Von Bernhard Krieger
Kaviar statt Kasknödel und Kaiserschmarren: Immer mehr Skihütten in den Alpen servieren Haute Cuisine anstelle deftiger Sattmacher. Und neben urigen Stuben schießen immer häufiger trendige Alpin-Lounges aus dem Boden. Kaum eines der Top-Ski-Gebiete kommt noch ohne Gourmet-Einkehr und Design-Hütten aus. «Der Trend zu feinerem Essen und einem moderneren Ambiente auf den Berghütten wird im gesamten Alpenraum immer stärker», sagt die stellvertretende Tourismusdirektorin von St. Anton am Arlberg, Wilma Himmelfreundpointner.
In einigen dieser neuen Luxus-Berghütten kann man nicht nur fein essen, sondern auch fürstlich wohnen. So zum Beispiel in der «Wedelhütte» und in der «Kristallhütte» in Tirol. Nach Fünfgänge-Menü, Wein und Absacker fallen die verwöhnten Gäste dort nicht mehr bei späten Talabfahrten auf harte Pisten, sondern nur noch in weiche Kissen. Und als eine Art verspätetes Dessert gibt es am nächsten Morgen eine Zugabe: Bevor die ersten Skifahrer aus dem Tal mit dem Lift hinauf kommen, gleiten die Gäste dieser Berghütten im Hochzillertal über menschenleere Abfahrten.
Die traditionell eingerichtete «Wedelhütte» bietet mit Gourmet-Restaurant, Spa und einem über zwei Stockwerke reichenden Weinkeller im Felsengewölbe den Standard eines Fünfsterne-Hauses. Die «Kristallhütte» richtet sich mit ihrer modernen Aufmachung eher an ein jüngeres Publikum. Hier räkeln sich die Genießer auf der Terrasse in Designermöbeln, die ganz Coolen übernachten nebenan im Iglu.
Beide Luxusvarianten des Ski-Urlaubs haben ihren Preis, sind aber trotzdem gut gebucht. Weil die Deluxe-Versionen der Skihütten ankommen, haben die Betreiber der beiden Zillertaler Hütten im Großglockner Resort Kals-Matrei mit der «Adlerlounge» (Foto) auf 2621 Metern gleich die nächste eröffnet.
Nicht fehlen darf natürlich St. Moritz, der Trendsetter der alpinen Luxus-Gastronomie: Im schweizerischen Nobel-Skiort offerierte der Star-Koch Hartly Mathis 1967 als erster Kaviar, Trüffel und Champagner auf einer Berghütte.
«Er meinte, man könne doch auch auf dem Berg Besseres essen als Spaghetti oder Würstchen mit Pommes», erzählt Mathis' Sohn Reto. «Mit exquisiten Kreationen, die jedoch nie die Bodenhaftung verloren, haben wir wohl das erfunden, was man mittlerweile 'Fine Mountain Dining' nennt», sagt Mathis. Heute ist sein «La Marmite» in der Bergstation der Corviglia-Bahn eine der ersten Feinschmecker-Adressen für Gipfelstürmer im gesamten Alpenraum. An guten Tagen geht hier der Kaviar kiloweise über den Tresen.
«Gutes Essen auf der Hütte gehört heute zum Gesamtpaket dazu», meint auch Daniel F. Lauber. Der Hotelier des Boutique-Hotels «Cervo» in Zermatt weiß: Nur Skifahren allein reicht dem Gast längst nicht mehr. Wenn im Frühjahr die Genuss-Skifahrer in die Alpen strömen, werden die Plätze auf den Sonnenterrassen der feinen Bergstuben knapp. Wer in Zermatt im hoch dekorierten «Chez Vrony» mit Blick auf das Matterhorn schlemmen will, muss frühzeitig reservieren.
Im Nachbarort Crans-Montana steht mit Franck Reynaud in der 2208 Meter hoch gelegenen Hütte «Cabane des Violettes» sogar ein Sterne-Koch am Herd. Die Speisekarte klingt dennoch bodenständig: Da gibt es Eintöpfe, Fondue und natürlich auch das Nationalgericht «Rösti». Was nach Hausmannskost klingt, entpuppt sich auf dem Teller aber oft als überraschend pfiffig und modern.
Einfache Gerichte, herausragend präsentiert - das ist auch das Motto des höchst gelegenen «Zwei-Hauben»-Restaurants der Alpen. Für den Gourmet-Führer «Gault Millau» gehört die «Verwallstube» in der Bergstation der St. Antoner Galzigbahn zur zweithöchsten Restaurant-Kategorie.
Küchenchef Bernhard Neuhold begeistert am Arlberg nicht nur mit seinem Klassiker, einer im Ganzen gebratenen Seezunge mit Blattspinat und Kartoffeln in Zitronenbutter. «Wir bieten bodenständige, gute Küche auf hohem Niveau», sagt der Niederösterreicher, für den Geschäftsführer Manfred Fahrner auch schon mal bewusst spektakulär einen riesigen Schwertfisch mit der Gondel hinauf bringen lässt.
Nur eine zehnminütige Skiabfahrt entfernt, wartet auf Weinfans unter der «Hospiz-Alm» in St. Christoph einer der größten «Großflaschenkeller» der Welt mit sündhaft teuren Bordeaux-Weinen. Über 5000 Flaschen mit bis zu 15 Liter Inhalt liegen gut gesichert auf dem Arlberg-Pass. Die wertvollste, eine 15-Literflasche Chateau Cheval Blanc 2000, kostet 48 000 Euro.
Im Vergleich dazu sind die Weine in Südtirols feinster Berghütte geradezu ein Schnäppchen. Im «Club Moritzino» in Alta Badia ruft der legendäre Hüttenwirt Moritz Craffonara mehrmals wöchentlich zur «Serata». Dann gönnen sich VIPs und die, die dazu gehören wollen, Hummer, Edel-Fische, Wein und Champagner bis die italienische Sause um Mitternacht mit einer gemeinsamen Fackel-Abfahrt endet.
Der Trend zu den Gourmet-Hütten ist längst auch schon nach Nordamerika hinüber geschwappt. Vorreiter wie die Vail Resorts bieten im Skigebiet Keystone mit der «Alpenglow Stube» auf über 3488 Metern schon lange eine Gourmet-Hütte. Auch die vom Österreicher Andreas Fischbacher geführte «Cloud Nine»-Hütte in Aspen gehört bereits zu den Klassikern, die «Lynn Britt-Cabin» in Snowmass zu den Aufsteigern. Immer mehr springen auf den Gourmet-Zug auf. So hat kürzlich auch Telluride mit der «Alpino Vino»-Hütte eine feine Adresse in schwindelnder Höhe eröffnet. dpa