Kentucky Bourbon Trail Reise zum guten Drink

Von Simone Andrea Mayer

Jede Reise braucht eine gute Geschichte, die man zu Hause erzählen kann. Und eine gute Geschichte braucht auch jeder gute Drink. Davon gibt es in Kentucky viele - Geschichten wie auch gute Drinks. Es ist das Land des Bourbon Whiskey, von hier stammen mehr als 90 Prozent der weltweiten Produktion. Ausgerechnet hier kann man ihn aber oft nicht kaufen und öffentlich trinken.

Wer durch den Bundesstaat im Süden der USA reist, dem Übergang vom Mittleren Westen in den heißen Süden, kann also erzählen, wie er abends in Hotels ohne Bars landet, in ganzen Städten ohne Bars und in Restaurants ohne alkoholische Getränke auf der Karte. Wie er seinen nur wenige Kilometer entfernt gekauften Vorrat guten Bourbons in einer braunen Papiertüte über die Landkreisgrenze fährt und dann im Hotelzimmer mit den Mitreisenden einen guten Tropfen trinkt - nahezu verschwörerisch wie früher auf Klassenfahrt.

In Kentucky hat beides Tradition - das Bourbon-Brennen und das Alkoholverbot. Die Mehrzahl der Landkreise gilt als trocken, genannt "dry counties". Hier ist der Alkoholverkauf und -ausschank verboten. Und in vielen weiteren Landkreisen ist er eingeschränkt.

Das geht auf die Prohibition zurück: Von 1920 bis 1933 war es in den USA offiziell verboten, Alkohol herzustellen und zu konsumieren. Obwohl das Verbot von der Regierung fallengelassen wurde, bestanden viele Kreise weiterhin darauf. Bis heute. "Im Grunde könnten die Kreise das heute einfach so mit einer Abstimmung aufheben, aber das ist nicht ganz so einfach durchzusetzen", sagt Scottie Ellis vom Tourismusbüro Kentucky. Die Kirche ist dagegen - und die Gegend gilt als streng religiös.

In Clermont aber darf getrunken werden. Gerade hier ist das auch wichtig: In dem Ort steht die Destillerie des weltbekannten Jim Beam, einer von neun Stopps entlang des Bourbon Trails. Er führt quer durch den Bundesstaat, Destillerien laden zum Anhalten und Probieren ein.

Eine Tour durch die Fabrik von Jim Beam führt vorbei an haushohen Kesseln, die Silolagern ähneln, entlang langer Produktionsstraßen, über die tausende Flaschen dicht an dicht geschoben werden. Und es geht natürlich durch das Lager: Große Fässer stapeln sich bis zur Decke. Es riecht nach muffigem Holz.

Hier erklärt Gästeführerin Megan Brier Besuchern den Unterschied zwischen Bourbon und schottischem Whisky namens Scotch - korrekt: in diesem Fall Whiskey ohne "e". Bourbon reift in neuen Eichenfässern. "Im warmen Sommer dehnt sich der Whiskey aus, er dringt in das Holz ein. Im kalten Winter zieht er sich wieder zurück - und nimmt die Geschmäcker des Holzes mit", sagt Brier. Daher ist ein Bourbon tendenziell im Abgang süßlicher, da die jungen Fässer stärkere Holztöne abgeben. Ein Scotch, der in gebrauchten Fässern lagert, hingegen schmeckt eher rauchig und erdig.

Der Geschmack des Bourbon wird aber auch von den Inhaltsstoffen bestimmt: "Kentucky eignet sich zur Whiskey-Produktion besonders, vor allem wegen seines Wassers", sagt Brier. Es fließt durch einen Boden mit viel Kalkstein. Und in Kentucky wächst Getreide gut, vor allem Mais: "Bourbon nennen darf sich ausschließlich ein in den USA hergestellter Whiskey mit einer Getreidemischung, die zu mehr als 51 Prozent aus Mais besteht."

Die Destillerie spielt mit ihrer Geschichte, Touristen bekommen hier ein professionelles Programm geboten: Das Gründergebäude, Marke Holzbau, wurde nachgebaut, davor steht die Statue Jim Beams. Oldtimer-Busse fahren Besucher über das weitläufige Areal, und es gibt einen Verkaufsraum voller Souvenirs, von Grillsoße mit Bourbon bis zum T-Shirt mit Sprüchen wie "Real girls drink Bourbon".

Und die Tour durch die Werkshallen wird hier und da von speziellen Erlebnisstopps für die Touristen unterbrochen: Sie dürfen an Vorführungsgeräten selbst Hand anlegen, lassen Getreide aus einem Silo, fügen Wasser hinzu. Und natürlich öffnet die geführte Gruppe selbst ein Fass. "Es wird nicht ganz voll sein", warnt Brier.

Der "angel's share" - ein Anteil für die Engel - verdunstet, etwa zehn Prozent im ersten Jahr seien das. "Wir hoffen, dass nach neun Jahren noch 60 Prozent da sind, ungefiltert", erklärt die Gästebetreuerin. Mindestens zwei Jahre Lagerzeit sind nötig. Deswegen riecht es nahe der Fabrik auch besonders: Der "angel's smell", der Duft des Engelsanteils, liegt in der Luft.

Und noch so einen Begriff, den jeder Bourbon-Fan kennen sollte, erklärt Brier während der Tour: "Kentucky hug" - eine Kentucky-Umarmung. Das ist der erste Schluck, den man von einem gefüllten Whiskey-Glas nimmt, der langsam seinen Weg durch den Magen nimmt - "und dabei ein ganz warmes, wohliges Gefühl im Bauch auslöst", sagt Brier. Das lässt sich am Ende der Tour wie in vielen anderen Destillerien des Trails auch gleich ausprobieren.

Bourbon gehört für viele Einheimische trotz der traditionellen Alkoholverbote vielerorts einfach dazu. Und wenn es nur darum geht, Steaks darin zu marinieren, die es auch in vielen Restaurants gibt. Oder man serviert seiner Familie und den Freunde gute, altbekannte Südstaaten-Cocktails auf Bourbon-Basis - Touristen können sich die Rezepte von Colonel Michael Masters beibringen lassen.

Masters gibt Cocktailklassen und empfängt seine Gäste in einem alten Herrenhaus von 1787 in traditioneller Südstaatenoptik in Bardstown, dem Kentucky Bourbon House. Der Colonel - der Titel Kentucky Colonel ist kein militärischer, sondern ein Ehrentitel für besondere Verdienste für die Gemeinschaft - thront in einem breiten Sessel. Er strahlt so viel Autorität aus wie ein Südstaaten-Adeliger aus alten Filmen, so dass man sich fast zum Knicks gezwungen fühlt.

"Esst, trinkt", ruft er immer wieder und stört sich nicht daran, dass es gerade erst 10.00 Uhr morgens ist. "In Kentucky gehört Gastfreundlichkeit zum Charakter, Gäste brauchen gutes Essen und gute Drinks." Das ist für ihn vor allem der Mint Julep mit Minze und Zucker. Der Cocktail wird traditionell auch beim weltbekannten Pferderennen, dem Kentucky Derby, serviert. Stilecht im Silber- oder Zinnbecher.

Kentucky ist während einer USA-Rundreise aber auch einen Abstecher wert, wenn man kein Whiskey-Fan ist. Die Fahrt führt durch bergige und bewaldete Gebiete, aber vor allem weite, grüne Wiesen sind typisch. Man kann die langen Fahrstrecken gut und gerne auf mehrere Tage ausdehnen und immer wieder für Ausflüge unterbrechen: Für das Museum und die Produktionshallen der weltbekannten Automarke Corvette in Bowling Green zum Beispiel. Oder für die Mammoth Cave - die weitläufigste bekannte Höhle der Welt. Aber nicht zuletzt locken die jeweils neun Destillerien auf dem Kentucky Bourbon Trail und einem Ableger, der Bourbon Trail Craft Tour.

Manche Produktion bietet nicht das, was man von einer Whiskey-Destillerie erwartet. Steve Whitledge trägt Vollbart, T-Shirt und einen Kapuzenpulli. Der Destillateur führt die Gäste der Corsair Artisan Distillery in ein kleines Hinterzimmer. An der Wand hängt ein Katzenbild. Ein paar Fässer stapeln sich an einer Seite, in der Mitte des Raumes stehen Paletten voller Whiskeyflaschen, Papierrollen mit Etiketten liegen darauf. Eine Abfüllmaschine steht auf improvisiert wirkenden Tischen. Es liegen Leitern herum und Krimskrams - das ist kein steriler Produktionsraum, wie man ihn in den großen Hallen der Massenproduzenten vorfindet.

Und das Herz der Destillerie bemerkt man erst auf den zweiten Blick: In einem mit Glaswänden abgetrennten Bereich, kleiner als manches Wohnzimmer, steht die Destillieranlage. Ein nicht sonderlich großer, brauner Kessel mit vielen Kolben, ein paar Leitungen, das war's. Aber auch das schindet Eindruck, hier wird Whiskey quasi noch handgemacht.

Genauso sympathisch liest sich auch die Geschichte der drei Gründer: Kindheitsfreunde brauen in Garagen Bier und setzen Wein an. Irgendwann wurde daraus Whiskey, der seit dem Jahr 2007 laut Unternehmensangaben immerhin 41 Auszeichnungen bei internationalen Wettbewerben erhielt. Dabei beliefert Corsair nicht einmal die ganzen USA. "Wir sind ein kleiner Produzent, aber hier bekommt ihr etwas zu trinken, was ihr sonst nicht bekommt", sagt Steve zu seinen Gästen.

So geht es auch den Touristen, die in den Bars von Kentucky landen. Die Bourbon-Karte umfasst oft ganze Seiten - und natürlich weit mehr als selbst gute Whiskey-Bars in Deutschland bieten können. Sogar bei den Verkostungen weltbekannter Destillerien finden sich nur in den USA erhältliche Edelgetränke - und die sind natürlich schöne Mitbringsel. Denn zu Hause soll man ja bei einem guten Drink die guten Geschichten von der Reise durch Kentucky erzählen können. dpa

Kentucky-Drink mit Whiskey: Das Rezept für den Mint Julep

Der Mint Julep hat große Tradition in Kentucky. Er wird zum Beispiel beim legendären Pferderennen Kentucky Derby serviert. "Das ist ein relaxter Drink, er haut dich nicht um", erklärt Colonel Michael Masters im Kentucky Bourbon House. Das ist sein Rezept für den Mint Julep:

1. Sirup für mehrere Drinks herstellen aus 480 Milliliter Wasser, einem Teelöffel Puderzucker und 12 Zweigen Minze. Das Ganze mit kochendem Wasser übergießen, 30 Minuten ziehen lassen. Dann durch ein Sieb gießen, um die Minze zu entfernen.

2. Traditionell wird ein Zinn- oder Silberbecher mit Eis gefüllt, ein einfaches Glas geht natürlich auch.

3. Zwei sogenannte Jiggers Kentucky Bourbon auffüllen. Das ist ein amerikanisches Whiskeymaß zu 4,2 Zentiliter. Man braucht hier also 8,4 Zentiliter.

4. Becher mit Sirup bis zum Rand auffüllen.

5. Einen Zweig Minze zur Dekoration leicht in den Drink stecken, Strohhalm dazu. Und zum Schluss etwas Puderzucker direkt auf den Drink geben.

Colonel Masters Tipp: "Nicht rütteln und rühren - und erst einen Schluck durch den Strohhalm direkt aus der Glasmitte nehmen. Dann folgt ein zweiter Schluck vom Rand ohne den Strohhalm. Beide Schlucke schmecken verschieden - das ist ein Reiz des Mint Julep."