Kochen 2011

Eine feine Zunge und Kreativität reichen nach Meinung von Forschern heute nicht mehr aus, um Speisen den optimalen Geschmack und die bestmögliche Textur zu verleihen. Sie empfehlen Köchen die «Molekulare Gastronomie», die auf Erkenntnissen aus dem Labor beruht. Gespräch mit Kent Kirshenbaum, Professor der Chemie an der New York Universität, auf dem Kongress des US-Wissenschaftsverbandes AAAS in Washington über Veränderungen in der Küche.

Welche Entwicklungen beobachten Sie in der Gastronomie?

Kirshenbaum: «Die gute Nachricht ist, dass Köche auf uns zu hören beginnen und einige unserer Empfehlungen übernehmen. So setzt sich der Trend zum präzisen Kochen durch. Statt ein Ei nur auf ungefähr 65 Grad Celsius zu erhitzen, wird es heute bei genau 65,0 Grad gekocht. Der Grund ist, dass wir jetzt besser verstehen, wie die Proteine in unserem Essen auf verschiedene Temperaturen reagieren und wie sich das auf den Geschmack und den Biss auswirkt. Vielleicht gelingt es uns eines Tages, ganz auf das Erhitzen zu verzichten und unser Essen mit Ultraschall und Klangwellen zu kochen. Das mag noch sehr futuristisch klingen, aber die Einführung von Mikrowellen war nicht weniger radikal.»

Gibt es neue Vorlieben bei den Verbrauchern? Sind scharfe und exotische Speisen gefragt?

Kirshenbaum: «Nicht unbedingt. Im Trend liegt vielmehr die nachhaltige Ernährung, also Lebensmittel aus der Nachbarschaft, möglichst vom Bauernhof direkt auf den Tisch.»

Auf der Tagung in Washington taucht ständig die Frage auf, wie unser Leben im Jahr 2050 aussehen wird. Welches Bild haben Sie von unserer künftigen Ernährung vor Augen?

Kirshenbaum: «Ich glaube, wir müssen uns mächtig umstellen. Es geht nicht, dass wir weiter Thunfisch und Schwertfisch essen und den Planeten so plündern wie bisher. Wir müssen uns auf das untere Ende der Nahrungsmittelkette umstellen. Ich glaube, dass die Innovationen helfen werden, unsere Geschmacksknospen auf den Genuss etwa von Quallen zu trainieren. Den gleichen Bruch sehe ich übrigens für den Fleischkonsum voraus. Vielleicht können wir aus den Eiweißstoffen von Schweinen und Rindern Gewebekulturen anlegen und in Fabriken zu Steaks machen, ohne dass Massen von Tieren gezüchtet und getötet zu werden brauchen.» dpa