Kampf um den Wein aus der Steillage

Ob in der Pfalz, an der Mosel, in Franken oder Baden - seit Jahrhunderten zählt der Anblick steiler Weinhänge zum vertrauten Landschaftsbild in Süddeutschland. Was die wenigsten Bürger wissen: Der Weinbau ist durch die EU streng reguliert. Um eine Weinschwemme zu verhindern, dürfen Reben seit 1976 nur noch dort gepflanzt werden, wo sie schon immer wuchsen.

Das nützt den Winzern, führt aber dazu, dass Wein in der EU vergleichsweise teuer ist. Jetzt will die EU-Kommission den Weinbau freigeben. Im April gehen die Verhandlungen in Brüssel in die entscheidende Phase. In dieser Woche beraten die deutschen Agrarminister in Berchtesgaden ihre Position.

Die Folgen einer Liberalisierung sind absehbar: Einerseits würde europäischer Wein billiger werden - anderseits würde voraussichtlich der Anbau in den Steillagen unrentabel und große Konzerne kleine Winzer verdrängen. Die Weinbauern laufen Sturm. «Ich erwarte mir eine harte Haltung der deutschen Agrarminister einschließlich von Frau Aigner», sagt Norbert Schindler, Präsident des Bauern & Winzerverbands Rheinland-Pfalz-Süd und CDU-Bundestagsabgeordneter.

«Die völlige Freigabe der Pflanzflächen würde bedeuten, ein System aufzugeben, das sich bewährt hat, nur weil ein paar Beamte in Brüssel dem Zeitgeist der Liberalisierung anhängen», sagt Schindler. «Alle Qualitätsweinbauregionen in Europa wollen diese Freigabe nicht.» Nicht nur die Deutschen leisten heftigen Widerstand, auch die Franzosen. Deswegen hat das EU-Parlament bereits dafür gestimmt, das Neupflanzverbot bis 2030 zu verlängern, doch bindend ist das nicht.

Der europäische Weinbau unterscheidet sich bislang grundlegend von der Konkurrenz in Übersee. In ihrer Nische bislang von Brüssel behütet, haben sich in Europa kleine Familienbetriebe und Genossenschaften gehalten. Ganz anders etwa im Weinland Kalifornien: Allein der auch vielen deutschen Weintrinkern bekannte US-Konzern Gallo produziere in einem Jahr mehr Wein als alle deutschen Winzer zusammen, sagt Schindler. «Die Massenproduktion von Wein wie in Chile, Australien oder Kalifornien interessiert uns nicht.»

Die EU-Kommission folgt einer klaren Linie: Sie will nicht nur den Weinbau liberalisieren, sondern auch die Zuckermarktordnung und die Milchquote abschaffen. Triebfeder Brüssels dabei sind die Interessen der Verbraucher, denn die Marktordnungen auf dem Agrarsektor halten die Preise künstlich hoch. Doch für viele Bauern in den betreffenden Sektoren wäre eine Liberalisierung mutmaßlich existenzbedrohend.

Die deutschen Agrarminister sind deswegen gegen eine Liberalisierung. Vorsitzender ist derzeit Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner (CSU). Er setze sich dafür ein, dass es auch nach Auslaufen des Anbaustopps im Jahr 2018 «nicht zu Verwerfungen und nachteiligen Auswirkungen für die Kulturlandschaft kommt», sagt Brunner.

Er werde bei seinen Kolleginnen und Kollegen dafür werben, dass das EU-weite Pflanzrechtesystem «auf einer vernünftigen Basis und mit Augenmaß» weitergeführt werde. «Es darf nicht zu einer Überproduktion von Wein und zu einer Verödung der landschaftsprägenden und ökologisch wertvollen Steillagen in Deutschland und bei uns in Franken kommen.» Deswegen verlangt Brunner ein größtmögliches Mitspracherecht der Mitgliedstaaten bei der Nachfolgeregelung. «Wir brauchen keine industrielle Weinproduktion, die unser Land verändert. Der Weg des deutschen Weinbaus muss Qualität sein und nicht Masse.»

Manchen Ministerkollegen ist die bayerische Haltung zu weich formuliert. Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und das Saarland verlangen in einem Änderungsantrag für die Agrarministerkonferenz härteren Widerstand. Die rheinland-pfälzische Agrarministerin Ulrike Höfken (Grüne) will dafür kämpfen, dass es nicht zu einer Ausweitung der Rebflächen und damit zu einer Liberalisierung des Weinanbaus in Europa kommt.

«Insbesondere der Weinbau in Steillagen wäre im bisherigen Umfang nicht mehr konkurrenzfähig. Für unsere Weinbauregionen in Rheinland-Pfalz - etwa an der Mosel, an der Nahe oder am Mittelrhein - würde das einen Identitätsverlust bedeuten», erklärte eine Sprecherin Höfkens. dpa