Ein wenig mutet der ehemalige Innenhof mit seinen üppigen Pflanzen und der imposanten Glaskuppel wie ein Jahrhundertwende-Gewächshaus im Jardin des Plantes an, die Samtbänke und der Schachbrettboden erinnern an die großzügigen Brasserien in Paris. Der Abend im ROOT Restaurant beginnt gut: Wie nach Hause kommen fühlt es sich an, wenn Gastro-Urgestein Matthias Martens (The Grand, Filetstück) uns gewohnt herzlich mit einem Glas Sekt von Strauch empfängt. Vor zweieinhalb Jahren, als das Restaurant unter dem Patronat von Roland Mary eröffnet hatte, wollten alle hin, aber kaum einer hatte nicht mindestens einen Drink aufs Haus für die Pannen des chaotischen Services bekommen. Nun ist Berlins Trendgastronom ausgeschieden und die erste Mission des neuen gastronomischen Leiters besteht darin, den Service zu optimieren. Leicht wird das nicht, weil es hier lange an Führung fehlte, aber mit 25 Jahren Erfahrung in der gehobenen Gastronomie und zahlreichen Neueröffnungen dürfte das für ihn kein Problem sein.
Leichte Vorspeisen mit Twist
Das Restaurant ist an diesem Donnerstag Abend nur etwa halb gefüllt. Wir nehmen an einem schönen Ecktisch Platz und wählen als Vorspeise Tomatentartar mit gesüßtem Shitake Soja, Basilikumblüten und hausgemachtem Ricotta, der Süße, Umami und Cremigkeit geschmacklich anregend vereint. Auch beim lauwarmen Sesamsalat mit Wintertrüffel und Avocado offenbart sich die Kunst vom alten und neuen Küchenchefs Steve Großmann, bekannten Gerichten eine innovative Note zu verleihen. Der empfohlene Chablis Premier Cru von der Domaine de Vauroux passt mit seiner schönen Frucht und leicht salzigen Meeresnoten perfekt dazu. Nicht so richtig erschließt sich hingegen die Hummer Poutine, bei der das zarte Aroma des armen Krustentiers unter mit Käse überbackenen Pommes Frites begraben wird. Dill und Dillöl stehen wie hilflose Statisten daneben, und aus mir wird in diesem Leben wohl kein Gravy- und Poutine-Fan mehr.
Signature-Sushi von Ryota Terashima
Wir wissen, dass wir auf jeden Fall die kleinen Kunstwerke von Sushi-Meister Ryota Terashima (ebenfalls von Anfang an dabei) probieren müssen. Japanisch puritisch oder die Berlin-Variante? Matthias rät uns zu letzterer, weil innovativerer Auswahl mit einigen der ROOT Signature-Sushi. Die Qualität des Fisches, allem voran des Label Rouge Lachses, ist ein Gedicht, die Nigiri perfekt. Schwerer im Magen liegen Rolls wie die Spicy Lachs Tempura mit Spicy Mayo oder die Crunchy Signature mit Shrimp, Parmesan und Panko, von der jedes Stück wie eine eigene Mahlzeit schmeckt. Der Château Martin aus dem Haut-Médoc setzt besser als ein Weißwein genau den kräftigen Kontrapunkt, den die kleinen Atombomben brauchen.
Japanische Geschmacksreise
Dazu reicht die Küche nicht etwa das übliche, vor allem aus grün gefärbter Meerettich-Senf-Paste bestehende Wasabi-Surrogat, sondern Kisami, bei dem die reine Wurzel nur leicht mit Senf verfeinert wird. Spannend auch die Deko, von der wir uns jedes einzelne Blatt auf der Zunge zergehen lassen: Die Geschmacksreise geht von aromatischen japanischen Basilikumblüten bis zu hübsch gefächtertem Sansho, einem japanischen Bergpfeffer, der beim Zerreiben einen atemberaubenden Duft nach Zitronen versprüht.
Unterhaltsamer Abschluss
Das Dessert offenbart ein interessantes Konsistenzenspiel - uns wird nicht langweilig: Kokosnuss in drei Varianten, als Ganache, Sorbet und Crumble, dazu ein Mango Curry Curd. Ein wahres Fest für alle, die wie ich gerade aus Südostasien zurückkommen und sich wochenlang von frischen Kokosnüssen und Mangos ernährt haben. Die dazu gereichte „No Colada“ von Barchef Benny Auer kommt nicht etwa ohne Alkohol, sondern tanzt mit der prickelnden Süße aus Batida und Champagner auf der Zunge. Ein angenehmer, ausgesprochen unterhaltsamer Abschluss.
Dass der nette Kellner beim Wein schon mal Trauben und Regionen durcheinander wirft, tut unserem Abend keinen Abbruch: Das wird schon, wir fühlen uns wohl und das Ambiente ist wie gemacht für einen ausgelassenen Abend mit Freund:innen. Am besten mit viel Hunger kommen, die Sushi-Platten sind abendfüllend. Oder sie wandern wie bei uns ins Doggie Bag - das nächste Frühstück kommt bestimmt.
Futterneid & Tafelsilber - DIE Genuss-Kolumne von Gesa Noormann