Gault Millau 2011, die besten Restaurants in Bayern

Platz 1 der kulinarischen Hitparade des Gault Millau in Bayern und ihre 19 Punkte verteidigten Christian Jürgens vom Seehotel Überfahrt in Rottach-Egern und Heinz Winkler von der Residenz Heinz Winkler im oberbayerischen Aschau.

Bei Jürgens, "einem der ambitioniertesten und ideenreichsten Küchenchefs im deutschen Süden", bestaunen die Tester einerseits, dass "seine exzellente Interpretation des bayerischen Wirtshausklassikers Lammbeuscherl wie ein Märchenwald aus der deutschen Romantik daherkommt" und fragen andererseits, "warum enorm facettenreiche Gerichte als wahre Porzellanschau dargeboten werden müssen, darunter der extravaganteste Teller dieser Testsaison: von schüsselartiger Dimension, einer offenen Blüte nachempfunden und unten so rund, dass zur Stabilisierung ein Ring aus Wildleder untergelegt werden muss. Was der Sinn eines Tellers ist, der nicht allein stehen kann, und auf dem der Gast auch nicht sein Besteck ablegen kann, erschließt sich uns nicht."

Der "wie alle bedeutenden Köche in keine Schublade passende Winkler" bereitet "eine himmlisch leichte Küche mit hocharomatischen Fonds" und "intoniert Kompositionen von großer Klarheit und Transparenz wie Felsenrotbarbe mit Pastinaken- und Rote Bete-Würfelchen in Wasabisauce". Noch höher als Jürgens und Winkler sind in Deutschland nur vier Köche bewertet.

Die beiden bayerischen Kochkönige haben 4 Kronprinzen mit jeweils 18 Punkten: Martin Fauster vom Königshof in München "entspricht in seinem Küchenstil dem Geist des festlich stimmenden Hauses. Man fühlt sich eingebettet in große kulinarische Tradition, die aber nichts Altväterliches hat, sondern zeitgemäß interpretiert wird. Nur wenige Köche haben eine ähnlich zarte Hand im Umgang mit Fisch wie der gestandene Steirer Fauster. Wunderbar zart gegart war der Bretonische Hummer in gelungener Kombination mit der Fruchtigkeit von Maracuja und der Süße junger grüner Erbsen."

Hans Haas vom Tantris in München behält zwar seine Note, muss sich aber einen der kritischsten Texte gefallen lassen. "Reden wir nicht lange drumherum: Das Tantris bietet die beste stehengebliebene Küche hierzulande. Großalarm am Gaumen oder hellwach werdende Geschmackspapillen vor kreativem Entzücken haben wir hier schon lange nicht mehr erlebt. Gleichwohl kehren wir immer wieder gern ein, denn die bewährten Gerichte schmecken stets sehr gut bis ausgezeichnet. Die Garzeiten sind perfekt, die Aromen stimmen."

Andree Köthe und Yves Ollech vom Essigbrätlein in Nürnberg "überraschen durch Gemüsekreationen mit breitem Geschmacksspektrum und verwobenen Aromenstrukturen. Beim harmlos anmutenden Gang aus Sellerie, grünem Apfel und Rucola werden dünne Scheiben von Knollensellerie abwechselnd mit Selleriepüree und grünem Apfel geschichtet und mit frischem sowie frittiertem Rucola gekrönt. Das cremige, äußerst würzige Mundgefühl wird durch die Frische des Apfels angenehm potenziert, zur Kräuternote des frischen Rucola gesellt sich der frittierte mit fleischiger Assoziation und sorgt somit für eine in ihrer Komplexität weit über einen rein vegetarischen Gang hinausgehende Differenziertheit am Gaumen."

Da auch noch 8 bayerische Köche - Denis Feix in Bad Griesbach, Reiner Fischer in Lindau, Alexander Herrmann in Wirsberg, Thomas Kellermann in Wernberg-Köblitz sowie Otto Koch, Steffen Mezger, Alfons Schuhbeck und Jakob Stüttgen in München - 17 Punkte schafften, stehen von den 110 besten deutschen Köchen (die 17 bis 19,5 Punkte haben) 13 in Bayern am Herd. Das bedeutet Platz 3 in der kulinarischen Bundesliga hinter Baden-Württemberg mit 23 und NRW mit 19 Köchen.

Eins auf die Kochmütze bekommen die Küchenchefs von 4 Restaurants: In Laudensacks Parkhotel in Bad Kissingen legte "der neue Küchenchef Frederik Desch mit zu stark angebratenem und trockenem Wolfsbarsch, ältlich schmeckender Felsenrotbarbe oder ranzigen Nüssen im Dessert einen Fehlstart hin. 15 statt der bisherigen 17 Punkte als neue Note waren schon so gut wie beschlossen, da kam Desch nach längeren Anlaufschwierigkeiten endlich in die Gänge."

In Mario Gambas Acquarello in München maulen die Kritiker über "geschäumte Saucen möglichst Gang für Gang, jahrein, jahraus. Auch bei den Fleischgängen zitiert sich die Küche mit Vorliebe selbst, immer wieder mit dem legendären Brasato und dem Kalb von Kopf bis Fuß. Nichts gegen Klassiker, aber es verwundert doch, dass sich ein Mann, der zu seinen angegrauten Locken Converse-Turnschuhe ohne Schnürsenkel trägt, wie sie bei Teenagern in Mode sind, dafür nicht zu jung fühlt."

Im Hippocampus in München brilliert Cosimo (Mimmo) Ruggiero "mit einer klaren Küche, die puristische Eigenaromatik vor gekünstelte Eingriffe stellt. Wir würden uns noch mehr über seine Küche freuen, wenn er sein Talent voll entfaltete und die Pasta immer mit Passion und nicht gelegentlich mit Nonchalance zubereiten (lassen) würde."

Im Le Ciel des InterContinental Berchtesgaden Resort-Hotels gingen bei Ulrich Heimann "Gerichte geschmacklich irgendwo im Öligen unter oder punkteten eher in der Optik als in der Aromatik. Der Rehrücken schmeckte mehlig, der Nougat-Milchreisknödel mit Ingwer-Lakritzeis war im Inneren noch roh. Vielleicht wären wir nachsichtiger gestimmt gewesen, hätten wir nicht gar so lange auf die einzelnen Gänge warten müssen und wären die Preise nicht gar so gepfeffert. Aber wer sich preislich an den großen Metropolen orientiert, muss sich auch qualitativ an ihnen messen lassen."

Mit peinlichen 10 Punkten und viel Häme wird Patrik Jaros vom La Baracca in München abserviert: "Dies ist ein Konzeptlokal, was hier zählt, ist der Schein, nicht das Sein. Die angebotenen Speisen sind schlichter Natur, im Stil eines durchschnittlichen Eckitalieners. Wobei man dort mehr Service geboten bekäme. Die Gerichte werden per Touchscreen bestellt. Abends offenbaren sich die Tücken des elektronischen Bestellsystems, dann regiert das Chaos. Wer in größerer Gruppe speist, erlebt den Spaß, dass der eine noch bei der Vorspeise ist, während der andere gerade den Hauptgang beendet und der dritte immer noch auf seinen Wein wartet. Dazwischen immer wieder die Fragen des desorientierten Servicepersonals: Haben Sie das bestellt? Verneint man, ziehen sie weiter an den nächsten Tisch, solange, bis ein Abnehmer gefunden ist."

Als Kochschule des Jahres kürte der Gault Millau das Studio von Alexander Herrmann in Wirsberg und lobt den Lehrer: "In Gourmet-Workshops vermittelt er Aromen, moderne Techniken und Menükomposition, in Bistro-Kursen raffiniertes Grundwissen. Sein Motto: Kreativität fördern statt Vorkochen."

Als zusätzliches Schmankerl testete der im Münchner Christian Verlag erscheinende Reiseführer für Genießer (888 Seiten, 29.95 Euro) das Ende September 2010 eröffnete Restaurant Dieter Müller auf dem Kreuzfahrtschiff MS Europa sowie alle 8, nicht jedem Passagier zugänglichen Restaurants der Queen Mary 2. Ferner beschreibt und klassifiziert der Guide 365 Hotels. Für unterwegs gibt es den Gault Millau auch als App fürs iPhone (7.99 Euro). Die App enthält den gesamten Inhalt der Buchausgabe und bietet Zusatzfunktionen zur Suche, Anfahrt und direkten Anwahl interessanter Restaurants.

Die besten Restaurants des Gault Millau in Bayern

1. Residenz Heinz Winkler in Aschau/Chiemgau, Gourmetrestaurant Überfahrt-Christian Jürgens* in Rottach-Egern (19 Punkte),

3. Königshof und Tantris in München, Essigbrätlein in Nürnberg (18 Punkte),

6. Il Giardino in Bad Griesbach, Villino in Lindau, Atelier, 181 first, Schuhbeck und Terrine in München, Kastell in Wernberg-Köblitz, Herrmanns Restaurant in Wirsberg (17 Punkte),

14. Schwingshackls Esskunst in Bernried bei Deggendorf, Herrmannsdorfer Schweinsbräu in Glonn bei München, Christians Restaurant in Kirchdorf bei Wasserburg, Laudensacks Parkhotel*** in Bad Kissingen, Schachener Hof in Lindau, Acetaia, Acquarello***, Hippocampus*** und Jin in München, Wonka in Nürnberg Ess Atelier Strauss* und Maximilians in Oberstdorf, Silberdistel* in Ofterschwang/Allgäu, Philipp in Sommerhausen bei Würzburg, Villa am See* in Tegernsee (16 Punkte)

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