Renaissance der Quitte

Die Quitte galt lange als problematische Frucht. Um an ihr köstliches Aroma zu gelangen, muss man das gelbe Kernobst einkochen, das Fruchtfleisch zu Gelee verarbeiten oder gleich Wein daraus keltern. Marius Wittur aus dem unterfränkischen Eisenheim kennt die Problematik. «Die Quitte ist eine Verarbeitungsfrucht», sagt der Baumpfleger. Eben schnell mal in eine Quitte beißen wie in einen Apfel, sei nur bei wenigen Sorten möglich.

Kaum verwunderlich also, dass die Quitte vor Jahrzehnten aus dem Bewusstsein der Deutschen verschwand - und mit ihr die alten Bäume und exotischen Sorten. «Eine Katastrophe», sagt der 37-Jährige. Am Ende kannte der Volksmund nur noch Apfel- und Birnenquitte. Die Bezeichnungen sind für Wittur ein Frevel, da sie die Quitte nur nach ihrer Form und nicht nach ihren Sorten einteilen.

Der Baumpfleger aus dem kleinen Dorf nordöstlich von Würzburg will die Quitte mitsamt ihren weltweit 400 Sorten zurück in deutsche Gärten bringen. Wittur hat deshalb die nach eigenen Angaben bundesweit einzige Quitteninitiative gegründet: das Fränkische Rekultivierungsprojekt alter Quittensorten.

Mit 4000 Jahren Geschichte ist die Quitte eine der ältesten Früchte unserer Kultur. Bei den Griechen stand das goldgelbe Obst für Glück, Liebe und Fruchtbarkeit. «Ihre Urheimat liegt im südlichen Kaukasus», erzählt Monika Schirmer, Autorin des Buches «Die Quitte - eine fast vergessene Obstart». Von dort gelangte der Venusapfel, wie die Quitte in der Antike auch genannt wurde, nach Westen. Heute ist sie auf allen Kontinenten der Erde verbreitet. Auch heilende Kräfte werden der Frucht zugeschrieben, sagt Schirmer.

Für Marius Wittur begann alles mit einem Quittenbaum 1999 in Würzburg. Das Gehölz und die goldgelben Früchte begeisterten den damals erst 26-Jährigen so sehr, dass Wittur beschloss, etwas zu unternehmen. Zusammen mit seiner Lebensgefährtin zog er 2003 dorthin, wo er hinter verfallenen Scheunen und in zugewachsenen Hausgärten noch alte Quittenbäume vermutete: nach Eisenheim an den Main. Dort wurden Quittenbäume früher zur Umzäunung von Weinbergen angepflanzt.

Er pachtete Wiesen und Felder, schnitt die vernachlässigten Gehölze frei und verpasste den alten Bäumen eine Verjüngungskur: «Aus den Stecklingen ziehen wir neue Stämme», erklärt Wittur. 5000 Stück hat der Baumpfleger 2010 veredelt, um sie an Obstliebhaber oder Bauern zu verkaufen. Das waren 1500 mehr als im Jahr davor.

Zugleich kämpft Wittur an der Privatverbraucherfront. «Man braucht ein Produkt, das die Menschen begeistert.» Der 37-Jährige entschied sich für Quittenwein und Quittensecco. 17 000 Flaschen füllt er in seinem Betrieb mittlerweile pro Jahr ab. Zusammen mit seiner Baumschule kann Wittur das Rekultivierungsprojekt alter Quittensorten inzwischen gut finanzieren. Einige Flaschen verkaufte er bereits nach Neuseeland und Australien.

Mit seinem Projekt hat der Experte mittlerweile 20 Quittensorten zusammengetragen. Vor einem Jahrzehnt gab es deutschlandweit nur zwei Sorten, die in Baumschulen zu finden waren. Die neue Vielfalt ist von großer Bedeutung. «Mit mehr Sorten ist auch das genetische Spektrum breiter», erklärt Martin Degenbeck von der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau in Veitshöchheim (Landkreis Würzburg). Schädlinge könnten nicht mehr so viel anrichten. Außerdem wachse die Geschmacksvielfalt mit der Anzahl der Sorten.

In Spanien und Portugal, wo die Quitte schon immer hoch im Kurs stand, kochen Spitzenrestaurants regelmäßig mit der goldgelben Frucht. In Deutschland hat die Quitte längst noch nicht diese Bedeutung. Aber das Interesse wächst. Fast täglich klingeln Quittenfreunde an Witturs Tür oder wählen seine Nummer. Vor drei Jahren hat der Obstbauer deshalb im nahen Volkach-Astheim (Landkreis Kitzingen) einen vier Kilometer langen Quittenlehrpfad angelegt. (Hannes Vollmuth, dpa)