Von Sandra Trauner und Jenny Tobien
Zur Gänsezeit ist es immer proppenvoll im «Grauen Bock». «Bis Weihnachten sind wir ausgebucht, da ist kein einziger Platz mehr frei», sagt Götz Elsässer, der Wirt des Traditionslokals in Frankfurt-Sachsenhausen. Tische werden bereits Monate im Voraus reserviert, oft kommen große Gruppen. Umso ärgerlicher, wenn die Gäste wegbleiben, ohne ihre Reservierung abzusagen. «Einmal blieb ein Tisch für 30 Leute leer, da sprechen wir von acht fertigen Gänsen im Ofen», sagt Elsässer, der den Familienbetrieb in vierter Generation betreibt.
Weil immer mehr Gastronomen in Frankfurt solche Erfahrungen machen, könnte unentschuldigtes Fernbleiben bald teuer werden. Viele Wirte denken über sogenannte «No-Show-Gebühren» nach, das bestätigen sowohl der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Hessen als auch die Frankfurter Initiative Gastronomie. «Eine No-Show-Gebühr ist in vielen Betrieben in Vorbereitung», sagt der Sprecher der Initiative, Steffen Ball. In welcher Höhe und in welcher Form bleibe jedem Mitglied selbst überlassen. Ball geht «je nach Preisklasse des Lokals» von 20 bis 50 Euro pro Gast aus.
«Wir wollen niemanden schröpfen», sagt er, «es geht um die Grundgesetze der Höflichkeit: Wenn ich wo zusage und dann kommt was dazwischen, dann sage ich wieder ab.» Besonders zu Messezeiten seien No Shows «ein riesiges Problem»: Firmen reservierten in mehreren Lokalen parallel, um kurzfristig entscheiden zu können, wo man hingehe. Aber auch an normalen Wochenenden gebe es in Spitzenzeiten «bis zu 30 Prozent No Shows», sagt Ball.
Eine Statistik, wie viele Lokale in Hessen bereits eine Storno-Gebühr eingeführt haben, gibt es nicht. Julius Wagner, Hauptgeschäftsführer des Dehoga Hessen, schätzt die Zahl auf etwa 50 in Frankfurt - Tendenz wachsend. Auf dem Land gebe es das Problem kaum, «da kennt man sich», in der Stadt begünstige die größerer Anonymität eine wachsende Unverbindlichkeit. In anderen Großstädten wie Berlin seien Stornogebühren schon lange üblich. Sie hätten auch eine «erzieherische Funktion», sagt Wagner. Restaurantbesitzer müssten das Thema aber «sensibel» angehen, um Kunden nicht zu vergraulen.
Robert Mangold hat schon vor vier Jahren No-Show-Gebühren im «Lafleur» im Palmengarten und dem Restaurant des Varietés Tigerpalast eingeführt. Beide bieten gehobene Gastronomie, haben jeweils 40 Plätze. Vor der Einführung hatte Mangold während Messen oder am Wochenende bis zu 20 Prozent No Shows, wie er berichtet. «Heute ist die Rate unter einem Prozent. Das Problem ist gänzlich verschwunden.»
Bei Mangold läuft das so: Wer reserviert, muss in einem Online-Buchungssystem seine Kreditkartendaten hinterlegen. Mit der Reservierungsbestätigung wird dem Gast die Höhe der Stornogebühr mitgeteilt. Taucht er nicht auf, wird die Karte belastet - mit 150 Euro pro Platz. Absagen werden bis 48 Stunden vorher akzeptiert. «Für internationale Gäste ist das eine geübte Praxis», sagt Mangold. Die meisten Gäste verstünden: «Wir müssen unser Personal bezahlen, wir müssen unsere Miete bezahlen, wir haben Waren eingekauft.» Das eine oder andere Schimpfwort habe er sich aber schon anhören müssen.
Die Verbraucherzentrale Hessen findet das Vorgehen «ein Stück weit nachvollziehbar», sagt Jurist Peter Lassek. Wer ein Hotel oder einen Flug buche, müsse auch bezahlen, ob er nun kommt oder nicht.
Juristisch sei das Thema aber nicht so einfach: «Pauschalierte Schadenersatzansprüche» seien rechtlich angreifbar, sagt Lassek: Der Wirt müsse eigentlich in jedem Einzelfall nachweisen, dass ihm ein Schaden in der geforderten Höhe entstanden ist. Ganz schwierig werde es, wenn er den Tisch später an andere Gäste vergibt.
Auch Götz Elsässer hatte es irgendwann mal satt. Gäste, die er nicht gut kennt, müssen ihre Anfrage per Mail schicken. Daraufhin erhalten sie eine Reservierungsbestätigung mit den Stornierungskonditionen.
«Wer dann nicht auftaucht, bekommt das komplette Essen in Rechnung gestellt», sagt er. Das gelte für vorbestellte Gänseessen, aber auch für große Runden im laufenden Jahr. In der letzten Saison sei das aber gerade zwei Mal passiert. Und bei dem einen Gast sei es garantiert ein Versehen gewesen: «Der war inzwischen nach Amerika versetzt worden, und musste nur die Hälfte bezahlen. Da muss man auch kulant sein.» dpa