Von Sebastian Kunigkeit
Am Himmel leuchtet der Mond, unten brennt es im Weinberg. Aus der Ferne sieht es aus, als hätte eine Kompanie Fackel-Träger entlang des Hangs Stellung bezogen. «Das ist schon beeindruckend, die ganze Geschichte», sagt Johannes Weickert. Der Kellermeister des unterfränkischen Weinguts Laufer war an diesem Mittwochmorgen schon früh auf den Beinen: Mit drei Kollegen hat er mehrere hundert Töpfe mit Paraffin zwischen den Rebzeilen verteilt und angezündet. Die Heizkerzen sollen die Reben vor dem ersten Spätfrost dieses Jahres schützen.
Minus vier Grad hat Weickert am Fuß des Weinbergs gemessen, einem klassischen «Frostloch» in Bimbach bei Prichsenstadt (Kreis Kitzingen). «Wer da nichts macht...», sagt Peter Schwappach, bei der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) für den Rebschutz zuständig, und erklärt: «Am nächsten Tag sieht man noch nichts, aber innerhalb von zwei Tagen werden Knospen braun und fallen ab.» In diesem Jahr ist die Gefahr besonders groß, weil die Reben nach mehreren warmen Wochen bereits sehr früh ausgetrieben haben.
Wie heftig der Frost wüten kann, erfuhren viele deutsche Winzer im Mai 2011. In der «Nacht des Grauens», wie Schwappach sie nennt, schlug die Kälte zu, in vielen fränkischen Weinbergen gab es schwere Schäden bis hin zum Totalausfall. In der Folge erhielt das Thema Frostschutz wieder mehr Aufmerksamkeit. Die LWG testet seitdem in einem vom Landwirtschaftsministerium geförderten Projekt, wie Schäden an den Pflanzen verhindert werden können - mit Pflanzenöl, das den Austrieb verzögert, Windmaschinen, Heizdrähten und sogar Hubschraubern.
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In 25 Metern Höhe schwebt der gelbe Eurocopter AS 350 knatternd über einem Weinberg bei Sommerach, in der Ferne geht gerade die Sonne auf. «Die Idee ist, dass die Rotorblätter warme Luftschichten nach unten drücken und dadurch die Reben schützen», erläutert Schwappach. Das funktioniere nur bei sogenannten Inversionswetterlagen, wenn also die Luft unten kühler ist als oben. Ein erster Versuch vor zwei Jahren zeigte wenig Erfolg, nun ein zweiter Anlauf. In Australien und Neuseeland funktioniere das bereits, betont Schwappach.
Allerdings: Frostschutz ist teuer. Ein Hubschraubereinsatz koste 5000 bis 6000 Euro, dürfe aber erst eine Stunde vor Beginn der Dämmerung starten sagt Schwappach - da ist es manchmal schon zu spät. Die Frostkerzen kosten neun Euro das Stück, je nach Temperatur braucht es 200 bis 500 Stück pro Hektar. Windmaschinen, die weltweit schon recht viel eingesetzt werden, können mit mehreren zehntausend Euro zu Buche schlagen. «Aber damit hat ein Obstbauer 2011 seine Ernte gerettet.»
Ein Weinanbaugebiet in der Pfalz hat die Investition gewagt und kürzlich neun spezielle Windräder bauen lassen, die wärmere und kältere Luft verwirbeln sollen. Insgesamt sei die Branche aber noch nicht gut vorbereitet, sagt LWG-Vizepräsident Hermann Kolesch. Viele Winzer hofften schlicht darauf, dass es gut geht.
Möglich, dass das Thema zumindest in Gegenden mit kontinentalem Klima künftig noch wichtiger wird - wegen des Klimawandels. «Wenn es sich verstetigen sollte, dass wir einen früheren Vegetationsbeginn haben und damit mehr in die Kaltluftphasen reinkommen, werden wir uns damit auseinandersetzen müssen», sagt Kolesch.
Mit seinem Einsatz der Heizkerzen ist Kellermeister Johannes Weickert auf den ersten Blick zufrieden. «Um das Feuer rum ist der Rauhreif am Boden weg», berichtet er. Ob der zweite fränkische Hubschrauber-Versuch Erfolg hatte, muss noch ausgewertet werden - in Sommerach bestand jedenfalls keine ernste Gefahr für die Reben, die Temperatur am Boden lag um den Gefrierpunkt. Auch für die Nacht zu diesem Donnerstag hatten die Weinexperten angekündigt, den Frost wieder mit Wind und Feuer schlagen zu wollen. dpa