Limetten-Krise in Amerika

Von Christina Horsten und Denis Düttmann

Keine grüne Limette, sondern eine gelbe Zitronenspalte liegt neben dem Taco auf dem Teller, den Sergio Ramirez gerade einem Kunden an der Bar hinstellt. «Eigentlich gehört dort natürlich eine Limettenspalte hin, aber das geht im Moment einfach nicht», sagt der Barkeeper einer mexikanischen Kneipe in Manhattan. «Die Preise für Limetten haben sich verdreifacht, wir müssen damit gut haushalten. Auch an meine Drinks stecke ich keine Limettenscheibe als Deko mehr.»

Schon an der Eingangstür warnt die Bar an der Upper East Side ihre Kunden mit einem Aushang: «Um unsere Preise auf dem gleichen Niveau halten zu können, werden wir Limetten überall dort, wo es in unseren Speisen möglich ist, durch Zitronen ersetzen. Limetten stellen wir ausschließlich auf Anfrage bereit.» Nur in die Drinks gehöre unbedingt echter Limettensaft, sagt Ramirez. «Eine Margarita mit Zitronensaft schmeckt einfach nicht.»

Sein Kollege Phil Ward, Besitzer der Bar «Mayahuel» in Manhattan, sieht das genauso. «Uns bleibt nichts anderes übrig als draufzuzahlen», sagte er der «New York Times», die schon eine «Limetten-Krise» ausrief.

Limetten sind in den USA nicht nur dank der vielen Einwanderer aus Süd- und Mittelamerika extrem beliebt. Jeder Amerikaner konsumiert durchschnittlich mehr als ein Kilogramm der kleinen grünen Zitrusfrüchte pro Jahr. Der Großteil davon wird aus Mexiko importiert, dem weltgrößten Produzenten und Exporteur von Limetten.

Dort sind zuletzt die Preise explodiert. Zwischen Dezember vergangenen Jahres und März stieg der Preis nach Angaben der nationalen Statistikbehörde um mehr als 240 Prozent. Allein im vergangenen Monat legte er um etwa 41 Prozent zu. Ein Kilogramm Limetten kostet in einigen Städten im Norden des Landes und in Mexiko-Stadt derzeit bis zu 80 Pesos (4,40 Euro).

In Mexiko sind Limetten ein Grundnahrungsmittel und werden zu fast jeder Mahlzeit gereicht. Extreme Preisanstiege schaffen es dort durchaus auf die Titelseiten der Zeitungen. «Die Preise im Moment sind verrückt», sagt Rodrigo Flores, der im Geschäftszentrum der mexikanischen Hauptstadt einen mobilen Obststand betreibt. «Aber was soll ich machen? Die Leute wollen Limettensaft zu ihrem Obstsalat und ich muss den Preis bezahlen, den die Großhändler verlangen.»

Verantwortlich für die hohen Preise sind eine Pflanzenkrankheit, schlechtes Wetter und das organisierte Verbrechen. Im Bundesstaat Colima im Westen des Landes wütet die Plage Dragón Amarillo (Gelber Drache) auf den Plantagen. Die von Bakterien übertragene Krankheit gilt als größte Gefahr für Zitruspflanzen. Seit dem jüngsten Ausbruch der Seuche 2010 ist die Produktion in Colima laut mexikanischem Landwirtschaftsministerium um 52 Prozent eingebrochen.

In den Anbaugebieten Michoacán und Oaxaca hingegen hat der heftige Regen Ende vergangenen Jahres die Ernteausbeute in den Keller gedrückt. Während der Unwetter fielen oftmals die Blüten der Pflanzen ab, entsprechend weniger Früchte tragen sie nun.

Das organisierte Verbrechen treibt den Preis weiter in die Höhe. Im Bundesstaat Michoacán liefern sich das Drogenkartell Caballeros Templarios (Tempelritter), Bürgerwehren und die Sicherheitskräfte seit Jahresbeginn erbitterte Kämpfe.

Das Kartell erhebt in seinem Einflussbereich eine Art Steuer auf jede Art wirtschaftlicher Aktivität. Wer nicht zahlt, wird bestraft: Immer wieder stecken die «Tempelritter» Verpackungsstationen in Brand oder lassen Lastwagen nicht passieren. Zudem hoffen einige Limettenbauern offenbar auf eine baldige Zerschlagung des Kartells und halten ihre Ware zurück, um sie später ohne die sogenannte Steuer des Kartells verkaufen zu können. Die Spekulation befeuert den ohnehin überhitzten Markt weiter.

Ein Lichtblick: Die Krise könnte Experten zufolge im Sommer, wenn viele neue Früchte nachgewachsen sind, womöglich überstanden sein. Bis dahin müssen die Barkeeper und Restaurantbesitzer in den USA und anderswo aber wohl weiter unter den hohen Preisen für die kleinen grünen Zitrusfrüchte leiden.

2000 Dollar (etwa 1450 Euro) habe er dadurch alleine im vergangenen Monat draufbezahlt, sagte Armando De La Torre Jr., dem zwei Restaurants in Los Angeles gehören, der «New York Times». «Jedes Mal, wenn ein Kunde nach Limetten fragt, zucke ich zusammen.» dpa