Grönemeyers Ernährungsbuch mit dem Kleinen Medicus

Von Ira Schaible

Spekki Bulletti steht auf Chips und Cola - Sport und gesundes Essen sind ihm verhasst. Vom Kleinen Medicus lernt der «Fressdachs», dass eine Tüte Chips so viel Energie liefert wie vier Kilo Möhren, und dass in einem Glas Cola zwölf Würfelzucker stecken. Der Mediziner Prof. Dietrich Grönemeyer hat mit Unterstützung von sechs Grundschulkindern ein Ernährungsbuch geschrieben. «Wir Besser-Esser» ist ein Nachschlagwerk für Familien, Kinder und Grundschullehrer - und will vor allem eins vermitteln: «Gesunde Ernährung macht Spaß».

Unterteilt in sechs Schulstunden geht es in dem Sachbuch um den Stoffwechsel, Lebensmittel, Krankheiten, Bewegung - und auch um Rezepte. Die Kinder reisen zunächst durch den Körper und lernen dabei die Aufgaben der einzelnen Organe im Verdauungsprozesses kennen. Sie erfahren, dass beim Piercen der Zunge Geschmacksknospen verletzt werden können, wie Karies, Halsschmerzen und Bauchweh entstehen - und was sich gegen solche Krankheiten tun lässt.

Der Zusammenhang zwischen Ernährung, Bewegung, Lebensqualität und Leistungsfähigkeit ist der nächste Schwerpunkt des Buchs. Die Kinder lernen, warum ein gesundes Frühstück, Sport und Pausen wichtig dafür sind, dass sie sich wohlfühlen und gut in der Schule sein können.

In der «dritten Stunde» geht es in die Küche: Die sechs Grundschulreporter verraten ihre Lieblingsrezepte. Beim Kochen lernen sie zugleich allerlei über Öle und Fette, Salz und Gewürze sowie über genüssliches Essen. Beim Besuch auf dem Bauernhof von Oma Rosi wird in der 4. Stunde für regionale Produkte geworben, über Tierhaltung, Gentechnik, Bioprodukte und Vegetarier informiert - und gezeigt, wie Möhren und Tomaten angebaut werden können.

Die wichtigsten Nahrungs- und Lebensmittel stellt Mediziner Grönemeyer in drei kurzen Lexika-Teilen zum Nachschlagen vor. Der «Doc» erläutert auch in allen Kapiteln - mitunter recht anspruchsvoll - Fachbegriffe wie Enzyme, Geschmacksverstärker und glykämischer Index. Als das «beste Gegenmittel nach üppigem und fettigem Essen» empfiehlt er «Bewegen, bewegen, bewegen! Und Obst essen!»

Der Kleine Medicus gibt auch Tipps und erklärt etwa, wie die Zähne richtig geputzt werden, und warum ein Apfel pro Tag so gesund ist. Aber auch weniger Bekanntes vermittelt er, zum Beispiel, dass Nudeln «al dente» gegessen werden sollten, weil der Körper dann weniger Kalorien aufnimmt.

Aber gibt es trotzdem nicht längst genug Bücher über gesunde Ernährung für Kinder? «Mein Ziel ist es, mehr Bewusstsein zu schaffen, für das was man tut», sagt Grönemeyer. Er wolle den Kindern spielerisch vermitteln, «Essen als etwas Tolles zu erleben, das Genuss schafft, Freude macht, Gemeinschaft stiftet und stimuliert, sich selbst kennenzulernen». «Mir geht es um Spaß und Freude am Leben und am Essen - nicht um einen perfekten Ernährungsratgeber.»

Die Kinder sollen mitgenommen werden, und auch mal selbst kochen. «Es muss ja nicht perfekt sein.» Viele Konzepte zur gesunden Ernährung scheiterten, weil sie alles so Schwarz-Weiß sähen.

Im Dialog mit Spekki Buletti setzt sich der Kleine Medicus mal witzig, mal mitfühlend und mal kopfschüttelnd mit dessen Fresserei auseinander. Denn er macht sich ernsthaft Sorgen um die Gesundheit des nimmersatten Dachses.

Dickmacher, Jojo-Effekt, Esskrankheiten und Diabetes sind dann auch das Thema der sechsten und letzten Schulstunde. Mit den Tipps vom Kleinen Medicus gewinnt schließlich sogar Spekki Buletti Spaß an der Bewegung und stellt seine Ernährung um. Künftig greift er lieber mal zum Wrap als zu panierten Nuggets oder Pommes, isst Obst statt Kuchen und lässt sich beim Eis Fruchtsorten schmecken.

Zum Durchlesen ist Grönemeyers buntes Buch weder gedacht, noch geeignet. Es ist vielmehr ein Buch für den Grundschul-Unterricht und zum Nachschlagen - auch für Erwachsene. Und es ist ein Buch mit Anregungen zum Nachkochen für Kinder. dpa

(Prof. Dietrich Grönemeyer: Wir Besser-Esser, Gesunde Ernährung macht Spaß, Frankfurt am Main, 279 Seiten, Euro 19,99)

Mediziner Grönemeyer fordert Gesundheitsunterricht in der Schule

Rücken, Herz - und jetzt Ernährung. Prof. Dietrich Grönemeyer hat mit «Wir Besser-Esser» ein Buch über gesunde Ernährung vorgelegt. Der Mediziner fordert im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa zudem einen täglichen Sportunterricht in Zusammenarbeit mit den Vereinen.

Immer mehr Kinder und Jugendliche sind zu dick, klagen über Rücken- und Kopfschmerzen. Sie fordern einen Gesundheitsunterricht an Schulen. Weshalb klappt die Einführung bislang nicht?

Grönemeyer: «Die Einführung des Gesundheitsunterrichts verlangt ein Umdenken auf der ganzen Linie in Medizin, Politik und Pädagogik. Nötig ist ein ganzheitliches Bildungsverständnis, das Körper und Seele als eine Einheit betrachtet. Dafür müssen die Voraussetzungen schon in der Lehrerbildung geschaffen werden. Es genügt nicht, dass man in den höheren Klassen mehr Fächerkompetenz von den Lehrern erwartet, während in den unteren Jahrgängen eher die pädagogische Befähigung gefragt ist. Beides muss sich immer ergänzen, wenn wir die Kinder zu Persönlichkeiten erziehen wollen, die mit sich und den anderen - und auch mit ihrer Gesundheit - verantwortlich umgehen.»

Welche Rolle spielt dabei die Politik?

Grönemeyer: «Die Weichen dafür hat die Politik zu stellen, indem sie das zentrale Thema unseres Lebens, die Gesundheit, auch zu einem zentralen Bildungsziel erklärt und in den Lehrplänen verankert.»

Sie plädieren auch für eine tägliche Sportstunde an allen Schulen. Wie könnte dies umgesetzt werden?

Grönemeyer: «Die Sportlehrer sind im Durchschnitt 49 Jahre alt. Es fehlt offenbar am Nachwuchs. Deshalb wünschte ich mir, dass sich Sportvereine aktiv am Sportunterricht in den Schulen beteiligen, ihn vielleicht, wenn möglich, sogar übernähmen. Wenn sich der Deutsche Olympische Sportbund und der Deutsche Fußball-Bund in den Schulen engagieren würden, würden die Kinder durch sportliche Vorbilder zu eigener sportlicher Anstrengung motiviert. Dann würde auch nicht mehr jede dritte Sportstunde ausfallen. Über die Vereine lassen sich außerdem die Familien einbinden.»

Kinder sollen lernen, sich gesund zu ernähren, in vielen Schulkantinen ist das Essen aber nicht besonders gesund. Was tun?

Grönemeyer: «Vorrang hat für mich, überhaupt gemeinsam zu essen und daran Freude zu haben. Dann kommt die Frage nach dem was, wie viel und wann. Fünfmal am Tag Obst und Gemüse essen oder als Saft zu sich nehmen, wie es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt, halte ich für richtig. Wichtig ist auch, gemeinsam zu frühstücken. Gerade wenn Kinder ohne Frühstück in die Schule kommen, müssen wir dies ernst nehmen und entsprechende pädagogische Konzepte dafür entwickeln, bis zum Kantinenessen. Kinder sind ja zum Teil auch so kribbelig oder auch aggressiv, weil sie unterzuckert zur Schule kommen. Ein gutes Frühstück ist die Grundlage jedes Tages, am besten kohlenhydratreiche Haferflocken - und ohne viel Zucker.»

Sie sind eigentlich Radiologe, schreiben aber auch über andere medizinische Themen und jetzt über gesunde Ernährung für Kinder. Was treibt Sie an?

Grönemeyer: «Als ich gemerkt habe, dass die Medizin immer mehr nur als Kostenfaktor gesehen wird und nicht als Kulturgut, habe ich angefangen, auch populärwissenschaftlich zu arbeiten. Ich bin kein Ernährungswissenschaftler und kein Kardiologe, kann grundlegende Elemente aber trotzdem gut beschreiben. Es geht mir in meinen Büchern immer um Wissen, um Bildung. Durch Aufklärung möchte ich dazu beitragen, dass sich der Einzelne auch selbstverantwortlich verhalten kann."

Wo sehen Sie die Politik mehr in der Pflicht?

Grönemeyer: «Wenn unser Gesundheitswesen bezahlbar bleiben soll, brauchen wir den mündigen Patienten, denjenigen also, der medizinisch so aufgeklärt ist, dass er Verantwortung für die eigene Gesundheit übernehmen kann. Für diese Aufklärung zu sorgen ist eine zentrale Aufgabe der Gesundheits- und der Bildungspolitik. Dafür brauchen wir den Gesundheitsunterricht, die tägliche Sportstunde in den Schulen, aber auch öffentliche Kampagnen.»

Und was könnten die Ärzte tun?

«Wir brauchen die Bereitschaft der Ärzte, selbst aufklärerisch tätig zu werden, mit Vorträgen und anderem in die Öffentlichkeit zu gehen. Außerdem kommt es für uns Ärzte darauf an, dem Patienten in Ruhe zuzuhören und ihm auf Augenhöhe zu begegnen. Diese sprechende Medizin ist derzeit viel zu gering bewertet, auch im Honorarkatalog der Krankenkassen. Aufgewertet werden müsste auch die Arbeit von Krankenschwestern und Pflegern. Die Gesundheit ist nun einmal das Thema, das uns alle verbindet. Dafür müssen wir uns alle gemeinsam einsetzen, Ärzte, medizinische Berufsgruppen, Patienten und Politiker.»