Russen im Kaufrausch

Von Christiane Raatz und Ulf Mauder

Iwan, Kostja und Sascha haben seit Monaten gespart und in Moskau zuletzt kaum noch Geld für Klamotten ausgegeben. Nun stürmen sie die Altmarktgalerie in Dresden. Winterstiefel und dicke Jacken gegen den harten Frost in Russland, eine neue Armbanduhr und ein Iphone sind rasch gekauft. «In Moskau hätte ich für das alles gut das Doppelte bezahlt und bekomme hier über Tax Free noch die Mehrwertsteuer zurück», sagt der 27 Jahre alte Bankkaufmann Iwan, der mit seiner Freundesclique tütenweise die Einkäufe nach Hause trägt.

Die Drei haben Tausende Euro in Deutschland gelassen - und sich dabei neben der Semperoper und anderen Sehenswürdigkeiten der sächsischen Landeshauptstadt auch noch Berlin und Leipzig angeschaut. Wie hier in Dresden, wo einst Kremlchef Wladimir Putin einst für den KGB spionierte, gibt es inzwischen in vielen Großstädten zwischen München und Hamburg regelrechte Invasionen kaufkräftiger Russen, die besonders auch wegen des Schlussverkaufs im Januar nach Deutschland reisen.

Der Einzelhandel profitiert von ausländischen Touristen. «Viele Händler stellen sich mit ihrem Personal mittlerweile auf russische oder arabische Kunden ein», sagte ein Sprecher des Deutschen Handelsverbandes. Dem Finanzdienstleister Global Blue zufolge ließen russische Touristen in den ersten neun Monaten 2012 rund 251 Millionen Euro in den deutschen Geschäften - ein Plus von 46 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

In Dresden stieg der Umsatz mit russischen Touristen im gleichen Zeitraum um 99 Prozent - damit ist die sächsische Landeshauptstadt Deutschlands Spitzenreiter. Auf dem Dresdner Flughafen landen bis zum 12. Januar 16 Sondermaschinen aus Moskau - die Flüge werden zusätzlich zu den sechs wöchentlichen Linien-Verbindungen angeboten. Aber es gibt kaum noch eine deutsche Großstadt, in der nicht Russisch zu hören ist.

Im Berliner Nobelkaufhaus Galeries Lafayette parlieren Verkäufer nicht mehr nur Französisch, sondern sprechen auch makellos Russisch. Die Sprache, die etwa auch in der Kurstadt Baden-Baden viel in Geschäften gesprochen wird, gehört in vielen deutschen Läden längst zum Garanten für satte Umsätze. Vor allem die Schuhverkäufer in der Herrenabteilung sind stark gefragt.

«In Moskau sind solche Schuhe mit diesem weichen Leder nicht unter 300 Euro zu haben», sagt der Tourist Alexander und schaukelt das 140 Euro teure Paar (ohne Rabatt) in den Händen. Russische Kunden stehen im Ruf, dass ihnen das Geld besonders locker im Portemonnaie sitzt. Bei Galeries Lafayette bekommt er während der russischen Festtage bis zum 17. Januar noch ein Glas Champagner.

«Die Russen sind die bei uns am stärksten wachsende Touristengruppe», sagt Katharina Dreger, Sprecherin der Marketinggesellschaft Visit Berlin. 131 600 Russen seien zwischen Januar und Oktober 2012 nach Berlin gereist. Das seien 30,8 Prozent mehr als im Vorjahr. Während ein Durchschnittsbesucher pro Tag 196,70 Euro in Berlin ausgebe, lasse der russische Tourist für einen einzelnen Einkauf durchschnittlich 411 Euro springen.

«Unsere Touristen haben in den europäischen Geschäften 24 Milliarden Dollar gelassen», schreibt die russische Boulevardzeitung «Komsomolskaja Prawda» am Donnerstag. «Damit unterscheiden wir uns deutlich vom typischen europäischen Touristen, die sich kaum dem Shopping so hingeben.» Und auch die Politik will das Reisen für Russen nun noch einfacher machen.

Etwa 380 000 Visa haben die deutschen Konsulate in Russland 2012 ausgestellt, wie Botschafter Ulrich Brandenburg am Donnerstag in Moskau sagt. Das sei ein Plus von zehn Prozent im Vergleich zu 2011. Auch für dieses Jahr erwarte er einen ähnlichen Anstieg. «Der Reiseverkehr nimmt deutlich zu», meint Brandenburg. Deshalb eröffne Deutschland nun private Visazentren in Moskau, Jekaterinburg und Nowosibirsk sowie in Krasnodar, Nischni Nowgorod, Kasan und Saratow. dpa