Hostels werden zu Studentenwohnheimen WG-Gefühle in der Krise

Normalerweise wären die Zimmer des Hostels von Alexander Licht zu dieser Jahreszeit voll belegt mit Schülergruppen und Touristen. Doch in der Corona-Krise ist auch im Amstel House in Berlin-Moabit nichts, wie es einmal war: Statt Reisegruppen wohnen seit Oktober vor allem Studierende und Mitarbeiter von Lieferanten oder Montagefirmen in den Zimmern der Unterkunft, berichtet der 50-Jährige. Für eine für Berliner Verhältnisse angemessene Miete können sie dort wohnen. Licht spricht von WG-Gefühlen, gemeinsames Kochen inklusive. Mit dem Angebot versucht er, seinen Betrieb durch die Pandemie zu retten.

Das Amstel House hat Alexander Licht gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Bart Mouwen im Jahr 2005 gegründet. Seitdem wuchs das Geschäft stetig. 2019 war das beste Jahr bislang. Dann folgte das Schlechteste. Erst kam der erste Lockdown und dann blieben auch im Sommer die Gäste weg. Als im Oktober der erneute Teil-Lockdown beschlossen wurde, entschied Licht, das Hostel nicht ganz zuzumachen. In der Hoffnung, die Verluste etwas einzudämmen, vermietete er einen Teil seiner Zimmer. Es gibt sie ab 325 Euro pro Monat. Das Modell funktioniert: Bis zu 42 von 100 Zimmern seien zwischenzeitlich belegt gewesen, sagt Licht. 30 seien nötig, um geringere Verluste als bei einer Schließung zu haben.

Auf die Idee, Hotel- und Pensions-Zimmer länger zu vermieten, sind in Berlin einige Betreiber gekommen. In ihrer Not böten sie sogenannte Longstay-Angebote (deutsch: längere Aufenthalte) an, sagt der Hauptgeschäftsführer des Berliner Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, Thomas Lengfelder. «Die Hotels kämpfen um ihr Überleben.» Da sei jeder Strohhalm recht. Nicht nur für Studierende gebe es Angebote, sondern auch für Obdachlose, Flüchtlinge und Wohnungssuchende. Die Einnahmen seien auf keinen Fall kostendeckend, sagt Lengfelder weiter. Die Hotels bekommen derzeit zudem die staatlichen Lockdown-Hilfen für November und Dezember.

Licht berichtet von befreundeten Betreibern, die ihre Unterkünfte ebenfalls an Studierende vermieten. Doch auch größere Hotels mischen auf dem Markt mit: Scandic Hotels, eine schwedische Kette mit Vier-Sterne-Häusern am Potsdamer Platz und am Kurfürstendamm, bietet Studierenden Hotelzimmer zur Miete an und vermietet die Räume darüber hinaus für Co-Working und hybride Meetings. Die Studentenzimmer würden gut angenommen, teilt ein Sprecher mit. Eigentlich sollte das Angebot am 31. Dezember auslaufen, nun werde es mindestens drei Monate verlängert. Preis für ein Zimmer: Mindestens 690 Euro.

Mit dem Angebot stoßen die neuen Anbieter auf einen nach wie vor überhitzten Markt vor: Auf die Frage, wie schwer es für Studierende in Berlin zurzeit ist, ein Zimmer zu finden, antwortete die Sprecherin des Berliner Studierendenwerks, Jana Judisch, dass die Lage auf dem Wohnungsmarkt immer noch angespannt sei. Vor allem Studierende, die wenig Geld ausgeben könnten, seien davon betroffen. Auf der Warteliste für die Wohnheime stünden knapp 3000 Studierende. Im vergangenen Jahr waren es noch 4000, so Judisch. Die monatliche Durchschnittsmiete: 251 Euro pro Platz.

Unklar ist, wie lange es das Modell mit den Studentenzimmern in Hotels noch geben wird. Licht zufolge hat die Nachfrage inzwischen leicht nachgelassen. Anders als die Scandic Hotels kann Licht nicht mit einem breiten Portfolio aufwarten. Er hofft, mindestens bis April die Zimmer vermietet zu bekommen. «Die Vermietungen sind mein Plan B, einen Plan C habe ich nicht», sagt er. Dass es im Sommer wieder so wird wie zuvor, bezweifelt er. «Es wird länger dauern, bis die Leute wieder reisen wollen.» Seine Hoffnung: Dass sich im April wieder die ersten Schulklassen nach Berlin trauen. dpa