Kolumne Das Casa Labra in Madrid

Von Cathrin Brandes

Wer sich mittags in der Gegend der Puerta del Sol aufhält und sich hungrig geshoppt oder gesightseeingt hat, sollte einen Abstecher in die Calle Tetuán 12 nicht versäumen. Menschentrauben vor dem Lokal weisen den Weg. Und sollten nicht abschrecken!

Casa Labra ist eine rustikale Taverne mit Bar und kleinem Speisesaal und auch einem Restaurant. Im Restaurant war ich noch nie. Die Bar ist klein, bietet aber mit zwei großen meist geöffneten Türen die Möglichkeit, sich drinnen wie draussen aufzuhalten. Das Konzept geht von gutem Wetter aus, in Spanien bekanntlich ein Pferd auf das man setzen kann.

Der hungrige Besucher hat zwei Optionen: entweder er reiht sich im Barraum in die Schlange an der kleinen Speisentheke ein und erwirbt erst die Tapas, um dann an der Bar ein Getränk zu bestellen oder er macht es wie ich und zieht an der Schlange vorbei in den hinter der bar gelegenen Speisesaal, findet hoffentlich einen Platz und bestellt dann bequem bei den aufmerksamen Kellnern im weissen Blazer.

Ich liebe diesen Speisesaal. Das Wort urig erhält hier eine ganz neue spanische Bedeutung. Alles in ihm ist schief und krumm. Wahrscheinlich ist er zum letzten mal nach dem spanischen Bürgerkrieg renoviert worden. Stühle und Tische stammen sicherlich noch aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg und sind für kleine Menschen entworfen. Die findet man hier auch noch in Gestalt älterer spanischer Damen und Herren, die irgendwie zum Inventar gehören und dem Speisesaal erst die richtige wirklich madrilenische Atmosphäre vermitteln.

In Casa Labra trifft man sich seit Jahrzehnten, spricht über die wechselnden Politiker und ihre korrupten Affären, die wachsenden Enkelkinder, die steigenden Preise, stagnierende Pensionen und die betrüblichen oder weniger betrüblichen Veränderungen in der Stadt. Eine Veränderung ist mir schon beim letzten Besuch in vielen Lokalen und auch in Casa Labra aufgefallen. Die alte Kellnerriege, bestehend aus schnurrbartragenden älteren Herren, die auch schon seit dem Bürgerkrieg hier tagein tagaus Stockfischtapas und kleine Biere serviert haben, ist offensichtlich in Pension gegangen und hat Platz gemacht für eine neue Kellnergeneration deren südamerikanische Herkunft unübersehbar ist. Nur die weisse Kellnerjacke ist gleich geblieben. Der geringe Lohn wohl auch, der nur noch für die Gastarbeiter aus den ehemaligen Kolonien interessant sein kann.

Auch wenn Casa Labra bestimmt kein Geheimtipp ist, sind tatsächlich nicht oft Touristen im kleinen Speisesaal. So mag ich es. Man ist ungerne Tourist in seiner Heimatstadt. Man bestellt am besten kleine gezapfte Biere (cañas) und die Spezialitäten des Hauses: Stockfischkroketten/croquetas de bacalao und fritierte Stockfischtranchen/ tajadas de bacalao.

Casa Labra, Calle de Tetuán 12, 28013 Madrid Spanien
www.casalabra.es

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