthemen», um vor allem für Verbraucher aus der die Mittel- und Oberschicht attraktiv zu bleiben, heißt es in einer aktuellen Studie der Marktforscher.

Tatsächlich steigt die Nachfrage nach Produkten, die Gesundheit und Nachhaltigkeit signalisieren, kontinuierlich. Beispiel Bio: Im vergangenen Jahr gaben die Bundesbürger nach Angaben des Bundes Ökologische Lebensmittelwirtschaft fast 11 Milliarden Euro für Bio-Lebensmittel aus - 5,5 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Längst haben auch Aldi, Lidl, Edeka und Rewe den Markt für sich entdeckt und kämpfen erbittert um Marktanteile.

Auch vegetarische Alternativen zu Fleisch sind groß im Kommen. Der Fleischhersteller Rügenwalder brachte 2014 seine ersten fleischlosen Produkte heraus. Heute macht das Familienunternehmen bereits über 30 Prozent seiner Umsätze damit. Im kommenden Jahr sollen es sogar 40 Prozent sein. Als der Discounter Lidl im Mai erstmals den fleischlosen Beyond-Meat-Burger aus Erbsenprotein und Rote Beete anbot, waren die Regale im Nu leer gefegt, so dass der Billiganbieter bereits zwei Wochen später die nächste Ladung Veggie-Burger in die Läden brachte.

Beim Trinken spielt das Thema Gesundheit ebenfalls eine immer größere Rolle. Während der Absatz klassischer Biere seit Jahren kontinuierlich sinkt, boomt das Geschäft mit alkoholfreiem Gerstensaft. Mittlerweile gibt es nach Angaben des Deutschen Brauer-Bundes in der Bundesrepublik rund 500 verschiedene alkoholfreie Marken. Der Marktanteil der alkoholfreien Biere liegt mittlerweile schon bei 7 Prozent, und nach Einschätzung des Hauptgeschäftsführers des Brauer-Bundes, Holger Eichele, dürfte er schon bald 10 Prozent erreichen. Hilfreich seien dabei der im Vergleich zum herkömmlichen Bier nur rund halb so hohe Kaloriengehalt und das sportlich-gesunde Image.

Einer der wichtigsten aktuellen Trends ist nach Einschätzung der Gesellschaft für Konsumforschung aber «Frei von Zucker». Im Bereich Gesundheit sei Zucker für die Konsumenten zurzeit das Thema mit der höchsten Relevanz, beobachten die Marktforscher. Das hat Konsequenzen. Die großen Handelsketten von Aldi bis Rewe sind längst dabei, den Zucker- und Salzgehalt in ihren Eigenmarken zu reduzieren.

Der Wandel zeigt sich auch bei den großen Markenartikel-Herstellern. Coca-Cola etwa hat neben dem stark gezuckerten Klassiker immer mehr Getränke im Angebot, die auf gesundheitsbewusste Konsumenten zielen - von «Coca Cola Zero sugar» über trinkfertige Tees bis zum Tafelwasser. Auch die bekannte deutsche Mineralwassermarke Apollinaris gehört längst zum Reich von Coca-Cola. Das Unternehmen steht damit nicht allein. «Aktuell sehen wir einen anhaltenden und signifikanten Trend hin zu kalorienreduzierten beziehungsweise kalorienfreien Produkten», betonte kürzlich der Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke, Detlef Groß.

Auch der weltgrößte Lebensmittelkonzern Nestlé ist dabei, sein bislang noch recht schokoladenlastiges Süßwarenangebot um Produkte mit Gesundheitsappeal zu erweitern. Die für das deutsche Süßwarengeschäft zuständige Managerin Carmen Borsche sagte kürzlich dem Branchenfachblatt «Lebensmittel Zeitung», der Konzern nehme einen «klaren Strategiewechsel» vor und wolle das Thema «gesundes Naschen» vorantreiben. Deshalb werde das bestehende Geschäft mit Schokoladenprodukten wie KitKat oder After Eight gerade um Nuss- und Fruchtriegel ergänzt. Zugleich denkt Nestlé dem Bericht zufolge über Light-Varianten seiner klassischen Produkte nach.

Andere Markenhersteller von Danone über Dr. Oetker bis Haribo versuchen ebenfalls den Zuckeranteil ihre Produkte zu verringern - egal ob es sich dabei um Milchprodukte wie Joghurt, Müsli oder Fruchtgummis handelt.

Andere Möglichkeiten bleiben ihnen angesichts der wachsenden Moralisierung des Themas Essen wohl auch nicht. Der Ernährungspsychologe Klotter jedenfalls ist überzeugt: «Der Trend zu gesunder Ernährung wird definitiv anhalten.» GW/dpa

DISKUSSION: Hund wird in Regensburger Innenstadt gegrillt – PETA wirbt mit aufsehenerregender Aktion für vegane Lebensweise - Donnerstag, 18. Juli 2019

Bei einem sommerlichen Barbecue sprechen die Gäste ausgelassen über die Qualität des Hundefleischs auf dem Grill. Schließlich schneidet der Grillmeister die Beine des Hundes ab und verteilt die Fleischstücke. Dieses Szenario wäre für die meisten Menschen ein Grund, die Polizei zu rufen, während sogenannte Nutztiere zuhauf auf den Tellern landen. Daher stellt PETA am Donnerstag ab 16:15 Uhr auf dem Dachauplatz in Regensburg die entscheidende Frage: „Wenn Sie keinen Hund essen würden, warum dann ein Schwein?“ Mit einer Hundeattrappe auf einem Standgrill, Schildern, Flyern und einem Banner erinnert die Tierschutzorganisation daran, dass Schweine, Hühner und Kühe ebenso wenig auf den Grill gehören wie Hunde und Katzen. PETA klärt mit dieser Aktion über Speziesismus auf und bittet die Menschen, beim Einkauf tierfreundliche Entscheidungen zu treffen.

„Es macht keinen Unterschied, ob das Fleisch auf unseren Tellern von einem Huhn, Rind oder Hund stammt – denn alle Tiere leiden gleich“, so Jens Vogt, Aktionskoordinator bei PETA. „Mit unserer Aktion appellieren wir an das Mitgefühl der Menschen und möchten sie dazu animieren, anstelle der zerstückelten Teile einer Tierleiche lieber Gemüse oder Fleischalternativen auf den Grill zu legen.“

Ungleichbehandlung von Tieren aufgrund ihres Nutzens für den Menschen

PETA macht darauf aufmerksam, dass willkürlich zwischen sogenannten Haustieren und den zur Ausbeutung freigegebenen „Nutztieren“ unterschieden wird. Diese Denkweise ist bezeichnend für die Logik des Speziesismus, der Geschöpfe aufgrund ihrer Artzugehörigkeit diskriminiert. Vogt erklärt: „Wir möchten die Menschen daran erinnern, dass Gewalt falsch ist – unabhängig davon, wer die Opfer sind. Ein Schwein oder ein Rind empfindet genau wie ein Hund Schmerzen, Angst und Freude und möchte leben. Es gibt zahlreiche vegane Alternativen, sodass kein Individuum für einen kurzen Gaumenkitzel leiden muss.“

800 Millionen getötete Lebewesen pro Jahr – wie tierlieb sind wir wirklich?

PETA weist darauf hin, dass viele Menschen hinter Fleisch und anderen Produkten tierischer Herkunft nicht das getötete Lebewesen sehen. Doch allein in Deutschland werden jährlich 800 Millionen Landlebewesen wegen ihres Fleisches in enge Ställe eingepfercht, enthornt, die Schwänze abgeschnitten und männliche Tiere ohne Betäubung kastriert. Im Schlachthof wird ihnen die Kehle durchgeschnitten – teils nur mit unzureichender Betäubung, sodass sie langsam und qualvoll ausbluten. Ganz gleich, ob „Bio“ oder konventionelle Haltung: 100 Prozent der Tiere werden, lange bevor sie ihre natürliche Lebenserwartung erreichen, getötet.

Produkte tierischer Herkunft sind Klimakiller Nummer eins

Der Konsum von Fleisch, Milch, Käse und Eiern verursacht zudem die größten Umweltprobleme unserer Zeit. Aus wirtschaftlichen Gründen halten Landwirte immer mehr Tiere. Die Ställe werden größer, doch mit ihnen auch der Gülleausstoß und somit die Belastung des Grundwassers. In deutschen Tierhaltebetrieben kommen Hunderte Tonnen Antibiotika zum Einsatz; einen großen Teil davon scheiden die Tiere wieder aus. Mit der Gülle gelangen somit auch Medikamentenreste und resistente Keime in die Natur. Die Auswirkungen, beispielsweise von Antibiotikaresistenzen, sind nicht abschätzbar.