Von Doreen Fiedler
Breiten sich Tigerstreifen auf den Blättern eines Weinstocks aus, schrillen beim Winzer die Alarmglocken. Er weiß, dass nach der gelb-braunen Verfärbung der Weinblätter bald die Trauben zu ungenießbaren Lederbeeren zusammenschrumpeln. Dann vertrocknen die Triebe, schließlich stirbt der ganze Rebstock ab. Der Winzer muss das Holz aus dem Weinberg reißen und verbrennen.
Ursache ist die durch Pilze verursachte Holzkrankheit Esca. Seit Ende der 1990er Jahre wird sie in deutschen Weinbauregionen als ernstes Problem betrachtet, heißt es beim Julius Kühn-Institut in Quedlinburg. Fachzeitschriften berichten, dass sich die Fälle seit einigen Jahren häufen. Überall in den Weinbergen tauchen tote Rebstöcke auf, vermeintlich zufällig verteilt.
Forscher haben nun wohl ein Gegenmittel gefunden. Der Clou dabei: Sie bekämpfen die holzzerstörenden Pilze mit anderen Pilzen. Das Rebholz wird mit Trichoderma-Arten infiziert, wie Andreas Kortekamp und Joachim Eder vom Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) Rheinpfalz erklären. Das sei eine Art "Schutzimpfung für die Weinrebe", sagen die Rebkrankheiten-Experten. Wo die harmlosen Trichoderma-Pilze schon sitzen, können sich die Esca verursachenden Pilze nicht mehr niederlassen.
Gefunden haben die Forscher die nützlichen Pilze in den Rebstöcken selbst. Natürlicherweise kommen sie aber nur in wenigen Prozent der Reben vor, wie Kortekamp erklärt. Einmal eingeimpft wüchsen die Pilze in die Rebe ein. Es handele sich um natürlichen Pflanzenschutz - die Wissenschaft imitiere oder verstärke ein natürliches System, betont Kortekamp.
Würden schon die kleinen Setzlinge in den Rebschulen mit Trichoderma geimpft, seien die Erfolge sehr gut, sagt Eder. Die Besiedelungsrate liege bei fast 100 Prozent. Negative Effekte konnten die Pilzexperten bei ihren Versuchspflanzungen rund um das DLR in Neustadt an der Weinstraße bisher nicht feststellen.
Die Forscher halten das Potenzial der Trichoderma-Pilze für gewaltig. Schließlich gingen jedes Jahr rund ein Prozent der Rebstöcke durch Esca kaputt - weltweit entstünden so Verluste von jährlich einer Milliarde Euro. Die Winzer in Deutschland reagierten derzeit noch zurückhaltend, sagt Stephan Reimann vom Unternehmen Belchim Crop Protection in Burgdorf, das derzeit das einzige Anti-Esca-Produkt mit Trichoderma auf dem deutschen Markt anbietet.
"Die Ergebnisse sind sehr gut. Das interessiert die Winzer auch auf jeden Fall, aber die letzte Überzeugung fehlt noch", sagt Reimann. Oft zeigten sich die Effekte eines Esca-Befalls im Weinberg erst nach 15 oder 20 Jahren. Die Genehmigung für das Mittel gebe es erst seit drei Jahren - und die Zulassung gelte nur für Rebschulen und junge Anlagen. Reimann ist überzeugt: Können die Winzer auch ihre älteren Rebstöcke nach dem Rebschnitt an den Wunden mit der Anti-Esca-Lösung behandeln, werden sie zugreifen.
Der Wirkungsgrad des Produkts liege bei 50 bis 80 Prozent, erzählt Kortekamp. Er hofft, dass er bald weniger Rebstöcke sehen muss, in denen das Holz im Inneren morsch wird. Die Esca verursachenden Pilze verbreiten sich über Sporen. Sind sie einmal im Weinberg, besiedeln sie irgendwann alle Rebstöcke. dpa