Langsam bewegt sich der Hubschrauber aus der Talsenke. Hinter dem Helikopter BO 105 geht die Sonne auf, während das Bundeswehr-Gefährt gemächlich über die fränkischen Rebstöcke schwebt. Kerosingeruch liegt in der eiskalten Luft. Die leichten Minusgrade am Boden haben die Grashalme mit Eiskristallen überzogen.
Das sind perfekte Voraussetzungen für Peter Schwappach. Der Rebschutzexperte von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG) testet gemeinsam mit seinen Kollegen verschiedene Schutzmaßnahmen gegen den Frost.
Der spektakuläre Hubschraubereinsatz ist eine davon. Mit ihren Rotorblättern soll BO 105 die Luft über den Weinbergen verwirbeln und damit wärmere Luftmassen gegen den Boden drücken. Normalerweise ist es kurz vor Sonnenaufgang am kältesten. Deshalb auch der morgendliche Einsatz, bei dem der Bundeswehr-Pilot routiniert seine Kreise über den Weinstöcken bei Sommerach (Landkreis Kitzingen) zieht.
«Das ist für Franken auf jeden Fall eine Premiere», sagt der Agraringenieur. Für den Brandschutz seien schön öfter Hubschrauber über den Weinbergen in die Luft gestiegen, für den Frostschutz nicht. In Australien und Neuseeland jedoch seien diese Einsätze Alltag. In Deutschland wagen die Weinexperten nun die ersten Versuche damit.
«Ein halbes Grad mehr oder weniger kann bereits über Wohl und Wehe entscheiden», sagt der Präsident des Fränkischen Weinbauverbandes, Artur Steinmann, während der Hubschrauber erneut über seinen Kopf hinweg saust. Im vergangenen Jahr hat eine einzige Frostnacht im Mai den bayerischen Winzern einen Strich durch die Rechnung gemacht. 2011 ernteten die Weinbauern so wenig Trauben wie seit 30 Jahren nicht mehr. «Im Moment sieht es so aus, als seien die Winzer mit einem blauen Auge davon gekommen», sagt der Weinbaupräsident nach den diesjährigen Mai-Bodenfrost-Nächten bisher in Franken.
Der Kampf mit Windblättern gegen den Bodenfrost ist Wetterexperten zufolge durchaus möglich. «Die Idee der Luftverwirbelung für den Schutz bei Spätfrösten ist im Prinzip in Ordnung. Wenn kein Wind weht, ist das eine Möglichkeit, die Abkühlung des Bodens zu verhindern», sagt auch der Leiter der agrarmeteorologischen Beratungsstelle des Deutschen Wetterdienstes, Harald Maier. Er sei sich jedoch nicht sicher, ob ein Hubschrauber allein soviel Luft schaufeln kann.
Neben dem Hubschraubereinsatz testete die Landesanstalt am Sonntag- und Montagmorgen den Frostschutz auch mit raucharmen Paraffin-Heizöfen, Heizdrähten sowie Vernebelungsanlagen und Überkronenberegnung. Die kalte klare Nacht macht die Experimente möglich. «Das sind jetzt Großtesttage für uns», sagt Schwappach. In seinem Ordner hat er Temperaturdiagramme sorgfältig abgeheftet. Sie zeigen: die Öfen haben den Reben bereits eingeheizt.
Beim Hubschrauber jedoch zeigt die Erhebung nichts. Die Temperaturen liegen wie auch bei der Messstation außerhalb des Einsatzortes bei rund 1,5 Grad Celsius. Ernüchterung bei den Experten. «Es ist nicht eingetreten, was ich mir erwünscht hätte. Hier besteht noch Forschungsbedarf», sagt Schwappach. Die Forschungen seien aber auch noch am Anfang. Am Ende müsse ohnehin jeder Winzer für sich selbst abwägen und entscheiden. Dass der Wein deshalb wesentlich teurer werde, glaubt er nicht. «Dafür ist die Konkurrenz viel zu groß.»
Das Land Bayern hat knapp 300 000 Euro für drei Jahre für die Forschung genehmigt. «Wir müssen noch viel testen, Kriterien verändern und erneut testen.» Die ersten Erkenntnisse wollen Schwappach und seine Kollegen voraussichtlich noch in diesem Jahr vorstellen. Auch andere Weinanbaugebiete haben bereits Interesse daran bekundet.
Momentan sind die Versuche noch teure Zukunftsmusik. Ein einstündiger Hubschrauberflug der Bundeswehr kostet zwischen 1000 und 2000 Euro. Um einen Hektar Weinberg mit Heizdraht auszustatten, sind nach LWG-Angaben rund 10 000 Euro nötig und für Heizöfen müssen rund 2000 Euro pro Hektar eingerechnet werden. «Aber eine Frostnacht reicht aus, um die Ernte eines ganzen Jahres zu zerstören. Insofern lohnt sich der Aufwand auf jeden Fall», sagt Schwappach weiter.
«Man muss natürlich auch schauen, dass es nicht schädlich für die Natur ist», sagt Winzer Michael Galena aus Sommerach. Auch die Verteilung der Kosten müsste genau durchgerechnet werden. Nicht alle Winzer haben Weinstöcke, die bei leichtem Frost gefährdet sind. Der LWG zufolge sind es nur etwa fünf bis zehn Prozent der rund 6000 fränkischen Hektar. «Jetzt geht es erst einmal um den Effekt des Frostschutzes. Wenn der gegeben ist, kann man auch die anderen Dinge drumherum prüfen», sagt Verbandspräsident Steinmann. dpa
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Winzer bangen um ihre Reben - Bodenfrost in den Weinbergen möglich
Nach der harten Frostnacht im Mai 2011 bangen einige Winzer erneut um ihre frisch ausgetriebenen Rebstöcke. Für die kommenden Nächte hatten Metorologen möglichen Bodenfrost vorausgesagt. Für die zarten Triebe wären Minusgrade fatal. «Ich hoffe, dass es eher lokal begrenzt bleibt und dass wir verschont bleiben», sagte Winzer Reimund Bickel-Stumpf, dessen Weinberge im Maintal bei Frickenhausen (Landkreis Würzburg) liegen. «Die Winzer sind nach der Frostnacht im Mai 2011 jetzt natürlich nervös», meinte Peter Schwappach, Leiter der Abteilung Rebschutz bei der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau.
Dem Präsident des Fränkischen Weinbauverbandes, Artur Steinmann, zufolge sind fast alle Winzer gegen die mögliche Kälte gewappnet. «Sie halten das Gras kurz, bewässern die Anlagen und geben dem Boden damit einen gewissen Schutz. Und die Frostruten haben sie auch noch nicht abgeschnitten.» Das bestätigte Bickel-Stumpf: «Das ist die einzige Absicherung, die wir haben». Sollte der Frost tatsächlich die Triebe in Bodennähe erfrieren lassen, können die Winzer diese höher stehende Rute nach unten binden und damit ihren Ertrag teilweise sichern.
Experte Schwappach mahnte jedoch wie auch der Weinbauverband vor übertriebener Panik. «Ich kann mir vorstellen, dass nur einige wenige betroffen sind und die Masse bekommt von der polaren Kaltluft nichts ab.» Er geht davon aus, dass fünf Prozent der Flächen in Franken gefährdet sind. Die fränkischen Winzer bauen auf rund 6000 Hektar Wein an.
Die Landesanstalt will in den nächsten drei Jahren für rund 300 000 Euro das Problem erforschen. «Das Wetter jetzt zeigt, dass es wichtig ist, die Forschungen für die Frostvorsorge voranzutreiben», sagte Steinmann. Im vergangenen Jahr mussten die Weinbauern wegen der Frostnacht Einschnitte bei der Ernte hinnehmen. Sie ernteten so wenig Trauben wie seit 30 Jahren nicht mehr. Weil zudem der erste Frost im Winter sehr spät kam, gibt es heuer auch deutlich weniger Eiswein. dpa
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