Mit Tim Mälzer und Tim Raue im Stadion

Von Alexandra Stahl

Bundesliga-Fußballkost, das ist längst viel mehr als nur Currywurst und Bier. Neuerdings erobern sogar prominente Sterneköche die Stadien und servieren gefüllte Kalbskeule, japanische Lachsfilets oder Mangocreme. Zumindest in den VIP-Lounges der Erstligisten ist dieser Trend zu beobachten: Fernsehkoch Tim Mälzer verköstigt beim HSV die VIPs während der Heimspiele, und der Berliner Sternekoch Tim Raue versorgt Business-Gäste bei Hertha BSC. Einige Liga-Rivalen können sich bereits ähnliche Konzepte vorstellen.

Wenn Tim Raue für die Hertha-Fans den Kochlöffel schwingt, dann gibt es vier Gänge - und den unverzichtbaren Halbzeitsnack. «Das ist dann immer Wurst, alles andere geht nicht», sagt Raue. Doch wenn der Berliner Sternekoch zwischen der ersten und zweiten Halbzeit schon Currywurst auftischt, dann mit selbstgekochtem Ketchup und Süßkartoffelpommes. Ansonsten gibt es bei Raue asiatisch inspirierte Küche, etwa chinesische Maultaschen, Kabeljau mit Spinat oder Schweinebauch mit Lauch und Ingwer.

Ab 5000 Euro kostet einer der insgesamt 120 VIP-Plätze, auf denen Raues Gerichte serviert werden, pro Saison, wie die Firma Sportfive mitteilt. Sie vermarktet die VIP-Lounges von acht Erstligisten und ist für das Sternekoch-Konzept verantwortlich. Beim HSV, wo Fernsehkoch Tim Mälzer seit dieser Saison am Herd steht, ist das Mälzer-Mahl auf 351 der insgesamt 4676 Business-Seats und Logen zu haben - für 8500 Euro pro Saison.

Bei diesen Preisen dürfte die Fan-Mehrheit allerdings weiterhin eher bei der Stadion-Currywurst für 3,50 Euro bleiben. Dass sich manche Stadionbesucher an der teuren VIP-Kost stören könnten, glauben die Vermarkter von Sportfive aber nicht. «Die VIP-Lounges tragen zur Finanzierung der Vereine einen wesentlichen Beitrag bei, was auch dem normalen Fan zu Gute kommt», sagt Eike Gyllensvärd, der für den VIP-Bereich beim HSV zuständig ist.

Tatsächlich nehmen die Erstligavereine mit ihren Business-Seats und Logen pro Saison rund 200 Millionen Euro ein, wie der Sportökonom Stefan Walzel von der Deutschen Sporthochschule in Köln ausgerechnet hat. Walzel warnt davor, die VIP-Bereiche der Stadien weiter auszubauen. Nach Angaben des Beratungsunternehmens «Sport und Markt» ist ihr Anteil von der Saison 1994/95 bis heute von 0,7 auf mehr als 6 Prozent gestiegen.

Durch fußballferne Aktionen wie die mit Sterne- und Promiköchen rücke der Sport immer mehr in den Hintergrund, sagt Walzel. «Je stärker das wird, umso mehr wird das den normalen Fans aufstoßen. Es ist ein schmaler Grat, die Balance zwischen Kommerziellem und der Fankultur zu halten.»

Vermarkter Sportfive betont dagegen, dass das Konzept funktioniere, wenn man es mit authentischen Personen umsetze. «Beim HSV gibt es keine Probleme zwischen den VIP-Gästen und den Fans», sagt Gyllensvärd. Mälzer - ein bekennender HSV-Fan - sei bei den Fans akzeptiert und spreche eine breite Zielgruppe an. Langfristig sei geplant, auch außerhalb der VIP-Bereiche Angebote zu machen. Tim Raue dagegen - übrigens Hertha-Fan - schließt das aus. «Ich kann nicht für drei Euro kochen», sagt der Sternekoch.

Und wie sieht es in den übrigen Bundesliga-Stadien aus? Einige Vereine stehen dem Konzept nicht abgeneigt gegenüber. Beim SC Freiburg ist sich der Vereinssprecher sogar sicher: «Wir waren die Ersten.» Auf Initiative des Club-Präsidenten Fritz Keller, der selbst Winzer und Sterne-Gastronom ist, kochte in vergangenen Spielzeiten bereits Meisterkoch Harald Wohlfahrt mit seiner Traube Tonbach aus dem Schwarzwald für die VIP-Gäste des Sport-Clubs. Seit dieser Spielzeit ist es die Zwei-Sterne-Küche Dollenberg aus Bad Peterstal.

Auch andere Vereine, etwa Hannover 96, der 1. FC Köln oder der VfB Stuttgart könnten sich ein Engagement eines Promi- oder Sterne-Gastronoms zumindest vorstellen - auch wenn im Moment nichts geplant sei.

Bei Werder Bremen sind die Vorstellungen konkreter. Die VIP-Lounge des Vereins war in den 90er-Jahren bereits ein Sternerestaurant. Als Highlight für besondere Spiele könne man sich vorstellen, künftig wieder einen Sternekoch anzuheuern, sagte Sprecher Christian Stoll. Anbieten würde sich etwa eine Kooperation mit NDR-Koch Rainer Sass. «Er ist bekannt, kocht gut, und außerdem ist er Werder-Anhänger.» dpa