Napa in Kanada Die Weingüter am Okanagan-See

Von Bernhard Krieger

«Okanagan?», fragt der deutsche Weinhändler irritiert. «Nein, aus «Okanagan» habe ich nichts», sagt er, während sein verwirrter Gesichtsausdruck verrät: Der Mann hat keinen blassen Schimmer, was dieses Okanagan sein soll. Ein Ort, eine Region oder doch ein afrikanischer Zwergstaat? Hierzulande haben viele Weinexperten noch nie vom Okanagan Valley gehört. Und auch viele Reiselustige kennen die Region im Herzen der kanadischen Provinz British Columbia nicht. «Dabei werden bei uns durchaus Weltklasse-Weine produziert», sagt Sommelière Kara Piercy.

Die junge Weinkennerin stammt aus der Region, die in Nordamerika als das «Napa des Nordens» bekannt ist. Eine abwechslungsreiche Landschaft, die sich von der Osoyoos-Wüste im Süden über die Weingärten rund um den Okanagan-See bis zu den mehr als 3000 Meter hohen Gipfeln der Monashee-Berge erstreckt.

Anders als das berühmte Napa Valley in Kalifornien, taucht das Okanagan Valley international auf Weinkarten nur selten auf. Die Grauburgunder, Rieslinge, Spätburgunder und erstklassigen Eisweine werden kaum nach Europa exportiert. Das liegt an den hohen Preisen der kanadischen Weine, von denen die billigsten schon rund 10 Euro kosten, und an den hohen Einfuhrzöllen in Europa.

Nur wenige Weingüter aus dem Okanagan Valley sind also über Kanada und die USA hinaus bekannt. Piercys Arbeitgeber Mission Hill ist einer dieser Leuchttürme. Das Weingut von Anthony von Mandl liegt auf einem Hügel ganz in der Nähe von Kelowna, der mit knapp 120 000 Einwohner größten Stadt des Tals. Das imposante Mission-Hill-Gut mit seinem weit sichtbaren Glockenturm thront umgeben von Weingärten und Villen hoch über dem See.

Im Sommer tummeln sich tausende Badeurlauber an den Stränden. Die übliche Sommerhitze von weit über 30 Grad heizt das Wasser auf angenehme Badetemperaturen. Mit 135 Kilometern ist der Okanagan Lake mehr als doppelt so lang wie der Bodensee. Im Sommer gleiten Segler, Surfer und Motorbootfahrer über die Wellen, in denen sich die Silhouetten imposanter Bergmassive spiegeln. Radfahrer strampeln am Ufer entlang, Wanderer durchstreifen Weinberge und Hinterland.

Rund um den See liegen Dutzende Golfplätze, darunter einige von internationalem Format. Der neue Kurs Predator Ridge liegt am Fuß eines Felsen, auf dem der Unternehmer Gernot Langes-Swarovski aus Österreich mit dem «Sparkling Hill» das außergewöhnlichste Luxushotel der Region gebaut hat. Dreieinhalb Millionen Swarovski-Kristalle im Gesamtwert von zehn Millionen Dollar wurden in dem Haus mit dem größten Spa Kanadas verbaut. Wie ein gigantischer Bergkristall funkelt das facettenartig konstruierte Gebäude über dem Okanagan-See.

Der See ist nicht nur die größte Attraktion im Okanagan-Tal, sondern auch ein Glücksfall für die Winzer. Trotz der nördlichen Lage am 49. Breitengrad sind die Sommer heiß und trocken und die Winter mild. Der riesige See sorgt im Hochsommer für Abkühlung in der Nacht. Im Herbst und Winter dagegen wirkt er wie ein Wärmespeicher, was den Obstplantagen und vor allem den Weinreben zu Gute kommt.

«Der See und das außergewöhnlich Klima helfen den Winzern sehr», erklärt Sommelière Piery. Vor gut 40 Jahren gab es gerade mal eine Handvoll Weinbauern im Okanagan-Tal, mittlerweile sind es über 200. Darunter befinden sich große Güter wie Cedar Creek, Quails Gate und Mission Hill, das schon 1992 mit seinem Sieg im Chardonnay-Wettbewerb der «International Wine and Spirit Competition» in London für Aufsehen sorgte. Tinhorn Creek in der Nähe der «Weinhauptstadt» des Okanagan, bei Oliver, ist eines der kleineren Güter. Dort werden selbst verwöhnte Feinschmecker von den Weinen und dem Essen im gutseigenen Restaurant «Miradora» begeistert sein.

Auch das Weingut Gray Monk gehört bereits zu den etablierten. Als Quereinsteiger haben es die beiden Damenfrisöre George und Trudy zu einer der ersten Adressen im Tal gemacht. Er stammt aus Wien, sie aus Rostock. Auch Stephanie und Bernd Schales gehören zu den vielen Österreichern und Deutschen, die im Okanagan ihr Glück gefunden haben. Er ist Winzer in achter Generation, weshalb das Weingut der beiden in Summerland 8th Generation heißt. Prunkvoll ist es nicht, produziert und verkauft wird in einer einfachen Lagerhalle. Doch die Winter sind innovativ: «Wir haben als erste einen Schaumwein nach Prosecco-Art im Okanagan gemacht», erzählt Stefanie Schales. dpa

Reise ins Okanagan Valley

Reisezeit: Von Mai bis Oktober. Zur Obstblüte und im Herbst ist das Tal besonders farbenprächtig. Wer Winzer besuchen will, sollte die Zeit der Weinlese meiden.

Anreise: Air Canada fliegt täglich von Deutschland aus mit einem Zwischenstopp nach Kelowna.

Weingüter: Eine Liste der Weingüter im Okanagan gibt es auf der Website von British Columbia 

Geld: Ein kanadischer Dollar sind 0,70 Euro (Stand August 2015).

Informationen: Reisende erhalten kostenfreies Informationsmaterial und weitere Auskünfte über British Columbia telefonisch unter 01805 526232 oder per E-Mail an info@infokanada.de. Internet: Destination British Columbia (www.hellobc.de), Thompson Okanagan Tourism Association (www.totabc.org).