Käse-Krampf Stinkeschild kleben verboten, über Gestank reden erlaubt

«Geruchswarnschilder» verboten, von Gestank sprechen erlaubt: Im Streit um angeblich unangenehme Gerüche aus einem Käseladen in Oberbayern hat ein Gericht in München ein Urteil gefällt. Das Landgericht München II untersagte am Dienstag einer Nachbarin des Tölzer Kasladens in Bad Heilbrunn, Zettel an dem Geschäft anzubringen, um ihrem Unmut über die Gerüche Ausdruck zu verleihen. Sie darf aber weiter öffentlich sagen, dass es nach ihrem Empfinden stinkt. «Das ist eine Meinungsäußerung», erklärte eine Gerichtssprecherin.

Die Nachbarin hatte Bilder aus dem Internet ausgedruckt und am Laden befestigt, die ein rotes Warndreieck mit gezeichneter Nase zeigten, in die Geruchsschwaden aufsteigen. Diese Schilder verletzten das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, das diesen schütze, erklärte die Gerichtssprecherin. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es sind Rechtsmittel möglich.

Dass der Streit mit dem Urteil beigelegt ist, steht nicht zu erwarten: Die Käsefehde zieht sich schon seit Jahren hin. Weitere Verfahren sind offen.

Der Inhaber, Wolfgang Hofmann, wie auch die Nachbarin, Manuela Kragler zeigten sich dennoch in einer ersten Reaktion zufrieden mit dem Urteil. «Mir fällt erst mal ein Stein vom Herzen, dass die Plakate nicht mehr aufgeklebt werden dürfen», sagte Hofmann, der geklagt hatte und nun 75 Prozent der Prozesskosten tragen muss. «Das ist ein wichtiger Teilerfolg.» Kragler, die 25 Prozent der Kosten tragen muss, sagte: «Ich bin froh, dass die Meinungsäußerungen korrekt sind und dass ich weiter sagen darf, wie ich das empfinde.»

Käsegeruch liegt in der Herstellung begründet. Damit Käsesorten reifen und ihren typischen Geschmack entwickeln, wird die Masse mit Bakterien oder Schimmelpilzen versetzt. Je älter ein Käse, desto intensiver riecht er. Käseliebhaber schätzen gerade diesen, mit dem Geruch einhergehenden, kräftigen Geschmack.

«Wir haben erst versucht, eine gütliche Einigung zu erreichen», sagte Prozessgegnerin Kragler. Seit mehr als drei Jahren litten die Nachbarn nun: Der Käsegeruch ziehe durch geöffnete Fenster der Käseräume nach oben, komme aber auch durch Steigleitungen, den Sicherungskasten und sogar aus den Steckdosen. Der Einbau von Lüftungsanlagen hätte helfen können. Doch eine Lösung sei nicht gelungen. Stattdessen eskalierte der Streit immer mehr. «Ich bin dazu übergegangen, auf nonverbale Art zu kommunizieren, dass es uns Hausbewohnern stinkt», begründete die Goldschmiedin, wie es zu den nun verbotenen «Nasenzetteln» gekommen sei.

2017 waren auch Landratsamt und Gemeinde auf den Streit aufmerksam geworden. Hofmann musste eine Nutzungsänderung beantragen. Der Bauausschuss der Gemeinde kam zur Ortsbegehung samt Schnüffelprobe - die Nutzungsänderung wurde abgelehnt. Hofmann klagte, scheiterte aber vor dem Verwaltungsgericht München. Hier geht es in die nächste Instanz, Hofmann hat Rechtsmittel eingelegt.

Der gelernte Koch betreibt den 1972 gegründeten Tölzer Kasladen mit handwerklich hergestelltem Käse in der zweiten Generation. Er beliefert gehobene Restaurants und Hotels. Das Geschäft lief gut - so gut, dass die früheren Räume in Bad Tölz nicht reichten und Hofmann nach Bad Heilbrunn umzog. Nun will Hofmann erneut umziehen.

Wie immer die Prozesse ausgehen - gute Nachbarschaft scheint nicht mehr möglich. «Wir haben einen neuen Standort in Aussicht, aber wir warten auf die Genehmigung des Landratsamts», sagt er. Nichts anderes wünscht Manuela Kragler ihrem Nachbarn - nämlich dass er «möglichst rasch» andere Räume findet, wo er sein Gewerbe ausüben kann und niemanden mit den Gerüchen stört. dpa