Von Erich Reimann
Lange Zeit haben Buchhändler, Boutiquen und Weinläden auf Internetriesen wie Amazon gestarrt wie das Kaninchen auf die Schlange. Doch inzwischen formiert sich immer mehr Widerstand gegen die scheinbar übermächtige Online-Konkurrenz. Im Kampf helfen sollen lokale Internet-Marktplätze und Suchmaschinen, die anzeigen, wo in der Nachbarschaft ein gesuchter Artikel gerade verfügbar ist.
Vorreiter ist dabei nicht eine der großen deutschen Metropolen, sondern Wuppertal. Die Stadt hat zusammen mit dem Internet-Start-up Atalanda Ende vergangenen Jahres den lokalen Marktplatz Online City Wuppertal (OCW) ins Leben gerufen. Dort präsentieren inzwischen 47 lokale Händler vom Autoteile-Anbieter über den Süßwarenshop bis zum Modeladen fast 4000 Produkte, wie die zuständige Projektmanagerin Christiane ten Eicken berichtet. Der Clou des Angebots: Die Produkte werden auf Wunsch noch am selben Abend zugestellt.
Atalanda-Geschäftsführer Roman Heimbold berichtet, das Start-up sei inzwischen mit über 60 Städten im Gespräch über die Gründung weiterer lokaler Marktplätze. Auch andere Internet-Start-ups haben das Thema für sich entdeckt. So offeriert die unter anderem von Holtzbrinck Ventures unterstützte Website Locafox Verbrauchern die Möglichkeit, online festzustellen, wo in der Umgebung ein gesuchtes Produkt zu finden ist, und es auch gleich zu reservieren. Das Motto: «Online-Shoppen. Im Geschäft kaufen.» Ähnlich ist das Angebot der zum Metro-Reich gehörenden Website Simply Local, die mit dem Slogan wirbt: «Alle Produkte deiner Stadt auf einen Blick und Klick». Allerdings befinden sich beide Portale noch in der Testphase.
«Die größte Trumpfkarte der lokalen Händler im Wettbewerb mit der Feuerwalze Amazon ist die rasche Verfügbarkeit der Produkte, die sie bieten können. Sie sind näher dran am Kunden. Sie können die bestellte Ware noch am selben Tag zustellen. Das schafft Amazon nicht», beschreibt der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein den Vorteil des Local-Shopping.
Doch bei aller Aufbruchstimmung warnt Heinemann vor zu viel Euphorie. Online City Wuppertal erscheine vielen Städten als Patentrezept, um die lokalen Händler wettbewerbsfähiger zu machen. Aber noch fehle der Beweis, dass das Konzept funktioniere. Schließlich müssten die neuen Angebote mit Marktplätzen wie eBay oder Amazon konkurrieren, die ein viel größeres Angebot offerieren könnten. «Daran, dass Kunden bereit sind, beim Interneteinkauf eine schlechtere Auswahl, schlechtere Informationen und höhere Preise hinzunehmen, weil sie damit den lokalen Handel stärken, glaube ich schon lange nicht mehr», urteilt Heinemann.
Auch die Macher hinter OCW räumen ein, dass das Projekt noch ganz am Anfang steht. «Im Moment ist es noch eher ein Online-Schaufenster. Wir werden wohl zwei Jahre brauchen, um daraus einen vollwertigen Online-Shop zu machen», sagt Atalanda-Geschäftsführer Heimbold. Ein entscheidendes Element sei die Schulung der beteiligten Händler. Wie weit der Weg in Wuppertal noch ist, zeigt eine einzige Zahl. Trotz der bundesweiten Beachtung des Projekts bewegt sich die Menge der bisherigen Online-Bestellungen noch im zweistelligen Bereich.
Tatsache ist: Wer kleine Händler ins Internet bringen will, stößt auf ganz praktische Probleme. Oft fehlt den Läden ein elektronisches Warenwirtschaftssystem, dass es ermöglicht, sofort zu überprüfen, ob ein bestimmter Artikel verfügbar ist. «Viele lokale Händler agieren noch wie in der Steinzeit», meint Handelsexperte Heinemann. Der Erfolg der jüngsten Initiativen werde deshalb ganz wesentlich von deren Bereitschaft abhängen, sich auf die Erfordernisse des Online-Handels einzulassen und das nötige Geld in die Hand zu nehmen.
An Begeisterung fehlt es bei den Wuppertaler Pionieren jedenfalls nicht. Um seine Süßwaren in der Online City anbieten zu können, habe er manchmal bis vier oder fünf Uhr morgens daran gearbeitet, Produkte zu fotografieren und Texte zu schreiben, erzählt Markus Kuhnke vom Naschkatzenparadies. Auch über die Anschaffung eines elektronischen Warenwirtschaftssystems denkt der Geschäftsmann nach.
Auch wenn die Zahl der Online-Bestellungen, die ihn bisher über OCW erreichten, überschaubar ist, zweifelt er nicht am Erfolg des Projekts: «Ich glaube nicht, dass Amazon von Anfang an gut verkauft hat.» dpa