Reise zum Wintersport nach Andalusien

Von Manuel Meyer

Als Jonas Dau oben auf dem Berg aus dem Skilift springt, dreht er sich erst mal staunend um die eigene Achse. «Unglaublich dieser Ausblick», sagt der 25-jährige Student aus Oldenburg und zeigt auf die Meerenge von Gibraltar. Deutlich ist der Küstenort Motril an der Costa Tropical zu erkennen. Die Sonne lässt das Meer wie einen silbernen Teppich glitzern. Sogar einzelne Schiffe sind aus knapp 3300 Metern Höhe zu erkennen. Auf der anderen Seite der Straße von Gibraltar erhebt sich das marokkanische Rif-Gebirge. «Skifahren in Europa mit Blick auf Afrika. Das bekommt man sonst nirgendwo geboten», sagt Jonas.

Hier an der höchsten Stelle des Skigebiets Sierra Nevada ist die Aussicht so eindrucksvoll, dass kaum ein Skifahrer gleich wieder die Piste hinunterfahren möchte. Einige speichern den Panoramablick im Gedächtnis. Andere zücken ihre Kameras. Die Sierra Nevada ist nicht nur Europas südlichstes, sondern auch sein höchstes Skigebiet. Bis zum 3396 Meter hohen Veleta-Gipfel sind es vom «Laguna»-Lift nur noch knapp 100 Meter Höhenunterschied. Auch der 3481 Meter hohe Mulhacén scheint zum Greifen nah. Jonas dreht sich gen Osten, wo am Fuße der Sierra Nevada gut die Maurenstadt Granada mit der weltberühmten Alhambra zu erkennen ist.

Nur der kalte Wind treibt ihn dazu, sein Snowboard wieder festzuschnallen und die «Cartujo»-Piste hinabzugleiten. Die Piste gehört zu den schönsten Abfahrten im Tal Laguna de las Yeguas, dem höchsten und unberührtesten Teil des Skigebiets. Nur zwei Lifte durchschneiden die weiße Schneelandschaft, in der über ein Dutzend Abfahrten liegen. Da es sich bei allen allerdings um rote und schwarze, also um schwierige Abfahrten handelt, ist der Andrang niemals besonders groß. Weiter unten laden die Gebiete Loma de Dílar, Parador, Río und Montebajo mit leichteren, kilometerlangen Abfahrtspisten ein. Langläufer finden dort auch Loipen.

Von hier gibt es eine Verbindung zur Bergstation «Borreguiles», wo auf 2600 Metern die beiden Großkabinenbahnen enden. Sie bringen Skifahrer aus dem 500 Meter tiefer liegenden Skiressort in Pradollano hoch. In «Borreguiles» bräunen sich Urlauber auf den Sonnenterrassen mehrerer Restaurants, daneben üben Anfänger und Kinder auf den leichteren Pisten ihre Schwünge. Könner toben sich auf speziellen Pisten für Slalom und Sprünge aus.

Insgesamt 115 Pisten zählt die Sierra Nevada. Eine der spektakulärsten Abfahrten ist die «Panorámica», die vom Veleta-Gipfel hinabführt und - wie ihr Name sagt - herrliche Panoramablicke auf das gesamte Skigebiet erlaubt.

Mit schneidigen Schwüngen fahren Julián und Laura die steile Piste hinunter. Das spanische Paar aus Toledo kommt schon seit Jahren regelmäßig zum Skifahren hierher. «Die Sierra Nevada ist einzigartig. Hier kann man morgens klasse Ski fahren und nachmittags am Strand liegen, in Granada die Alhambra besuchen oder Tapas essen», sagt Laura. In nur einer Stunde ist man mit dem Auto an der Küste, Granada erreicht man sogar in einer halben Stunde.

Doch die meisten Gäste genießen im Skiressort das Nachtleben «à la española», das im Unterschied zum Après-Ski in den Alpen erst ab 22.00 Uhr beginnt. Spanische Nächte starten spät und dauern lange. Der Vorteil: Wer früher ins Bett geht, hat die Pisten morgens fast für sich alleine.

Er schätze die abwechslungsreichen Pisten in der Sierra Nevada, sagt Julián - und dass fast immer die Sonne scheint. Die Statistik gibt ihm Recht: Hier erlebt man mehr Sonntage als in jedem anderen Skigebiet Europas. Nicht umsonst wurde das Skigebiet anfangs auf den Namen «Sol y Nieve» getauft, Sonne und Schnee.

«Durch den enormen Höhenunterschied von mehr als 1500 Metern findet man auf den Pisten recht unterschiedliche Schneeverhältnisse vor, was das Skifahren unheimlich abwechslungsreich macht», sagt Antonio Morillas, Pistenchef der Skistation Sierra Nevada.

Slalom und Ski-Cross Fans haben ihre eigenen Pisten. Auch Langläufer finden diverse, allerdings recht kurze Strecken, und sogar für Behinderte gibt es spezielle Strecken und Kurse. Unterhalb des Pico de Veleta starten von einer Satellitenantenne aus mehrere mittelschwere Routen. Gute Kondition erfordert hingegen die traumhaft schöne Águila-Abfahrt, die auf fast sechs Kilometern hinab nach Pradollano führt.

Pradollano selbst gehört nicht zu den schönsten Skiorten Spaniens. Bausünden wie an der Costa del Sol bleiben dem Urlauberauge aber erspart. Denn das Dorf liegt am Rande der Bergregion, die 1999 von der UNESCO zum Biosphärenreservat ernannt wurde. Europas größte Tiefgarage schluckt bereits am Ortseingang den gesamten Verkehr. So ist Pradollano angenehm autofrei.

Wer allerdings Serrano-Schinken, Chorizo - die scharfe spanische Paprikawurst - und einen guten Rotwein mit einem besonderen Ausblick genießen möchte, sollte am Abend mit der Schneeraupe auf den Veleta-Gipfel fahren. Pünktlich zum Sonnenuntergang erreicht die Schneeraupe die höchste Skipiste Europas. Weit reicht der Blick über die Berge und hinab aufs Skigebiet, das in rot-gelben Tönen erstrahlt.

Auch Jonas Dau wollte den Sonnenuntergang nicht verpassen. Kein einziger Skifahrer ist mehr auf den Pisten. In Stille genießt Jonas den Blick ins Tal, bis weit unten nach und nach die Lichter der Städte angehen. Zuerst Granada, dann Motril, und ganz zum Schluss ist in weiter Ferne sogar Málaga zu sehen. dpa

Wintersport in der Sierra Nevada

ANREISE: Mit dem Charter- oder Linienflug bis nach Málaga. Von hier aus mit dem Mietwagen oder Bus bis ins rund zwei Stunden entfernte Granada. Von Granada gibt es täglich Busse bis zum Skiressort in Pradollano.

WINTERSPORT: Die Skisaison dauert von Anfang Dezember bis Ende April. Der Tagesskipass kostet rund 40 Euro.

INFORMATIONEN: Skistation-Betreiber Cetursa, Plaza de Andalucia, Edificio 4, 18196 Sierra Nevada - Monachil (Tel.: 0034 902/70 80 90, sierranevada.es). Spanisches Fremdenverkehrsamt, Myliusstraße 14, 60232 Frankfurt (Tel.: 069/72 50 38, spain.info).