Mallorca Ein Erfahrungsbericht

update: Mallorca schließt den Ballermann

Nun ist die Insel nach dem Corona-Chaos der vergangenen Monate wieder bereisbar - und ich will die Chance nutzen. Mein Basislager werde ich im Süden beziehen, den ich besonders mag, weil er abseits des Trubels und der Hauptrouten liegt: in Colònia de Sant Jordi.

Ich übernachte in einem kleinen Apartmentkomplex. Ein Zeichen der Solidarität mit einer familiengeführten Unterkunft, die der Reisestopp besonders gebeutelt hat. Laut Besitzerin Apolonia Bonet sind noch ein Pärchen und zwei Familien angekündigt. Sonst bleibt alles leer: der Pool, die Liegen, die Parkplätze vorm Haus.

Die Party ist vorbei

Natürlich gilt es, Abstriche in Kauf zu nehmen. Kaum die Hälfte der Hotels ist buchbar, da geschlossen. Einzelne Bauwerke haben zu, manche Läden und Restaurants haben die Schotten dicht gemacht.

Wer sich der Urlauberspezies der Ballermänner zurechnet, wird ernüchtert sein. Die Party fällt in dieser Saison aus. Die alkoholisierten Horden, die Gassenhauer wie «Scheiß drauf, Malle ist nur einmal im Jahr» grölen - sie sind nicht da.

Corona hat aus Malle wieder Mallorca gemacht. Das zu erleben, könnte eine einzigartige Chance sein, die vielleicht nie mehr wiederkommt.

Ankunft in Palma

Wer hätte gedacht, dass es sich einmal sehr exklusiv anfühlen wird, in einem Ferienflieger nach Mallorca zu fliegen? Ich eher nicht. Nun sitze ich im Flugzeug, und die Belüftung ist so eingestellt, dass ich glaube, Desinfektionsmittel zu inhalieren. Der Geruch durchdringt die Gesichtsmaske, die sein muss in diesen Zeiten.

Aber da ist auch Vorfreude. Wird es sich anfühlen, wie nach Hause zu kommen? Oder hat eine Entfremdung stattgefunden?

Nach der Landung in Palma stehen erst einmal praktische Aufgaben an. Die spanischen Behörden geben ein Einreiseformular aus. Doppelseitig, 42 Punkte. Doch den Zöllnern reichen lückenhafte Angaben. Wichtiger ist, ohne Auffälligkeiten die zwei Schleusen mit Wärmebildkameras zur Fiebermessung zu passieren. Dann trete ich hinaus in die Sonne.

Der Fahrer des Shuttlebusses, der mich zum Autoverleiher bringt, sitzt hinter einer Plexiglasscheibe. Der mallorquinischen Freundlichkeit tut das keinen Abbruch.

Die Altstadt ist leer

Mich trennen 0,6 Grad Celsius vom Zutritt in eine der schönsten Glaubensburgen Spaniens: die Kathedrale von Palma. Kartenkontrolleur Toni misst meine Körpertemperatur: 36,6 Grad. Glück gehabt. Wären es etwas mehr gewesen, hätte ich draußen bleiben müssen.

Drinnen sind kaum Besucher unterwegs - so wie in der gesamten Altstadt. Ich fühle mich wie ein Pionier und kann fantastische Fotos ohne Menschenmassen schießen.

Was mich erfreut, betrübt María Payeras. In der Nähe der Kathedrale wartet sie in ihrem Shop mit Naturprodukten für Kinder vergeblich auf Kundschaft. Dass die Kreuzfahrt-Touristen ausbleiben, schmerzt sie besonders. Wann immer sie an Land gingen, klingelte die Kasse.

Stadtführer Miguel Ángel Beltrán kann der Leere auch als Privatperson nichts abgewinnen. Der 43-Jährige sehnt sich nach «Ambiente, Lärm und vollen Restaurantterrassen», wie er sagt. Er kennt Kneipen, die durch die Krise bereits Geschichte sind. Zuletzt war er auf dem eigentlich riesigen Inselmarkt, jeden Mittwoch in Sineu, und fand es dort «supertraurig» mit den wenigen Ständen. Kann nur besser werden.

Skurril in Palma wirken nun Anti-Tourismus-Parolen als Graffiti und auf Plakaten. Die Geister, die man rief – nun sind sie da. Aus der neuen Realität haben sich auch die Taschendiebe davongestohlen.

Weitgehend einsame Strände und Buchten

Gespenstische Szenarien hatte ich mir ausgemalt. Zugangskontrollen, Patrouillen von Strandsheriffs, vielleicht sogar Polizeidrohnen. Alles Hirngespinste, wie der persönliche Test zeigt.

Die Sorge vor dem Virus ist der eigentlich Regulator, der Zustrom an Touristen ist dadurch auch ohne strenge Kontrollen abgeebbt. Das führt zu einem erfreulichen Erlebnis: An den Stränden und Buchten Mallorcas geht das Herz auf wie immer - aber der Verkehrsinfarkt bleibt aus. Kein Anfahrtstress mehr, kein nerviger Kampf um den Parkraum, kein Sardinendosen-Gefühl beim Ausbreiten des Handtuchs. Es ist noch viel frei: Das neue Sommerurlaubsgefühl auf Mallorca.

Lebensretterinnen wie Ainhoa Espinosa, 21, fällt die Zusatzaufgabe zu, ein Auge auf Mindestabstände zu werfen und bei Bedarf ermahnend einzuschreiten. Ihr Terrain ist die Strandperle S'Amarador im Naturpark Mondragó. Die Leute seien alle sehr diszipliniert, sagt Espinosa. Nicht anders sieht es in der kleinen Cala Sa Nau oder an weitläufigen Giganten wie Es Trenc aus.

Wozu braucht man Karibik und Südsee, wenn ein paradiesisch anmutendes Meer in Farbnuancen zwischen Türkis und Ultramarin zwei Flugstunden entfernt liegt? Die Natur, Mallorcas Trumpf, wartet auf Gäste.

Im berühmt-berüchtigten Partyort El Arenal reihen sich nun Hotel- und Discofriedhöfe auf, in Table-Dance-Bars herrscht tote Hose. Und im idyllischen Cala Figuera, wo Fischerkähne in der Bucht schaukeln, empfängt das Touristenbüro mit dem «Geschlossen»-Schild - den Zugang versperrt eine umgekippte Tonne mit der Aufschrift «Ölfilter». Doch das nehme ich gerne in Kauf, für diese neue Einsamkeit.

Kulturgenuss ohne Gedränge

Eine Touristin dreht sich ängstlich um, als im Außenbereich des Museums Joan Miró der Kies unter meinen Schuhsohlen knirscht. So weit ist es gekommen: Man erschreckt sich fast voreinander.

Miró (1893-1983) war eines der größten Kunstgenies Spaniens. Der Weg führt zur Werkschau ins Hauptgebäude und in zwei Ateliers, wo herumstehende Pinsel und Farbdosen den Anschein erwecken, als wäre der Meister nur kurz draußen. Mallorca inspirierte Miró, hier schuf er ein Drittel seiner Arbeiten und erfand sich neu.

Gezahlt habe ich nichts. Heute am Samstagnachmittag ist der Eintritt kostenlos. Einsamer könnte Kunstgenuss nicht sein. Das gleiche Bild im Museum für zeitgenössische Kunst, Es Baluard. Die unterforderte Aufsicht nimmt bei jedem einzelnen Besucher gleich die Verfolgung auf. Kaum Gäste.

Eine Zugreise als Sinnbild

Mir graut schon jetzt vor dem Rückflug. Bevor es zurück nach Deutschland geht, bin ich noch einmal auf andere Weise mobil: im Nostalgiezug von Palma nach Sóller. Der Zug rattert seltener als vor der Krise und fährt nun mit halbleeren Abteils.

Die geöffneten Holzschiebefenster sind wie Bilderrahmen, in denen die Gemälde wechseln. Felsgipfel. Palmen. Kiefernwälder. Dörfer. Hibiskus. Bruchsteinmauern. Orangengärten.

Diese Reise auf Schienen durch Berge und Tunnel erscheint mir auf einmal wie ein Sinnbild für den touristischen Neustart auf Mallorca: Es gibt deutlich mehr Licht als Schatten. Es ruckelt, hat aber langsam Fahrt aufgenommen. Diverse Störgeräusche – im Zug das Rattern, das Kreischen der Bremsen – gehören dazu. Das Signal steht voerst auf Grün, um seiner Sehnsucht freien Lauf zu lassen. dpa

Mallorca führt strenge Maskenpflicht ein - wegen «Nachlässigkeit»

Nach Katalonien wollen auch die bei deutschen Touristen sehr beliebten Baleareninseln Mallorca wegen Corona eine äußerst strenge Maskenpflicht einführen. Der Beschluss mit den Details werde noch erarbeitet und solle am Montag in Kraft treten, teilte die Regionalregierung am Donnerstag in Palma mit. Auf Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera werden somit alle Menschen in der Öffentlichkeit selbst dann Mund- und Nasenschutz tragen müssen, wenn der Sicherheitsabstand gewahrt werden kann.

Laut der Regierung werden Pools und Strände von der Maskenpflicht ausgenommen sein. Auch in Bars, Cafés und Restaurants wird man keinen Mund- und Nasenschutz tragen müssen, solange gegessen und getrunken wird. Bei privaten Zusammenkünften wird voraussichtlich nach eine Obergrenze von 70 Personen im Freien und 30 Personen in geschlossenen Räumen gelten. Die Details der Verordnung stehen noch nicht endgültig fest. In der Mitteilung der Regionalregierung werden zum Beispiel sportliche Aktivitäten nicht erwähnt.

Anders als in Katalonien, wo in einigen Gebieten Neuausbrüche des Virus verzeichnet wurden, gab es bisher auf den Balearen keine deutliche Zunahme der Infektionen. Mit der Maßnahme werde auf die zunehmende Nachlässigkeit eines Teils der Bevölkerung beim Einhalten der Vorsichtsmaßnahmen reagiert, hieß es. Bei Verstößen gegen die Maskenpflicht soll nach Medienberichten ein Bußgeld von 100 Euro fällig werden.

Auf den Inseln, insbesondere auf Mallorca, hatte es in den vergangene Tagen immer mehr Partys gegeben, an denen zum Teil mehr als hundert Feiernde ohne jede Beachtung der Abstandsregeln teilgenommen haben sollen. Zwischenfälle waren nach Berichten von Medien unter anderem in Kneipen und in Parks registriert worden.

Nach dem derzeit für ganz Spanien im Rahmen der «neuen Normalität» gültigen Dekret der Madrider Zentralregierung gilt eine Maskenpflicht im Freien nur dann, wenn ein Abstand von mindestens eineinhalb Metern nicht eingehalten werden kann.

Spanien ist mit knapp 28 400 Corona-Toten und 250 000 Infizierten eines der in Europa am schwersten von der Pandemie getroffenen Länder. Landesweit sind die Zahlen jedoch seit Mitte Mai stark gesunken.

«Die Saison ist im Eimer» - Ballermannstars und der Corona-Sommer

Von Alexandra Wilms

Die Touristen dürfen wieder nach Mallorca, doch von Partystimmung ist wenig zu spüren. Die Amüsiertempel der Playa de Palma dürfen noch nicht öffnen - und deren Stars wie Jürgen Drews, Mia Julia und Co nicht auftreten. Wie gehen die Ballermannsänger damit um?

Palma (dpa) - Am Ballermann sitzen normalerweise Gruppen amüsierfreudiger deutscher Urlauber am Strand und trinken mit extralangen bunten Strohhalmen Alkoholisches aus blauen Eimern. Die blauen Eimer gibt es auch im Corona-Sommer, aber darin sind nur Fische: Sie gehören den einheimischen Anglern, die an Mallorcas bekanntestem Strand abends ihre Ruten aufstellen. Die nötige Ruhe ist da: Die großen Biergärten und Discos wie Megapark und Bierkönig sind nach wie vor geschlossen. Die Inselregierung will es so.

Kleinere Clubs mit einem Fassungsvermögen von maximal 300 Gästen dürfen seit der Aufhebung des Notstands am 21. Juni zwar wieder öffnen, aber auch nur für zwei Drittel der sonst erlaubten Gästezahl und ganz ohne Tanzfläche: Die bleibt geschlossen, dafür stehen dort Tische, an denen die Clubbesucher Platz nehmen müssen.

Dass ihre Wirkungsstätten geschlossen bleiben, trifft die Sänger unterschiedlich hart. Einer der wenigen, die derzeit vor Ort sind, ist Steffen Peter Haas. Der Franke mit dem Künstlernamen Peter Wackel hat eine Finca auf der Insel. «Da werden die Olivenbäume jetzt gerade noch ein bisschen mehr gepflegt als sonst.» Wenn er sich nicht als Teilzeitlandwirt beschäftigt, bespaßt er an der Playa die wenigen Urlauber mit Privat-Konzerten. «Ich genieße das Alleinstellungsmerkmal, es ist ja sonst niemand hier», sagt Haas lachend, der seine Begegnungen mit den Fans werbewirksam bei Facebook postet.

Er brauche die Nähe zu Fans. «Diese Autokino-Geschichte in Deutschland habe ich kategorisch abgelehnt, das ist für mich keine Alternative. Diese Distanz mag ich nicht», sagt der 43-Jährige. Ganz anders seine Bierkönig-Kollegin Mia Julia. Die reist in Ermangelung der Bühne auf Mallorca derzeit durch Deutschland und spielt auf Großparkplätzen vor ihren im Auto sitzenden Fans.

«Als ganz am Anfang alle Auftritte abgesagt wurden, wollten wir trotzdem den Kopf nicht in den Sand stecken», erzählt die aus Oberbayern stammende Sängerin. Anfangs sei der Gedanke, vor in Autos sitzenden Fans aufzutreten, ein wenig komisch gewesen: «Party ganz ohne Eskalation und Springen konnte ich mir nicht richtig vorstellen. Aber dann haben beim ersten Konzert die Autos gewackelt, die Leute haben geschrien und gewunken und es war eine geile Stimmung: Die Fans sind einfach dankbar, dass überhaupt was geht.»

Aber der Bierkönig fehle ihr schon sehr - und auch die Besucher der Autokonzerte zollen ihrem geliebten Party-Biergarten Tribut. Auf den Windschutzscheiben liegen T-Shirts mit dem Logo des Feiertempels, es ist auch auf Fahnen zu sehen, die auf Autodächern geschwenkt werden. Ein vollwertiger Ersatz für die Party am Ballermann sind die Autokino-Auftritt der quirligen 33-Jährigen eben doch nicht. Party sei «doch wichtig für das soziale Umfeld». «Auch wenn es oft belächelt wird, aber das ist der Jahresurlaub, man trifft seine Freunde und hat eine gute Zeit, das wäre schon sehr schade, wenn das in diesem Sommer gar nicht stattfindet.»

Ob und wie es am Ballermann weitergeht, weiß keiner der Stimmungsmusiker zu sagen. Zwar stehen alle in Kontakt mit den Verantwortlichen, doch auch die können nur weitergeben, was gerade der aktuelle Stand der Dinge ist. Die bekanntesten Partystätten an der Playa de Palma sind deutlich größer als die kleinen Läden, die schon wieder öffnen dürfen: Im Bierkönig haben 2899 feierwütige Platz, im Megapark 1434, und selbst die vergleichsweise kleine Disco Oberbayern fasst 650 Gäste. Alle drei Kultorte sind deshalb nach wie vor verrammelt. Über eine mögliche Öffnung auch größerer Clubs soll nun eine Kommission alle 15 Tage neu beraten.

Jürgen Drews denkt nicht, dass es wieder richtig losgehen kann, solange es keinen Impfstoff gibt. Das 75-jährige Playa-Urgestein gibt unumwunden zu, großen Respekt vor der Pandemie zu haben. Deshalb kommt auch der private Inselbesuch - Drews besitzt eine Finca im Südwesten Mallorcas - derzeit nicht in Frage. «Ich habe nicht vor, auf die Insel zu reisen, so lange ich dort nicht auftreten kann. Im Flieger muss man ja dann doch wieder eng beieinander sitzen», sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Er habe die Zeit seit Anfang März genutzt, um seine Autobiografie zu beenden und ein neues Album aufzunehmen.

Das zweite Standbein von Melanie Müller hingegen wackelt ziemlich. Die Massen, denen die Partysängerin in den vergangenen Jahren mehrmals pro Woche auf der Bühne des Bierkönigs einheizte, fehlen auch als Kunden für ihre vor drei Jahren nahe der sogenannten «Bierstraße» eröffnete Wurstbude. «Dass Bierkönig und Megapark noch nicht aufmachen, ist eine reine Katastrophe für mich, so brauche ich natürlich auch die Wurstbude nicht aufzumachen.» Die 32-Jährige bestätigt wie auch Mia Julia und Peter Wackel die auch in Deutschland schlechte Geschäftslage: «Jeden Tag kommen neue Absagen, selbst die kleinen Oktoberfeste finden alle nicht statt», klagt sie. Zumindest den Mallorca-Sommer 2020 hat sie bereits abgeschrieben: «Die Saison ist im Eimer», sagt Müller resigniert. dpa