Pferdefleischskandal - Real ruft Lasagne zurück

Nun hat der Pferdefleischskandal auch Deutschland erreicht: In Tiefkühl-Lasagne sind in Stichproben Anteile von Pferdefleisch gefunden worden. Verbraucher, die noch entsprechende Produkte in ihrer Gefriertruhe haben, sollten vorsorglich wegen möglicher Gesundheitsrisiken auf den Verzehr verzichten und sie ins Geschäft zurückbringen. Das rät Andrea Schauff von der Verbraucherzentrale Hessen.

Die Supermarktkette Real hat bereits eine Tiefkühl-Lasagne zurückgerufen, weil bei Stichproben Pferdefleisch in dem entsprechenden Produkt entdeckt wurde. In Baden-Württemberg ist nach Angaben des Landesverbraucherministeriums eine verdächtige Tiefkühl-Lasagne der Firma Eismann aus dem Handel genommen worden. Andere Ketten überprüfen entsprechende Tiefkühlware noch. Wenn der Handel die Produkte aus den Regalen genommen hat, werde er auch das zurücknehmen, was Verbraucher noch aus ihrer eigenen Tiefkühltruhe holen, erklärte Schauff im Gespräch mit dem dpa-Themendienst.

Kunden können dann damit rechnen, den Kaufpreis erstattet zu bekommen. Hintergrund ihrer Empfehlung, auf den Verzehr zu verzichten, sind mögliche Rückstände von Doping- und Arzneimitteln im Fleisch. Zwar sei der Fleischanteil in den Produkten nicht so groß, dass akute Gefahr drohe. Aber aus vorbeugendem Gesundheitsschutz sollte man die Fertiggerichte lieber nicht essen. So gehe der Verbraucher sicher, dass er nicht unwissentlich Medikamente zu sich nehme.

«Man kann jetzt noch nicht sagen, inwieweit Medikamentenrückstände in den Produkten enthalten sind», betonte die Ernährungsexpertin. Die Herkunft des Fleisches sei unklar, und es gebe noch keine Erkenntnisse, ob es Rückstände und wenn ja welche es enthält. Genusstaugliches Pferdefleisch müsse frei davon sein. dpa

Herkunft nur bei frischem Rindfleisch zurückverfolgbar

Nur bei frischem Rindfleisch haben Verbraucher derzeit die Möglichkeit, die Herkunft der Ware nachzuvollziehen. Geburt, Aufzucht und Schlachtung des Tieres lassen sich an der Kennzeichnung in der Theke oder auf der Verpackung ablesen, erklärte Andrea Schauff von der Verbraucherzentrale Hessen im Gespräch mit dem dpa-Themendienst. Diese Regeln für Rindfleisch seien in Folge der BSE-Krise erlassen worden. «Bei allen anderen Tierarten fehlt eine klare Herkunftskennzeichnung noch.» Einzige Ausnahme: Eier können anhand des aufgedruckten Codes zurückverfolgt werden.

Sobald ein Stück Rindfleisch aber zum Beispiel küchenfertig gesalzen oder als mariniertes Steak verkauft wird, greifen laut Schauff die Kennzeichnungsregeln nicht mehr. «Das Fleisch gilt dann als verarbeitet, und dann ist keine Angabe mehr nötig.» Aus diesem Grund können Verbraucher bei Fertiggerichten mit Fleisch nicht erkennen, wo das darin verarbeitete Fleisch herkommt.

Das erschwert im aktuellen Skandal um Pferdefleisch in Lasagne offenbar auch den Herstellern und Behörden die Aufklärung. «Es ist unklar, woher das Fleisch nun wirklich stammt», sagte die Ernährungsexpertin. Die Warenströme quer durch Europa seien undurchsichtig. Auf den Transportwegen könne viel passieren und Pferde- gesetzeswidrig als Rindfleisch ausgewiesen werden.

Im Rahmen der neuen EU-Lebensmittelinformationsverordnung diskutieren EU-Kommission und Mitgliedsstaaten noch, ob eine Herkunftskennzeichnung künftig auch bei verarbeiteten Lebensmitteln machbar ist, die mehr als 50 Prozent Fleisch enthalten. «Man muss abwarten, ob Gesetzgeber und Behörden sich dazu durchringen können», sagte Schauff.

Grundsätzlich muss bei allen frisch verkauften Fleischprodukten schon jetzt die Tierart ausgewiesen sein. Eine Ausnahme gilt für lose verkaufte Wurst, wenn sie nicht explizit aus einer Tierart wie Pute hergestellt ist. Bei verpackter Ware muss die Tierart des darin enthaltenen Fleisches in der Zutatenliste vermerkt sein.

Das war beim aktuellen Skandal nicht der Fall: Auf der Packung war nicht ausgewiesen, dass die Ware außer Rind- auch Pferdefleisch enthält. Laut Schauff ist das ein klarer Gesetzesverstoß, wenn eine andere Tierart im Produkt verarbeitet wurde, als auf der Packung steht.

Auch mit Bio-Fertigware können sich Verbraucher nicht vor falschen Deklarationen schützen. «Die Herkunftskennzeichnung gilt auch da nicht», erklärte Schauff. «Das einzige, was Verbraucher tun können, um falsch Kennzeichnungen zu vermeiden, ist Frischfleisch zu kaufen und selbst zu verarbeiten.» Außerdem sollten sie dort kaufen, wo ihnen der Metzger klar Auskunft zur Herkunft geben kann oder wo das Fleisch direkt vom Erzeuger vermarktet wird.

Und jedem sollte klar sein, dass qualitativ hochwertiges Fleisch nicht zu Dumpingpreisen zu haben ist, betonte die Verbraucherschützerin. Lieber teurere Ware kaufen und dafür seltener essen, lautet ihr Appell.

Rind und Pferd - Der Unterschied ist schwer zu schmecken

Der Geschmack von Pferdefleisch liegt irgendwo zwischen dem von Rind und Wild. «Aber eher Richtung Rind», sagt Frank Dohrmann, dem eine Pferdefleischerei in Bremen gehört. Sei das Pferdefleisch in einer Lasagne verarbeitet, schmecken seiner Ansicht nach selbst Gourmets in der Regel keinen Unterschied. Auch wenn die Lasagne ausschließlich aus Pferdefleisch bestehe und keine andere Fleischsorte enthalte, sei der Unterschied zu Lasagne mit Rindfleisch nicht zu erkennen. In den vergangenen Tagen sorgten einige Fälle für Aufsehen, in denen Pferd statt Rind in Fertigprodukten wie Lasagne verarbeitet worden war.

Nicht nur im Geschmack, auch in der Farbe und der Konsistenz ähnelt das Fleisch von Pferden dem von Rindern: Es ist dunkelrot und fest. Einen Unterschied könnten Laien schmecken, wenn sie beides ohne Gewürze kochen oder braten. «Pferd ist ein bisschen würziger als Rind», erklärt Dohrmann. Aber die Würze sei eher mild. Im Gegensatz zu Lamm oder Reh zum Beispiel habe Pferd keinen strengen, arttypischen Geschmack.

Pferdefleisch ist grundsätzlich nicht bedenklich für die Gesundheit

Der Verzehr von Pferdefleisch ist grundsätzlich nicht gesundheitsschädlich. «Pferdefleisch ist von der Zusammensetzung her ein gutes Fleisch, es hat viele Nährstoffe», sagt Jessica Fischer von der Verbraucherzentrale Berlin. Wichtig für Verarbeitung des Fleisches in Lebensmitteln sei aber, dass die Tiere nicht mit bestimmten Medikamenten behandelt worden sind. Pferde seien nicht stärker zum Beispiel mit Antibiotika belastet als etwa Rinder oder Schweine. «Generell besteht keine Gesundheitsgefahr.»

In Großbritannien und anderen Ländern wurden Lasagne-Fertigprodukte entdeckt, die neben dem auf der Packung angegebenen Rindfleisch auch Pferdefleisch enthielten - ohne dass es als solches ausgewiesen war. Das Fleisch soll ursprünglich aus Rumänien stammen. Dass auch in Deutschland derartige Ware auftauchen könnte, ist Fischer zufolge nicht auszuschließen, weil die betroffenen Handelsketten europaweit agieren. Allerdings seien hierzulande bislang keine entsprechenden Produkte gefunden worden.

Grundsätzlich sei es bei Fertigprodukten sehr schwer zu sagen, woher die Rohstoffe stammen. Sie könnten im Prinzip von überall herkommen. «Bei verarbeiteten Lebensmitteln muss die Herkunft auch nicht angegeben werden, deswegen ist es sehr schwer nachvollziehbar», erläutert die Verbraucherschützerin. Auch in Deutschland dürfe Pferdefleisch verarbeitet und verkauft werden. «Es muss natürlich deklariert werden als Pferdefleisch, und wenn es in Fertiggerichten eingesetzt wird, muss es dann auch deutlich auf der Zutatenliste erkennbar sein als Pferdefleisch.» dpa

Verband: Legales Pferdefleisch kann nicht billig sein

Legal gehandeltes Pferdefleisch kann nach Expertenmeinung nicht viel billiger sein als Rindfleisch. Allerdings spielt das Produkt auf dem Markt eine so geringe Rolle, dass selbst Branchenkenner bei der Frage nach dem genauen Preis für Pferdefleisch passen. Dem Deutschen Fleischer-Verband (DFV) etwa liegen keine bundesweiten Zahlen dazu vor. «Der deutsche Markt ist verschwindend klein», begründete DFV-Sprecher Jentzsch in Frankfurt.

Mit Blick auf den Pferdefleisch-Skandal sagte Jentzsch aber: «Wir können uns nicht vorstellen, dass Pferdefleisch zu einem Bruchteil des Preises für Rind legal gehandelt wird.» Die wenigen Liebhaber des Produktes achteten auf Qualität. «Pferdefleisch wird dabei als hochwertiges Lebensmittel angesehen und wird nicht verramscht.»

Marktanalyst Tim Koch von der Agrarmarkt Informations-Gesellschaft (AMI) in Bonn erklärte, pauschal könne man nicht sagen, dass in Deutschland Pferd günstiger als Rind sei. Auch Koch verfügte jedoch über keine Preisstatistik. Nach Zahlen der Gesellschaft liegt der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Pferdefleisch in Deutschland bei unter 100 Gramm.

Bei Frank Plaumann, Inhaber der Rossschlächterei Plaumann in Prenzlau (Brandenburg), kostet nach eigenen Angaben ein Filet rund 19 Euro pro Kilo. Ein Kilo Rouladen gibt es für 9,20 und Gulasch für 6,20 Euro. Die Preise seien mit denen für Rind ungefähr vergleichbar. Es gebe aber durchaus regionale Unterschiede.

Gourmetkoch Krüger: Pferdefleisch ist besser als Rind

Steffen Krüger betreibt das Gourmetrestaurant Bollwerk 4 in Eisenhüttenstadt. Der Restaurantführer Gault Millau gibt ihm 13 von 20 Kochmützen und spricht von «sehr guter Küche, die mehr als das Alltägliche bietet». Auf der Karte steht Roulade vom Pferd. Für Liebhaber gibt es auch «Frisch plattiertes Carpaccio vom Pferd mit gehobeltem Grana Padano, Vinaigrette und zartem Salat». Krüger hält Pferdefleisch für besser als Rindfleisch.

Verstehen Sie die Aufregung um verstecktes Pferdefleisch in Lebensmitteln?

Steffen Krüger: «Unser Pferdefleisch kommt aus Niedersachsen und ist teurer als Rindfleisch. Daher ist die ganze Geschichte für mich eigentlich unverständlich. Es kann sich nur um Fleisch handeln, das nicht zum Verzehr geeignet ist und nicht mehr verkauft werden sollte. Gammelfleisch landet eben oft in Fertiggerichten.»

Gibt es bei Ihnen im Restaurant nicht manchmal Beschwerden, auch wenn es sich um Qualitätsfleisch handelt?

Krüger: «Bei uns ist das im wahrsten Sinn des Wortes ein Zugpferd. Gerade das Carpaccio vom Pferdefilet. Das ist echt toll. In Italien ist das weit verbreitet. Natürlich gibt es auch Menschen, die das nicht essen. Bei uns im Restaurant gibt es aber höchstens mal unterschwelligen Protest von Mädchen, die 14, 15 alt sind und ein Pferd haben. Dabei sind das genau die Lieferanten: Wenn die später einen Freund haben, wird das Pferd verkauft und landet beim Metzger.»

Wie stellt sich Pferdfleisch aus Sicht des Kochs dar?

Krüger: «Pferd schmeckt kräftiger und intensiver als Rind. Es hat viel weniger Fett und sehr gesunde Nährstoffe. Im Normalfall ist es auch nicht mit Zusätzen belastet und daher sehr gesund. Abgesehen natürlich von Fleisch von Tieren, die gedopt wurden. Das hat im Handel nichts zu suchen.» dpa

Pferd ist reiner als Schwein

Der Brandenburger Rossschlächtermeister Frank Plaumann teilt die Menschen in zwei Kategorien: Die einen sind eingeschworene Fans von Pferdefleisch und lassen nichts darauf kommen. Die anderen verziehen vor Ekel das Gesicht: Undenkbar, den treuen Freund auf den Teller zu bringen. Der Skandal wegen nicht deklarierten Pferdefleischs in der Lasagne lässt Plaumann nicht kalt, bringt er doch sein Handwerk in Misskredit.

«Pferdefleisch ist das beste Fleisch», betont der Fleischer aus dem brandenburgischen Prenzlau. Seine Kunden seien ihm seit Jahrzehnten treu. «Wichtig ist, zu wissen, woher das Tier kommt», sagt er und betont vehement: «Ohne Pass läuft gar nichts.» Gemeint ist der sogenannte Equidenpass, der in der Europäischen Union für Pferde, Esel, Zebras und deren Kreuzungen gilt. Jeder Halter muss ihn vorweisen. Er hält fest, welche Medikamente und Impfungen das Tier erhalten hat.

So archaisch wie sein Gewerbe heute noch ablaufe - es werde hart um den Preis verhandelt, ein Geschäft per Handschlag besiegelt und das Geld bar auf den Tisch gelegt - in puncto Pass gebe es keine Diskussion. «Darauf müssen wir und unsere Kunden vertrauen», betont Plaumann. Jedes Tier, das er kauft, nimmt er selbst in Augenschein. Zum Schlachter kommen die, die nicht mehr für die Zucht geeignet sind oder Leistung schuldig bleiben. Was nicht als Schlachttier ausgewiesen ist, landet in der Tierkörperbeseitigung.

Eine Sicherheitsschranke bietet aus Plaumanns Sicht die gesetzlich vorgeschriebene Untersuchung des noch lebenden Tieres durch den Amtstierarzt. Erst dann darf das Bolzenschussgerät in Aktion treten. «Das Tier kommt in den Pferdehimmel», meint Plaumann. Ihm ist wichtig, dem Pferd Respekt zu zollen.

Plaumann führt seinen Betrieb in dritter Generation, er hat zehn Mitarbeiter. Etwa 20 bis 30 Sorten Wurst sind im Angebot: von Käsekrainer über Pfeffersalami bis zu Bierschinken. Dazu Fleisch zum Kochen, Braten oder Grillen. Der Großvater eröffnete 1946 die Schlächterei. Beim Vater standen zu DDR-Zeiten Stunden bevor der Laden öffnete 40 bis 50 Kunden auf der Straße Schlange. 25 bis 30 Pferde wurden im Monat geschlachtet, etwa genauso viele sind es wenn es gut läuft auch heute noch. Neben dem Laden mit Imbiss gibt es noch drei Stände.

Annamaria Koch kauft am Freitag im Laden ein. Seit 40 Jahren ist sie Kundin bei Plaumanns. «Wenn ich nach Bayern zum Sohn fahre, nehme ich immer Rouladen mit», sagt sie. Plaumann verkauft seine Ware seit einiger Zeit auch über das Internet. Etwa 300 Stammkunden aus ganz Deutschland ordern hier ihre Leckerbissen.

«Genier dich nicht, tritt ruhig ein, das Pferd ist reiner als das Schwein», ist fast die einzige Werbung zu der sich der 50-Jährige im Laden hinreißen lässt. Missionieren ist nicht sein Ding, dem zaudernden Besucher wird kein Teller mit Wurstbroten vor die Nase gestellt oder ungefragt eine Kostprobe angeboten. Dass er selbst regelmäßig Pferdefleisch isst, soll als Empfehlung reichen. Einzige Ausnahme: Geht ein eigenes Tier zur Schlachtbank, ist Trauer in der Familie angesagt. «Dann gibt es drei Tage Kaninchen.» dpa