Shoppen auf der Art Cologne

«Das hier ist das Beste!», sagt der schlanke New Yorker Galerist und zeigt einem älteren Ehepaar ein Bild, auf dem nackte Frauen mit gezückten Messern um einen gefesselten nackten Mann herumstehen. «Der Mann ist an einen Marterpfahl gebunden, und die Frauen befriedigen sich selbst!» Erwartungsvoll blickt er die potenziellen Kunden an. «Also...», stammelt die Frau, «das ist nicht unbedingt das, was...» Der Satz bleibt unvollendet. Schnell stecken die beiden noch eine Visitenkarte ein und ziehen weiter.

Das ist der Unterschied zwischen einem Museum und einer Messe für zeitgenössische Kunst: Was man in der Ausstellung ganz interessant finden mag, will man sich noch lange nicht über den Esstisch hängen. Es ist nicht leicht, etwas Passendes zu finden. Und so machen die meisten Besucher am Dienstag bei der Vorbesichtigung der Art Cologne - der größten deutschen Kunstmesse - in den Kölner Messehallen angestrengte bis leidende Gesichter.

Es ist nicht so, dass die Leute, die hier herumschlendern, Probleme mit den Preisen haben. Nein, wirklich nicht. Als Art-Cologne-Direktor Daniel Hug (43) bei einem Rundgang mit einer Besuchergruppe an einem Stand einfach mal nach den Preisen fragt - nur so, um mal einen Eindruck zu bekommen - und der Galerist daraufhin sagt, man fange schon bei 7000 Euro an, da wird sofort gegluckst und gewitzelt. Woraufhin der Galerist rasch hinzufügt, das rote dahinten, das koste glatt eine Million.

Man könnte natürlich einfach einen Richter nehmen, einen Baselitz, einen Polke. Aber gut, das kann jeder. Die Leistung besteht darin, auf den richtigen Nachwuchskünstler zu setzen, bei dem noch eine spektakuläre Wertsteigerung drin ist. Das ist wie mit Beteiligungen an den richtigen Internetunternehmen.

Schon eine halbe Stunde nach Öffnung der Messe ist das Restaurant gut gefüllt. Die Tischdeko ist so stylish, dass sie ebenfalls ein Kunstwerk sein könnte. Und wer weiß, vielleicht ist sie es. Seit Andy Warhol weiß man, dass ein etablierter Künstler jederzeit einen beliebigen Alltagsgegenstand zum Kunstwerk erklären kann, wenn er nur eine passende Erklärung parat hat.

Der ehemalige Vorstandsvorsitzende eines Dax-Unternehmens schaut müde. «Wo lang?», fragt seine Frau. Er weiß es auch nicht. Am besten ist es, man schließt sich Daniel Hug an. Der weiß zum Beispiel, dass man da vorne nur auf ein unscheinbares Pedal treten muss, und dann beginnen die skelettierten Tierköpfe auf den Installationen von Jean Tinguely, das Maul auf- und zu zu klappen. Kommt immer gut.

Interessant sind auch die Video-Bilder von Henning Lohner & Van Carlson. Sie wirken auf den ersten Blick wie gerahmte Fotografien. Aber wenn man sie etwas länger betrachtet, sieht man, dass sie sich bewegen. Das Schaf auf dem Deich hebt plötzlich den Kopf, das Wasser des Teichs kringelt sich. «Wie teuer sind die Dinger?», fragt ein weißhaariger Herr. «12», sagt die Galeristin von Springer & Winckler. Das heißt 12 000.

Ist doch witzig: Man stelle sich vor, man hat Gäste. Die denken, das ist ein ganz normales Foto, und dann bewegt sich plötzlich das Schaf. Ja, aber «wo kommt denn der Strom her?», fragt die Frau des alten Herrn. Antwort: Loch in die Wand bohren. Ach Gott, «also erst das Haus umbauen?» Auch wieder schwierig.

Da hat es der Herr gut, der sich gerade ein Bockwürstchen gekauft hat. «Ah, ich liebe Würstchen!» sagt er und beißt mit großem Appetit hinein. «Da wo ich arbeite, kann man im ganzen Umkreis weit und breit kein Würstchen essen. Unglaublich!» Und davon mal ganz abgesehen: «Ist doch schön, wenn man sich auf so 'ner Messe auch was gekauft hat.» dpa

Art Cologne, Messeplatz 1, 50679 Köln vom 18. bis 22. April 2012