Von Ansgar Haase
Protestbriefe, Boykottdrohungen und mittlerweile sogar diplomatische Verwicklungen - ein von der weltgrößten Ernährungsmesse in Köln verhängtes Ausstellungsverbot für Stopfleber-Erzeugnisse sorgt in Frankreich für Zorn und Empörung. Die Hersteller der aus Tierschutzgründen umstrittenen Delikatesse fordern, ihre geliebte Foie gras (fette Leber) umgehend wieder bei der Anuga zuzulassen.
«Das Verbot ist Diskriminierung pur», schimpfen Stopfleber-Lobbyisten wie der Regionalpolitiker Alain Rousset. Er kommt aus dem Südwesten Frankreichs, wo besonders viele Gänse und Enten unfreiwillig mit Riesenmahlzeiten gestopft werden. Die Lebern der Tiere werden dadurch unnatürlich groß - und fein im Geschmack, wie Fans finden.
Rückendeckung bekommen die französischen Foie-gras-Produzenten mittlerweile sogar von hochrangigen Regierungsmitgliedern. Landwirtschaftsminister Bruno Le Maire nannte das Verbot in einem Protestbrief an seine deutsche Amtskollegin Ilse Aigner «ungerechtfertigt» und «inakzeptabel». Er kündigte an, seinen geplanten Besuch auf der in diesem Jahr am 8. Oktober beginnenden Messe abzusagen. Außenhandelsstaatssekretär Pierre Lellouche nahm sich jüngst den deutschen Botschafter in Paris zur Brust.
Berlin müsse seine Autorität unter Beweis stellen und bei den Verantwortlichen intervenieren, lautet die eindeutige Botschaft der französischen Politiker. 35 000 Arbeitsplätze hängen nach Regierungsangaben in Frankreich an der Foie-gras-Industrie, die mit einer Jahresproduktion von rund 20 000 Tonnen weltweit mit Abstand die größte ist. Bereits 2006 wurde die Delikatesse per Gesetz als «Kultur- und Gastronomieerbe Frankreichs» unter besonderen Schutz gestellt.
Die deutsche Bundesregierung hört sich die Argumente an, sieht sich aber nicht als richtigen Ansprechpartner. «Solche Entscheidungen obliegen allein der Messeleitung», sagt ein Sprecher des Auswärtigen Amts. Das Landwirtschaftsministerium will sich lieber gar nicht zu der delikaten Angelegenheit äußern. In Deutschland ist das Stopfen von Gänsen und Enten - wie in vielen anderen EU-Staaten auch - verboten. Die Überfütterung der Tiere mit Hilfe in den Hals eingeführter Stopftrichter wird dort als Tierquälerei angesehen. Angesichts des freien EU-Binnenmarkts muss der Import und Verkauf von Foie gras aber weiter zugelassen werden.
Die Anuga-Verantwortlichen in Köln sind nun in einer schwierigen Situation. Sie hatten Foie gras bereits nach der letzten Messe 2009 von der Liste der zugelassenen Waren genommen, weil es heftige Proteste von Besuchern und Tierschützern gegeben hatte. Bis zum Brief des französischen Landwirtschaftsministers vor einigen Wochen war es aber ruhig um das Thema geblieben.
«Wir wollen nicht bewerten, ob Stopfleber ein gutes oder schlechtes Produkt ist. Uns ging es darum, dieses kontrovers diskutierte Thema von der Anuga zu trennen», begründet Messesprecherin Christine Hackmann die Entscheidung. «Hier in Köln soll gehandelt und nicht über ethische Fragen gestritten werden.»
Andere stark umstrittene regionale Spezialitäten wie Haifischflossen seien auch nicht zugelassen, argumentieren die Verantwortlichen weiter. Betroffen seien gerade mal rund 20 von insgesamt 6500 Ausstellern, führt Hackmann an. Derzeit werden dennoch noch einmal intensiv Gespräche mit allen Beteiligten geführt. Regionalpolitiker wie Rousset hatten zuvor sogar dazu aufgerufen, dass auch andere französische Anbieter die Messe boykottieren sollten.
Richtig glücklich mit dem Verbot sind deswegen nur die Stopfleber-Gegner. «Das ist ein sehr gutes Signal, dass Tierschutz und Verbraucherschutz auf der Anuga ernst genommen werden», kommentiert die deutsche Tierschutzorganisation Vier Pfoten. «Eine geplante Aktion gegen die Tierquälerei im Umfeld der Messe können wir jetzt absagen.» dpa