Von Jürgen Ruf
Gerhard Stratthaus hat sich noch einmal in die Pflicht nehmen lassen. Baden-Württembergs früherer Finanzminister sitzt im Chefsessel der landeseigenen Brauerei Rothaus. Vor seinem Fenster, auf dem Hof der Brauerei in Grafenhausen im Hochschwarzwald, starten die Bierlaster. Direkt daneben, im Sudhaus, wird gebraut. «Es ist eine Aufgabe auf Zeit», sagt der 70 Jahre alte Ex-Minister. Er vertritt bei Rothaus den schwer erkrankten Alleinvorstand Thomas Schäuble. Wie lange, ist unklar.
Der 64 Jahre alte Schäuble, der die Badische Staatsbrauerei seit 2004 führt und dessen Vertrag noch bis 2014 läuft, hat Anfang Juli einen Herzinfarkt erlitten. Er kämpft mit dessen Folgen, liegt im Koma. Ob er wieder gesund wird und zurückkehren kann, ist ungewiss. Um der Brauerei in dieser Situation Führung zu geben, hat sich die grün-rote Landesregierung auf den CDU-Politiker Stratthaus als Interimschef geeinigt. Seit wenigen Tagen ist er im Amt, zusätzlich zu seiner Aufgabe als Landtagsabgeordneter.
«Ich mache das für Rothaus, weil mir dieses Unternehmen am Herzen liegt», sagt Stratthaus. Der bekennende Weinliebhaber aus Schwetzingen hat eine enge Verbindung zu der Brauerei im Hochschwarzwald: Seit 16 Jahren sitzt er im Aufsichtsrat, 13 Jahre lang war er dessen Vorsitzender. Nach dem Regierungswechsel im vergangenen Jahr gab er den Vorsitz an Agrarminister Alexander Bonde (Grüne) ab. Dieser hat Stratthaus nun zum Brauereidirektor gemacht. Für ihn ist es der Weg zurück ins Tagesgeschäft. Vor vier Jahren war er als Finanzminister vom damaligen Regierungschef Günther Oettinger (CDU) in Rente geschickt worden.
«Ich habe mich darauf eingerichtet, bis Ende des Jahres hier in Rothaus zu bleiben. Es kann auch zwei oder drei Monate mehr werden», sagt Stratthaus im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. «Wichtig ist, dass es jemanden gibt, der Erfahrung hat und der mit dem Unternehmen vertraut ist.» Seine Aufgabe sei es, Rothaus gemeinsam mit den 230 Mitarbeitern auf Kurs zu halten. Maximal im Einsatz sein als vorläufiger Alleinchef kann er bis zum nächsten September. Ein längeres Engagement verbietet das Aktiengesetz.
Wie die gesamte Branche kämpft die Staatsbrauerei gegen den seit Jahren sinkenden Bierkonsum sowie mit einem zunehmenden Preis- und Konkurrenzkampf. «Dieser Trend bestimmt auch das aktuelle Geschäftsjahr», sagt Stratthaus. Doch trotz eines Rückgangs bei Absatz und Umsatz: «Wir stehen besser da als der Rest der Branche.» Die Brauerei mache hohe Gewinne, das Land als alleiniger Eigentümer könne auch weiterhin mit einer stabilen Dividende rechnen. Diese beläuft sich auf 17 Millionen Euro pro Jahr. Hinzu kommen mehr als 10 Millionen Euro, die Rothaus als Steuern überweise.
Zusätzlich zum Absatzrückgang gibt es politische Diskussionen. Der Bund der Steuerzahler sowie gelegentlich auch die FDP fordern, dass das Land seine Brauerei verkauft. «Marktwirtschaftlich und politisch ist das Unsinn», sagt Stratthaus. Rothaus diene dem Land als sichere Geldquelle, mit einem Verkauf würde sie unwiderruflich versiegen. Zudem drohe bei einer Privatisierung der Verlust der Arbeitsplätze. «Würde Rothaus Teil eines Konzerns, würde der neue Eigentümer die gut gehende Marke kaufen. Den Betrieb und damit auch die Arbeitsplätze würde er aus dieser strukturschwachen und aus Sicht der Logistiker nur schwer erreichbaren Region abziehen.»
Wichtig für Stratthaus: «Rothaus muss am Markt komplett eigenständig agieren und frei bleiben von politischen oder gar parteipolitischen Einflüssen». Dies gelte auch für die mögliche Suche nach einem Schäuble-Nachfolger. «Die Parteien sollten der Versuchung widerstehen, den Chefsessel bei Rothaus als Versorgungsposten zu betrachten.» Gefragt seien Managerqualitäten und Führungserfahrung.
Für Stratthaus, der seit 20 Jahren im Landtag sitzt, ist die neue Tätigkeit eine Umstellung. Knapp zehn Jahre war er Finanzminister, nach seinem Abgang leitete er den Bankenrettungsfonds Soffin. Im vergangenen Jahr scheiterte er mit dem Versuch, Landtagspräsident zu werden. In der CDU-Fraktion fand er keine Mehrheit.
«Als Finanzminister habe ich Millionen bewegt, bei Soffin Milliarden. Hier bei Rothaus sind es Hektoliter», sagt er. Wichtig sei, dass die Finanzen stimmen. Für sie habe er die Verantwortung. «Ich muss nicht im Detail wissen, wie Bier gebraut wird», sagt er: «Aber ich muss rechnen können und Entscheidungen treffen.» Daran habe er große Freude, als Politiker ebenso wie als Brauereidirektor. dpa