Feuerdrama für kalifornische Winzer Das wird eine Katastrophe

Von Barbara Munker

Im Stil eines jahrhundertealten toskanischen Schlosses ist das Weingut Castello di Amorosa im kalifornischen Napa Valley gebaut. Doch selbst die massiven Steinmauern konnten den verheerenden Waldbränden in dem Weinanbaugebiet nördlich von San Francisco nicht trotzen. Bei heftigem Wind seien die Flammen nachts den Berg hochgeschossen, erzählt Georg Salzner. «Über die Holzfenster oder die schönen antiken Dachziegeln aus der Toskana sind die Funken eingedrungen und dann war das Feuer nicht mehr aufzuhalten», berichtet der gebürtige Österreicher, der das bekannte Weingut des Winzers Dario Sattui seit 2008 leitet.

Das riesige Farmhaus, ein Nebengebäude mit 120 000 Flaschen Wein, brannte in der Nacht zum Montag völlig aus. Salzner beziffert den Gesamtverlust mit 15 bis 20 Millionen Dollar. Aber sie hätten noch Glück gehabt. 90 Prozent ihrer Weine seien anderswo gelagert und das Hauptschloss mit den Verkostungsräumen sei «komplett intakt» geblieben.

Das ist ein kleiner Lichtblick in den rauchverhangenen Weinregionen Napa und Sonoma, die mit ihren rund 800 Weingütern, Spitzenrestaurants und anderen Ausflugszielen jedes Jahr Millionen Touristen anlocken. Schlagzeilen macht die Region nun schon im vierten Jahr in Folge mit verheerenden Feuersbrünsten. 2017 war wegen anhaltender Trockenheit bereits ein besonders schlimmes Waldbrandjahr gewesen. In den Weinregionen wurden damals fast 6000 Gebäude zerstört. 44 Menschen starben, zeitweise waren 100 000 Anwohner vor den Flammen auf der Flucht. Diese Woche trieb das so genannte Glass-Feuer im Napa Valley wieder Zehntausende Menschen aus ihren Häusern, die idyllische Landschaft ist über weite Strecken verkohlt.

Die Weinindustrie hat schweren Schaden genommen, mehr als ein gutes Dutzend Weingüter sind beschädigt oder ganz abgebrannt. Es trifft Riesenkellereien genauso wie kleine Familienbetriebe. «Überall um uns herum brennt es noch», berichtet Vince Tofanelli vom «Tofanelli Family»-Weingut, das seine italienischen Großeltern 1929 gegründet hatten. Am Montag war der 67-Jährige vor den Flammen geflüchtet, zwei Tage später stochert er in den schwelenden Überresten der Gebäude, auch die historischen Geräte sind verschmort. «Ein Stück der alten Napa-Geschichte und viele Andenken sind nun weg», sagt Tofanelli. «Aber die meisten Weinreben sind davongekommen, sie werden im nächsten Jahr hoffentlich wieder tragen». Seine Traubenernte hatte er schon vor dem Ausbruch des Feuers eingebracht.

Das Rombauer-Weingut in St. Helena ist knapp davongekommen. Er habe selbst mitgeholfen, die Flammen zu löschen, erzählt Leiter Bob Knebel. Doch die Hügel um ihn herum seien schwarz verkohlt. «Dies wird ein sehr, sehr schwieriges Jahr für viele Weinbauer», prophezeit Knebel. Die meisten Weißwein-Trauben seien schon geerntet worden, nicht aber die roten Merlot- und Cabernet-Trauben. «Sie haben durch Rauch und Feuer stark gelitten und viele betroffene Gebiete werden daraus keinen Wein machen können.»

Cabernet-Weine sind das Aushängeschild des Napa Valley. Auch Georg Salzner befürchtet große Verluste. «Die wertvollen Weine hängen jetzt noch draußen, viele davon werden nicht trinkbar sein, fürchte ich. Das wird eine Katastrophe. Es wird sich zeigen, aber vom Gefühl her würde ich sagen, das ist die größte Herausforderung, die wir je im gesamten Napa Valley hatten.»

Weine aus Kalifornien, vor allem aus den Regionen um Sonoma und Napa, sind ein Milliardengeschäft. Nach Frankreich, Italien und Spanien gehört der Westküstenstaat mit zu den wichtigsten Produzenten weltweit. Allein in den USA erzielte kalifornischer Wein 2019 Verkäufe von mehr als 43 Milliarden Dollar, wie die jüngste Studie des Analysehauses Wine Institute zeigt.

Das diesjährige Feuerinferno in Kalifornien begann ungewöhnlich früh. Seit Mitte August wüten in dem Westküstenstaat Dutzende schwere Brände. Trockenes, heißes Wetter mit Temperaturen um 35 Grad Celsius und starke Winde begünstigten auch diese Woche die Ausbreitungen des Flammenmeers. Und die Feuersaison ist noch lange nicht vorbei. Traditionell wüten die heftigeren Brände im Herbst, am Ende der trockenen Sommermonate.

Die brennende Sonne ist auch ein Grund für die Top-Qualität der kalifornischen Trauben. «Napa Valley ist ein wunderbarer Ort», schwärmt Vince Tofanelli. «Trotz all der Zerstörung sind nicht alle Bäume und Reben verschwunden. Und wenn der Regen endlich kommt, wird alles wieder grün. Wir Farmer sind Optimisten», sagt der Winzer.

Das Glass-Feuer war am Mittwochabend (Ortszeit) erst zu zwei Prozent unter Kontrolle. Die Behörden ordneten weitere Evakuierungen an. Doch Georg Salzner will Castello di Amorosa so schnell wie möglich wieder für Besucher öffnen. «Sobald die Sperren aufgehoben werden, machen wir wieder auf», meint der Österreicher. «Viele Kunden bestellen schon im Internet, das ist ganz enorm, wie die Leute uns helfen wollen». Natürlich soll auch das abgebrannte Farmhaus wieder aufgebaut werden. Stilecht, mit Materialen aus Europa. dpa

Durch Hitze und Winde drohen neue Feuer

Anhaltende Hitze, Trockenheit und starke Winde drohen die Waldbrände in Nordkalifornien weiter anzufachen. Die zuständigen Behörden riefen am Donnerstag (Ortszeit) eine «Red Flag»-Warnung für hohe Feuergefahr aus. Ein seit Sonntag tobender Flächenbrand in den Weintälern um Sonoma und Napa nördlich von San Francisco war am Donnerstagabend (Ortszeit) erst zu fünf Prozent eingedämmt. Einsatzkräfte befürchten, heftige Windböen könnten Funken aufwirbeln und damit weitere Feuer entfachen. Etwas kühlere Temperaturen wurden erst zur kommenden Woche erwartet.

Das sogenannte Glass-Feuer brannte nach Angaben der Behörde Cal Fire bereits 238 Quadratkilometer Fläche nieder und zerstörte knapp 250 Gebäude. Berichte über Tote oder Verletzte gab es in dieser Region zunächst nicht. Es sei «herzzerreißend», diese Verwüstung zu sehen, sagte der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom nach einem Ortsbesuch in Napa. Die Menschen seien erschöpft und um ihre Sicherheit und Zukunft besorgt, denn die schweren Brände wüteten nun seit Jahren immer schlimmer. Derzeit seien im gesamten Westküstenstaat mehr als 96 000 Menschen aus ihren Häusern in Sicherheit gebracht worden, gab Cal Fire an.

Trotz der widrigen Umstände verbuchten die Brandbekämpfer auch Erfolge: Das sogenannte Zogg-Feuer im Norden Kaliforniens, das seit Sonntag vier Menschenleben forderte, wurde bis Donnerstagabend zu 39 Prozent eingedämmt. Zudem seien zwei riesige Feuer-Komplexe nördlich und östlich von San Francisco, die Mitte August durch Blitzschläge verursacht wurden, eingedämmt, gaben die Behörden bekannt. 

Mehr als 17 000 Feuerwehrleute kämpften laut Cal Fire am Donnerstag in Kalifornien weiter gegen zwei Dutzend größere Brände an. Sie hätten auch Hilfe von der Nationalgarde und von Einsatzkräften aus Ländern wie Mexiko, Israel und Kanada erhalten. Seit Ausbruch der ersten Feuer Mitte August sind in dem Staat über 7500 Gebäude abgebrannt und 30 Menschen ums Leben gekommen.

Der Leiter der Feuerbehörde Cal Fire, Thom Porter, zog am Donnerstag einen erschreckenden Vergleich, um das Ausmaß der Brände zu beschreiben. Die Brandschneisen, die sie in Kalifornien um die vielen Feuer gelegt hätten, ergäben eine Länge, die der Strecke von San Diego bis New York entspreche - rund 4400 Kilometer. Er rechne damit, dass in Kürze die 4-Millionen-Acre-Schwelle an versengter Fläche (mehr als 16 000 Quadratkilometer Land) überschritten werde, sagte Porter. dpa