Michelin Japan Tokyos Sternerestaurants

Keine Stadt der Welt verfügt über mehr Michelin-Sterne als die japanische Metropole. Zeichnet der Restaurantführer in über dreißig Ländern aus, so unterteilt er in drei Kategorien: Ein Stern bedeutet "einen Stopp wert", zwei Sterne "einen Umweg wert" und die höchste Auszeichnung - drei Sterne - sind "eine Reise wert". Mit insgesamt 234 prämierten Restaurants darf die Gourmethauptstadt auf den Reiserouten von Feinschmeckern und Liebhabern kulinarischer Kleinkunstwerke nicht fehlen.

Bei den Gourmettempeln Tokyos - zwölf drei-Sterne-Restaurants - ganz vorne mit dabei: der Küchenchef mit den meisten Michelin-Sternen weltweit. Auf Joël Robuchons Restaurants rund um den Globus regnete es 32 Sterne, vom französischen Gourmetführer Gault Millau wurde er als "Koch des Jahrhunderts" ausgezeichnet. Sein Spitzenrestaurant in Tokyo befindet sich im zweiten Stock eines im französischen Stil des 18. Jahrhunderts erbauten Schlosses am Yebisu Garden Place.

Robuchon feiert die französische Küche, eine der Spezialitäten ist "Le Caviar Impérial". Mit 92 Jahren ist Jiro Ono im Restaurant Sukiyabashi der älteste 3-Sterne-Koch der Welt. Auch die Location ist ungewöhnlich: in einer U-Bahn-Unterführung im Stadtteil Ginza überzeugt der Sushi-Meister die Gäste von seiner Handwerkskunst. Selbst der ehemalige amerikanische Präsident Obama probierte hier 2014 Onos Kreationen.

Zu der Liste der 56 Restaurants mit zwei Sternen haben sich fünf neue hinzugesellt. Dazu gehört auch "Sazenka" mit seinen exklusiven zwölf Sitzplätzen und zwei Séparées. Das chinesische Restaurant befindet sich in einem historischen Gebäude, das einst als Residenz eines Botschafters fungierte. Der Küchenchef vereint die kühnen Aromen der chinesischen Kochkunst mit den delikaten Noten der japanischen nach einem Konzept, das in der Heian-Zeit entstand.

Spezialität des Hauses ist ein Gericht von Taubenschenkeln mit Honig garniert. Im "Den" wird heimelige Atmosphäre und Gastfreundschaft großgeschrieben. Zaiyu Hasegawa sagt von sich selbst, er koche ohne Grenzen und Vorurteile. Mit seiner modernen Interpretation der japanischen Küche möchte er seine Gäste verblüffen und ihnen ein Lächeln auf die Gesichter zaubern. Innovative Geschmackskombinationen und ungewöhnliche Präsentation vereinen sich zu einem besonderen Erlebnis: ein Dessert aus Mascarpone und Pistazien, das optisch an moosbewachsene Steine erinnert, wird den Gästen hier auf einer grünen Gartenschaufel serviert.

23 Restaurants wurden in diesem Jahr erstmals vom Guide Michelin ausgezeichnet, sodass nun 166 Restaurants mit einem Stern Tokyos Stadtplan zieren. In einem der neu prämierten Toprestaurants, dem "Ginza Ishizaki", stehen beispielsweise Spezialitäten vom Wagyu-Rind im Mittelpunkt: Zum Hauptgang nimmt der Küchenchef verschiedene Fleischstücke wie Lende, Chateaubriand oder Zunge und erklärt ihre verschiedenen Eigenschaften, bevor er sie nach Wunsch des Gastes zubereitet. Die italienische Küche interpretiert Küchenchef Teruhito Negeshi im "Principio" relativ frei und kreiert innovative Gerichte, je nach Jahreszeit auch mit Pferde- oder Ezo Hirschfleisch.

"Der Guide Michelin spiegelt die großen Fähigkeiten und Fertigkeiten wider, die in Tokyo zu finden sind. Sushi, Französisch, Italienisch, Tempura, Izakaya ... die ungeheure Vielfalt zeugt von der gastronomischen Stärke Tokyos, einer Stadt, in der sogar Ramen-Restaurants Sterneküche kredenzen," so International Director Michael Ellis.

Stadt der «1000 Dörfer» - Deutscher fotografiert Tokio für Japaner

Von Lars Nicolaysen

Die Fahrt über die breite Autobahn führt durchs Grüne, vorbei an Reisfeldern und einzelnen Bauernhäusern. Bald weicht das Grün grauem Beton, Häuser reihen sich an Häuser, Fabriken an Fabriken, in der Ferne ragen die ersten Wolkenkratzer auf. Dann geht es über riesige Betonstelzen hinein in ein unendliches Häusermeer. Der erste Eindruck von Tokio, dieser Mega-Metropole mit 38 Millionen Einwohnern, ist für manchen Ankömmling meist erstmal überwältigend.

«Alles erscheint zu groß, zu laut, zu viel Beton, zu viele Menschen, kaum Grün», erzählt Günter Zorn. Doch wer wie der Deutsche hier seit längerem lebt, erfährt Tokio schon bald eher als eine Ansammlung lauter «Dörfer», meist gruppiert um jeweils einen Bahnhof und Einkaufsstraßen, wo die Menschen fast unberührt von der lauten Großstadthektik Tokios oft ein recht beschauliches Leben führen.

So wie auch Zorn. «Hier lebt man fast wie auf dem Lande», erzählt der 64 Jahre alte Unternehmensberater und passionierte Fotograf in einem gemütlichen Restaurant in Kagurazaka. «Meine Kagaruzaka» nennt Zorn seinen schmucken Stadtteil, der zwar unweit des Kaiserpalastes mitten in Tokio liegt, der jedoch mit seinen Gassen voller hübscher kleiner Holzhäuser und edler Sterne-Restaurants eher an ein Dorf mit einem Hauch französischen Flairs erinnert denn an eine Mega-Großstadt.

Von hier aus entdeckt der frühere langjährige Spitzenmanager bei den Heidelberger Druckmaschinen in quasi zweiter Karriere als Fotograf Japans Hauptstadt mit ihren «1000 Dörfern», wie Zorn seine Wahlheimat gerne liebevoll beschreibt, täglich aufs Neue: Als einer von nur zwei Deutschen und einziger in Japan lebender deutscher Fotograf ist ihm die Ehre zuteil geworden, in die vorwiegend aus Japanern bestehende Fotografengemeinschaft namens Tokyo GA aufgenommen worden zu sein.

Die Gruppe besteht aus 100 Fotografen, darunter viele junge Talente, aber auch berühmte Namen wie Daido Moriyama, der als einer der Väter der Streetfotografie gilt. Gegründet wurde sie 2011 unter dem Eindruck der damaligen Dreifach-Katastrophe aus Erdbeben, Tsunami und Atomunfall in Fukushima von der international aktiven Kuratorin Naoko Ohta. Sie wollte den damals um die Welt gehenden düsteren Bildern vom GAU entgegentreten und zeigen, dass das Leben in Tokio weiter geht.

«Mit seinen elf Symphonieorchestern, unzähligen Theatern, Kinos und 200 000 Restaurants bietet Tokio alles, was eine große internationale Stadt ausmacht. Zugleich aber kann ich um die Ecke biegen und mich in Stille zurückziehen, ohne dafür aufs Land rausfahren zu müssen», schwärmt Zorn, der Photoingeneurwesen studierte, seine berufliche Laufbahn bei Polaroid begann und sich 1991 mit seiner Frau in Japan niederließ. «Auch gibt es mehr Grün als man denkt», fügte er hinzu. Besonders ins Herz geschlossen hat der Deutsche sein Wohnviertel Kagurazaka, das er bereits in rund 5000 Fotoarbeiten porträtiert hat.

Das neuste Projekt von Tokyo GA führt Zorn mit seiner Leica-Kamera seit einigen Monaten jedoch in einen Teil Tokios, der am ehesten dem Bild von Japan als moderner, pulsierender Hightechnation entspricht: Shibuya. Der neongrelle Szene-Stadtteil mit der wohl geschäftigsten Fußgängerkreuzung der Welt und riesigen Elektronikbildschirmen, wo Elektrosmog spürbar wird und sich der Besucher der Dauerbeschallung des technologischen Fortschritts aussetzt, erlebt derzeit eine Modernisierungsphase wie kaum ein anderer Stadtteil in Tokio.

Gewaltige hochmoderne Hochhäuser sind hier am Entstehen, die eine Mischung aus Büroflächen, Konsum-Tempeln und hippsten Lifestyle-Hochburgen darstellen und alle miteinander verbunden sein werden. «Wenn es in Zukunft einmal schwebende Taxis geben sollte, hier dürfte man sie als erstes erleben», glaubt Zorn. Doch Shibuya ist mehr als nur das. Da ist Harajuku, das knallbunte Mode-Mekka für junge Japaner, wo Scouts aus aller Welt Ausschau nach Trends halten. Und direkt gegenüber die Stille des 100 Jahre alten Meiji-Schreins.

Lässige Jugendliche mit Punk-Frisur, daneben die Eleganz einer jungen Dame im steifen Kimono. Hier Graffiti-Mauern entlang der Bahngleise, dort traditionelle Zäune aus Bambus. Diese faszinierende Koexistenz von Moderne und Tradition, von Neu und Alt, dieses «kreative Chaos», hält Zorn mit oft humorvollem Zwinkern in seinen Fotoarbeiten fest.

Eine kleine Auswahl seiner Schwarz-Weiß-Werke war kürzlich im Rahmen einer Ausstellung von Tokyo GA mit dem Titel «Shibuya - Tokyo Curiosity» zu sehen. Die Fotoarbeiten von rund 30 der 100 Fotografen der Gruppe werden nach einer ersten Ausstellung zu Jahresbeginn in Shibuyas neuem Lifestyle-Zentrum Hikarie im November in Paris und im kommenden Jahr dann in Berlin zu sehen sein. In dem Jahr feiern die japanische und die deutsche Hauptstadt 25 Jahre Städtepartnerschaft. dpa