Lebensmittelindustrie und die neue Kennzeichnung

Von Marion Trimborn und Georg Ismar

Von 2014 an muss sich die Lebensmittelindustrie an eine strengere Produktkennzeichnung halten:

Was ändert sich?

Auf jeder Verpackung muss der Hersteller künftig in einer Tabelle angeben, wieviele Kalorien ein Produkt hat - das war bislang freiwillig. Damit die Angaben vergleichbar sind, müssen sich die Nährstoffgehalte immer auf 100 Gramm oder 100 Milliliter beziehen. Die EU sieht dies als Beitrag im Kampf gegen Übergewicht, denn jeder zweite Europäer ist zu dick. Sechs Angaben müssen auf der Packung stehen: Der Gehalt von Salz, Zucker, Eiweiß, Fett, Kohlenhydraten und gesättigten Fettsäuren des Produkts.

Wo stehen die Angaben auf den Produkten?

Auf der Rückseite der Verpackung - und nicht auf der Vorderseite, wie Kritiker monieren. Vorne werde einem weiter eingeredet, das die Zuckerbombe ein Schlankmacher sei, sagt Martin Rücker von der Verbraucherorganisation foodwatch. Damit die Informationen gut lesbar sind, muss die Schrift mindestens 1,2 Millimeter groß sein. «Das ist insbesondere für ältere Menschen ein Hohn», kritisiert Rücker. Erstmals wird die Veröffentlichung von Nährwerten aber Pflicht.

Was wird im Restaurant anders?

Auf der Speisekarte müssen Inhaltsstoffe angegeben sein, die bei Menschen Allergien auslösen können. Das gilt im Supermarkt auch für unverpackte Ware wie Fisch oder Fleisch. In Deutschland war im Mai von den Länder-Verbraucherministern beschlossen worden, den Hygienezustand von Restaurants ab 2012 in Form einer Ampel für Kunden sichtbar zu machen - doch der Widerstand einiger Wirtschaftsminister blockiert das Projekt derzeit noch.

Warum setzt man nicht auf eine eindeutige Lebensmittel-Ampel?

Der Widerstand der Lobby war zu massiv. Steht so eine Ampel bei einem Produkt auf Rot (viel Fett und Zucker), hätte das für die Verkaufszahlen verheerende Folgen. Die Lebensmittelindustrie warnt zudem vor einer Mangelernährung, wenn Orangensaft, Nüsse, Olivenöl, Sauerkraut oder Apfelmus Rot bekommen und Verbraucher vor allem Produkte mit Ampelfarbe Grün verzehren. In Deutschland entstand das Portal «www.lebensmittelklarheit.de», wo Verbraucher irreführende Produkte wie Kalbswürstchen mit viel Schweinefleisch oder Käsevariationen ohne Milch anprangern können.

Warum gelten die Regeln erst 2014?

Hersteller müssen die Regeln erst in drei Jahren anwenden; die obligatorische Nährwertkennzeichnung erst nach fünf Jahren. Dies geschah auf Druck der Industrie, die mit dem Aufwand argumentiert: «Wirklich jedes Etikett muss geändert werden», sagt der Brüsseler Büroleiter vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, Peter Loosen.

Welche Fragen sind noch offen?

Die EU-Länder streiten noch um den Herkunftsnachweis bei Fleisch. Seit der BSE-Krise ist er für Rind verpflichtend und soll nun für Geflügel, Schwein oder Schaf gelten. Doch welcher Ort soll draufstehen: Wo das Tier geboren, aufgezogen oder wo es geschlachtet wurde? Auch über alkoholische Getränke und Alcopops, die bislang von der Regelung ausgenommen sind, wird noch diskutiert.

So sehen die neuen Regeln aus:

NÄHRWERTGEHALT: Eine Tabelle gibt an, wie viel Salz, Zucker, Kohlenhydrate, Eiweiß, Fett und gesättigte Fettsäuren das Produkt enthält. Die Zahlen sind bezogen auf 100 Gramm oder Milliliter. Darüber hinaus sind auch Angaben in Portionen erlaubt.

SCHRIFT: Sie muss mindestens 1,2 Millimeter groß und gut lesbar sein. Bei kleinen Packungen wie Schokoriegeln darf die Schrift etwas kleiner sein.

IMITATE: Analogkäse oder Klebe-Schinken müssen gekennzeichnet werden. Bei Analogkäse muss etwa stehen «hergestellt aus Pflanzenfett», bei Klebefleisch «aus Fleischstücken zusammengefügt».

ALLERGENE: Stoffe, die Allergien auslösen können, müssen auf der Verpackung hervorgehoben sein. Das gilt auch für unverpackte Ware wie etwa Fisch sowie für die Speisekarten von Restaurants.

HERKUNFTSBEZEICHNUNG: Bei frischem Fleisch - Geflügel, Schwein, Schaf und Ziege - muss die Herkunft stehen. Dies ist seit dem Jahr 2000 wegen der BSE-Krise bei Rindfleisch bereits Pflicht.

KOFFEIN: Koffeinhaltige Getränke wie Energy-Drinks müssen einen Warnhinweis für Schwangere und Kinder tragen.

ALKOHOL: Bei alkoholischen Getränken über 1,2 Prozent sind keine Angaben über Zutaten und Nährwerte nötig. dpa