Von Amelie Richter und Julia Kilian
Wer wissen möchte, welche Art Heidelbeere er gerade im Mund hat, kann mal auf seine Zunge schauen. Blau oder nicht? Kleine Waldheidelbeeren färben, größere Kulturheidelbeeren dagegen kaum - «zumindest, wenn sie nicht gekocht sind», sagt Heiner Husmann. Der Landwirt aus Niedersachsen beginnt wie seine Kollegen in Deutschland in diesen Tagen mit der Ernte.
In Kochbüchern oder Blogs gibt es heute viele Blaubeer-Rezepte. Supermärkte werben auch häufiger mit Heidelbeeren als früher, wie Birgit Rogge von der Agrarmarkt-Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn feststellt. Die Organisation wertet Werbezettel von rund 40 Supermarktketten aus. 2017 gab es mehr als 430 Werbungen für Heidelbeeren - dreimal so viele wie 2010.
Haushalte hätten im vergangenen Jahr 43 Prozent mehr Heidelbeeren gekauft als 2016, sagt Rogge. «Auch in diesem Jahr sehen wir, dass Heidelbeeren viel gekauft werden.» Seit einer Weile gibt es aber um Beeren aller Art einen kleinen Hype. Das zeigt sich auch auf den Feldern. Die Anbaufläche für Strauchbeeren wächst in Deutschland stetig, wie Zahlen des Statistischen Bundesamtes zeigen. Betrachtet man alle Sorten zusammen - etwa Johannisbeeren, Himbeeren und andere - legte die Fläche für Strauchbeeren innerhalb von fünf Jahren um etwa ein Drittel zu.
Deutsche Höfe bauen Kulturheidelbeeren vor allem in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg an. In Brandenburg soll die Ernte offiziell in dieser Woche beginnen. Auch Husmann legt nun los, sein Hof liegt zwischen Hannover und Bremen in Borstel. Diesmal seien die Heidelbeeren rund zwei Wochen früher reif als sonst, sagt Husmann. «Die ersten sind blau.»
Aber Heidelbeeren? Blaubeeren? Groß oder klein? Wo ist da eigentlich der Unterschied? Angebaut werde die Kulturheidelbeere, sagt Husmann. Die stamme ursprünglich aus Amerika, sei größer, süßer und habe helles Fruchtfleisch. Daneben gebe es die Waldheidelbeere, die aus Europa komme und wild an niedrigeren Sträuchern wachse. «Die Waldheidelbeere lohnt im Anbau nicht.»
Obwohl deutsche Bauern die Fläche ausweiten, reichen die Mengen nicht, um den Beerenhunger zu stillen. Die Händler kaufen auch ordentlich im Ausland. Die Menge der importierten Blaubeeren hat sich in fünf Jahren fast vervierfacht. «Mittlerweile wird in Deutschland mehr aus Übersee und Spanien verkauft», sagt Husmann, der Vize-Vorsitzender der Vereinigung der Spargel- und Beerenanbauer ist.
Blaubeeren gibt es deswegen mittlerweile auch in den kalten Monaten. Vor einigen Jahren seien Heidelbeeren vor allem im Sommer zur deutschen Erntezeit verkauft worden, sagt Marktbeobachterin Rogge. Mittlerweile gebe es eine erste Spitze im Februar. Dann kämen zum Beispiel Heidelbeeren aus Peru, Chile oder Argentinien.
Für Südamerika ist die Blaubeere ein gutes Geschäft. In Mexiko zum Beispiel hat der Anbau einen wahren Boom erlebt. 2016 produzierte das lateinamerikanische Land nach Angaben des landwirtschaftlichen Statistikamts (SIAP) rund 29 000 Tonnen der blauen Früchte - 80 Prozent mehr als zum Vorjahr. Zum Vergleich: In Deutschland wurden letztes Jahr rund 13 800 Tonnen Kulturheidelbeeren geerntet.
Größter Abnehmer von mexikanischen Beeren sind immer noch die USA. Von insgesamt 160 000 Tonnen unterschiedlichen Waldfrüchten exportierte Mexiko im Jahr 2016 rund 150 000 Tonnen in das Nachbarland, wie es in einem Bericht des Landwirtschaftsministeriums heißt. In Deutschland sind dagegen Heidelbeeren aus anderen Staaten stärker verbreitet. Aus Peru kamen 2013 zum Beispiel noch 7 Tonnen nach Deutschland - 2017 waren es mehr als 3000 Tonnen.
Die Früchte aus Südamerika kommen mit dem Schiff. «Da haben die Händler festgestellt: Man muss das nicht fliegen», sagt Andreas Brügger, Geschäftsführer des Deutschen Fruchthandelsverbands. Die Schiffe bräuchten etwa zwei Wochen bis zu den großen Häfen in Hamburg oder Rotterdam. Gegen Mai haben dann Heidelbeeren aus Spanien Saison, sie kommen mit dem Lkw nach Deutschland.
Auch Heidelbeeren aus Polen kommen auf den deutschen Markt. Für Landwirt Husmann ist das die größere Konkurrenz, denn die polnischen Betriebe würden zur gleichen Zeit ernten wie die deutschen. Die Bauern aus Übersee dagegen sind seiner Meinung nach sogar gut fürs Geschäft - denn wenn sich der Supermarktkunde erstmal an Blaubeeren gewöhnt habe, greife er auch im Sommer stärker zu, sagt Husmann. dpa