Formel-1-Circuit of the Americas Lewis Hamilton und Mercedes-Benz: Habe das Beste noch vor mir

Von Jens Marx und Christian Hollmann

Lewis Hamilton ist noch lange nicht fertig. Daran ändert auch der nahende fünfte WM-Triumph nichts. «Ich glaube fest daran, dass ich das Beste noch vor mir habe», sagte er im Interview vor dem Grand Prix der USA, bei dem er am Sonntag schon wieder Formel-1-Weltmeister werden könnte.

Auf der Strecke, aber auch außerhalb, als Rennfahrer, Geschäftsmann und als ganz privater Lewis Hamilton - er will mehr, noch mehr, immer mehr. «Mehr Rennen, mehr Erfolge mit diesem Team, mehr Erlebnisse mit meiner Familie, neue Geschäftsfelder, selbst eine Familie gründen - es gibt so viele großartige Dinge, die mich noch erwarten», sagte der 33-Jährige.

Hamilton ist ein Selbstverwirklicher. Sein unverrückbares Ziel: der beste Hamilton, den es geben kann. Der Wechsel von McLaren zu Mercedes zur Saison 2013 als Nachfolger von Michael Schumacher wirkte befreiend. «Ich denke, ich bin ziemlich gut bei der Auswahl meiner geschäftlichen Projekte, habe einen guten Riecher. Zum Beispiel beim Wechsel zu diesem Team. Das war kein Zufall, dass wir so erfolgreich sind», sagte der Brite. «Es war Teil eines Plans.» Einer, der spektakulär aufgegangen ist.

Drei seiner bisher vier Titel feierte Hamilton im Silberpfeil, 50 seiner bisher 71 Rennsiege. 54 von 80 Mal stand Hamilton in einem Silberpfeil auf der Pole Position. Nicht sein erneut geschlagener deutscher Ferrari-Rivale Sebastian Vettel, sondern Hamilton schickt sich an, die Grenzen des Erfolgs in der Motorsport-Königsklasse neu zu definieren.

13 Pole Positions mehr als Michael Schumacher hat er bereits. Die 91 Rennsiege von Schumacher scheinen ebenso wie die sieben Titel nicht mehr unerreichbar. Für mindestens zwei weitere Jahre hat sich Hamilton noch an Mercedes gebunden. «Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sagen können würde, aber Hamilton ist wirklich in der Lage, Michael Schumachers Rekorde zu brechen», sagte jüngst Formel-1-Sportdirektor und Schumacher-Weggefährte Ross Brawn der «Gazzetta dello Sport».

Hamiltons Vortrieb hat eine lange Vorgeschichte. Es waren die Zeiten, als der Sohn eines Einwanderers aus der Karibik sich mit bescheidenen Mitteln durch die Nachwuchsklassen kämpfte. «Damals saßen andere im Lamborghini, während mein Vater und ich im Fiat Cinquecento vorfuhren. Ich habe gedacht: Genießt das, aber das Rennen werdet ihr niemals gewinnen», sagte er.

Muhammad Ali, Mike Tyson sind Referenzgrößen für Hamilton. «Sie mussten alles geben, kamen aus einfachsten Verhältnissen, mussten sich durchschlagen, Schmerzen erleiden. Diesen rohen, natürlichen Hunger kannst du nicht schlagen», sagte er.

Nur einmal in den vergangenen vier Jahren wurde er im WM-Kampf bezwungen, und das von Nico Rosberg. Dem Sohn des ehemaligen Weltmeisters Keke Rosberg, aufgewachsen in Monte Carlo - der Gegenentwurf zu Hamilton. Seit der für ihn so schmerzvollen Niederlage 2016 ist er noch stärker geworden.

Die bisweilen unkontrollierten Gefühlsausschläge seiner Formel-1-Anfangszeit inklusive privatem Herz-Schmerz mit seiner damaligen Freundin Nicole Scherzinger sind lange vorbei. Hamilton kanalisiert seine Emotionen. Nach einem schlechten Auftritt ist er noch immer einsilbig und gefrustet, verwandelt diese Wut jedoch schon bei der nächsten Ausfahrt in Motivation und Beschleunigung.

Hamilton lebt in einer für ihn perfekten Balance. Auch, weil ihm das Team alle Freiheiten lässt. Mal Kurzurlauber, mal Nebenjobber als Modedesigner, fast ruheloser Weltreisender - Teamchef Toto Wolff lässt Hamilton anders als einst sein zum Kontrollzwang neigender Entdecker Ron Dennis bei McLaren gewähren.

«Er genießt diese Aktivitäten abseits des Rennsports. Und wenn man ihm dann noch ein gutes Auto bietet, dann ist er in der Lage, auf einem noch nie da gewesenen Niveau zu fahren», erklärte Wolff. Die Suche nach dem Limit, sie ist für Lewis Hamilton längst nicht abgeschlossen. dpa