Niemeyer-Hollywood in Asturien

Von Manuel Meyer

Eigentlich hat Avilés alles, um Urlauber anzuziehen. Die mittelalterliche Innenstadt bezaubert mit schönen Arkaden-Gängen und hübsch verzierten Holzbalkonen. Viele Gebäude in der Galiana-Straße und der Calle de Rivero stammen noch aus dem 14. Jahrhundert. Einige Kirchen wie die Iglesia de los Padres Franciscanos und San Nicolás de Bari wurden sogar im 13. Jahrhundert gebaut.

Stadtpaläste, Parkanlagen und das prachtvolle Theater Palacio Valdés lassen die glorreiche Vergangenheit der Hafenstadt ahnen. Von hier aus brachen viele spanische Konquistadoren auf, um die Neue Welt zu erobern. Einer von ihnen war Pedro Menéndez de Avilés. Der Eroberer Floridas gründete 1565 die erste von Europäern besiedelte Stadt der USA, St. Augustine.

Bisher zog es Besucher Asturiens aber eher nach Oviedo oder in den nahen Naturpark Picos de Europa. «Aber das wird sich schon bald ändern», versichert Arribas. «Avilés verwandelt sich von einer Industrie- zu einer Kulturstadt». Und diese soll nicht nur Urlauber aus ganz Spanien in die Heimat von Formel-1 Fahrer Fernando Alonso locken, sondern auch ausländische Gäste.

Der Grund für die Aufbruchsstimmung lebt in Rio de Janeiro, ist im Dezember 103 Jahre alt geworden und gehört zu den weltweit berühmtesten Architekten unserer Zeit: Oscar Niemeyer. Der legendäre Erschaffer der brasilianischen Hauptstadt Brasilia, dessen Großvater aus Hannover stammte, schenkte der Region Asturien 2005 den Entwurf zu einer futuristisch-kurvigen Stahlbeton-Konstruktion. Anlass war das 25-jährige Bestehen des Prinz-von-Asturien-Preises, mit dem Niemeyer 1989 in der Sparte Kunst ausgezeichnet wurde.

Als Standort wurde das strukturschwache Avilés ausgewählt. Direkt gegenüber der Altstadt, auf einer künstlichen Insel mitten im Fluss, weiht nun Ende März der spanische König Juan Carlos I. das Gebäude ein, das als «Internationales Kulturzentrum Oscar Niemeyer» Hunderttausende Touristen und Architekturbegeisterte anlocken soll.

«Das Niemeyer-Zentrum ist wie ein Sechser im Lotto», sagt Javier Arribas. Er geht davon aus, dass das architektonische Juwel Besucher ähnlich magnetisch anziehen wird wie das Guggenheim-Museum in Bilbao. Die einst heruntergekommene Industriemetropole im Baskenland verdankt dem Bauwerk seine urbane und wirtschaftliche Erneuerung.

Zusammen mit dem Guggenheim-Museum wolle man nun eine Kultur-Reise durch den grünen Norden Spaniens starten, erklärt Natalio Grueso, der Leiter des Niemeyer-Zentrums. Er hat keine Zweifel am Erfolg des Projekts: «Es handelt sich nicht nur um eines der wenigen Gebäude Niemeyers in Europa, sondern auch um das größte und wichtigste in ganz Europa, wie Niemeyer mir selber versichert hat.»

Der «Niemeyer-Effekt» funktioniert bereits. Als einer der ersten besuchte Hollywood-Star Brad Pitt die Bauarbeiten des spektakulären Kulturzentrums. «Brad würde gerne bei der ein oder anderen Architektur- und Design-Ausstellung mit uns zusammenarbeiten», versichert Natalio Grueso. Und Regisseur Woody Allen, der der Stadt bereits in seinem Film «Vicky Cristina Barcelona» ein Denkmal gesetzt hat, werde nicht nur mit seiner Jazzband am Abend vor der Eröffnungsfeier das erste Konzert im neuen Kulturzentrum geben, sondern auch das Filmzentrum leiten.

Der brasilianische Schriftsteller Paulo Coelho hat öffentliche Lesungen versprochen. Schauspieler Kevin Spacey wird als Leiter des Londoner Old Vic Theatre mit dem Niemeyer-Zentrum Theaterstücke produzieren, die in Avilés Weltpremiere feiern, bevor sie nach London und an den Broadway gehen. In dem multidisziplinären Kulturzentrum wird es Konzerte, Opern, Theater, Kino, Vorträge und Ausstellungen geben. In einem spiralförmigen, rund 13 Meter hohen Turm mit Außentreppe wird die «Gastronomie als Kunst» im Mittelpunkt stehen.

Das Kulturzentrum besteht aus vier Gebäudekomplexen. Daraus sticht ein Auditorium hervor, das sich in Form einer überdimensionalen Welle dem Meer zuwendet. Seitlich verschoben, erstreckt sich ein geschwungenes Mehrzweckgebäude mit Ausstellungsräumen, Filmzentrum, Restaurant und Kindergarten. Vom Auditorium führt eine Brücke schwungvoll quer über einen riesigen Platz zur Kuppel eines Konferenz- und Ausstellungsgebäudes, das an ein Ufo erinnert.

Die Aufbruchstimmung ist in Avilés überall zu spüren. Allein der Bau des Zentrums drückte die Touristenzahl im vergangenen Jahr um 6,2 Prozent nach oben. Im Jahr 2009 hatte die 85 000-Einwohner-Stadt nur drei Hotels, heute sind es zwölf. «Das Niemeyer-Zentrum wird unsere Zukunft sein», sagt Ángel Hernández López. «Avilés ist richtig aufgeblüht, seitdem die Bauarbeiten begonnen haben», erzählt der Konditor.

Sein «El Café de Ángel» auf der Plaza de España sei so voll wie schon seit Jahren nicht mehr. Vor allem seine «Cúpulas Avimeyer» sind ein Verkaufshit bei Touristen - die Ufo-Kuppel des Niemeyer-Zentrums als Buttergebäck mit Zuckerguss, zum Mitbringen für die Lieben zu Hause. dpa

Informationen: Tourismusbüro Avilés, Ruiz Gómez, 21. 33402 Avilés, Tel: +34 985 544325, avilescomarca.info