Von Lea Sibbel
Die Geschichte klingt ein bisschen wie im Märchen: Gerade mal 16 Lenze zählte Franz Sacher, als er den großen Auftrag erhielt. Ein Dessert sollte er sich einfallen lassen, mit dem Fürst Metternich seine hohen Gäste bewirten konnte. Und der Küchenchef war krank. So lag es an dem Lehrling, sich ein Schmankerl zu überlegen. Er erfand 1832 die Sacher-Torte, erzählt Reiner Heilmann, Hoteldirektor des "Sacher" in Wien. "Die Torte hat er extra mit einer dicken Schicht Schokolade und Zucker versehen" - und damit haltbar gemacht.
Der Kuchen fand Anklang - erst in Wien, dann in ganz Österreich. Viele ließen sich die Torte schicken: "Selbst die Kaiserin Sissi, die für ihre Konsequenz und ihre Diäten bekannt war", erzählt Heilmann. Doch nicht alles lief so märchenhaft. Rund um die Torte entbrannte ein Rechtsstreit.
Franz Sachers Sohn Eduard hatte die Torte weiterentwickelt. Und zwar in der Konditorei Demel, in der er Lehrling war. Später gründete er das "Hotel Sacher". Und so stritten Demel und das Hotel später darum, wer denn nun das Recht habe, die Original Sacher-Torte zu verkaufen. "Es gab insgesamt vier Rechtsstreitigkeiten", fasst Heilmann zusammen. Sie wurden immer für das "Hotel Sacher" entschieden.
So gibt es die Original Sacher-Torte nur noch vom "Hotel Sacher", erzählt Dietmar Muthenthaler, Chefzuckerbäcker der Konditorei Demel. "Wir dürfen nur sagen: Demel Sachertorte." Und der Rest der Welt sagt Sachertorte. Neben der Schreibweise ist der größte - sichtbare - Unterschied der beiden Wiener Varianten die Anzahl der Marmeladenschichten: Im "Hotel Sacher" wird der Boden noch einmal durchgeschnitten und mit einer Schicht Marillenmarmelade gefüllt - bei Demel bleibt es bei einer Schicht unter der Schokoladenglasur.
Wer sich weder Original Sacher-Torte oder Demel Sachertorte aus Wien bestellen möchte - oder gleich dorthin reist - kann eine eigene Variante auch zu Hause nachbacken. "Generell ist man bei der Sachertorte ziemlich festgeschrieben", erklärt Gerhard Schenk, Präsident des Deutschen Konditorenbundes. Die drei wichtigsten Bestandteile: eine dunkle Wiener Masse, Marillenkonfitüre und Schokolade. Die genaue Zubereitung etwa der Wiener Masse oder des Schokoladenüberzugs unterscheidet sich je nach Konditorei.
Los geht es mit der Wiener Masse, sagt Schenk: "Da geht es ans Eingemachte", sagt Schenk. Die Masse ist ein Biskuit mit Butter und einem relativ hohen Ei-Anteil. Kompliziert wird es, wenn Eigelb und -weiß getrennt voneinander verarbeitet werden. Dann kommen Gewürze hinzu - etwa Vanille, eventuell noch Zimt und Tonkabohne. Es folgt ein kleiner Teil des Zuckers. Der größere Teil kommt ins Eiweiß. "Aufpassen, dass das Eiweiß nicht steif geschlagen wird", warnt Schenk. Es darf nur cremig sein.
Das Eiweiß hebt Schenk anschließend unter das Eigelb - und gibt danach die trockenen Zutaten hinzu, also Mehl und Kakao. Zum Schluss gießt er flüssige Butter hinein. "Dann wird das Ganze gebacken im Ring". Nach dem Auskühlen wird der Boden durchgeschnitten und mit Aprikosenkonfitüre bestrichen. Diese sollte warm sein - "sonst zerrupft man den Kuchen". Die flüssige Marmelade kommt dann auch noch einmal oben auf den Kuchen. Jetzt fehlt nur noch der Schokoladenüberzug.
Schenk rät Laien, sich nicht daran zu versuchen, Kuvertüre selbst mit Zucker cremiger machen zu wollen - das erfordere Know-how. Besser sei es, Fettglasur zu benutzen, damit der Kuchen leichter zu schneiden ist. Zu Hause darf man das nämlich - der Konditor muss von der Fettglasur die Hände lassen: Die Leitlinie der feinen Backwaren verbietet, sie für Sachertorte zu verwenden.
Strenge Regeln gelten auch für den, der nach dem Kodex des österreichischen Lebensmittelgesetzes eine Sachertorte machen möchte. Dort ist zum Beispiel festgelegt, dass auf die Gesamtmenge mindestens 15 Prozent Schokolade kommen muss, erklärt Chefzuckerbäcker Muthenthaler. Für die Schokoladenglasur werden in der Konditorei Demel etwa Wasser, Zucker und Schokolade bis 103 Grad Celsius erhitzt. Dann wird Luft eingearbeitet - das wird als Tablieren bezeichnet.
Im "Hotel Sacher" schweigt man sich über Details der Rezeptur aus. Verschiedene Schokoladen werden für die Glasur gemischt, erzählt Heilmann. Viel mehr möchte er nicht erzählen. "Das ist eine Art Dienstgeheimnis." Von den 15 Konditoren kennen die Rezeptur nur 3 oder 4. Das Rezept liegt in einem Safe.
Gegessen wird das Stück Sachertorte gerne zu einem Kaffee oder zu einer Trinkschokolade, sagt Heilmann. Und zu jeder Tageszeit. "Das ist ein Stück Kultur." In Wien teilt man sich die Zeit so ein, dass noch Zeit ist für einen Besuch im Kaffeehaus - ob vor oder nach der Oper, ist egal. "Wenn man an Wien denkt, kommt man um die Torte nicht drum herum." dpa