Stararchitekt Lord Richard Rogers A Place for All People

Von Uli Hesse

Vor einem Monat schloss er den Bau des Three World Trade Centers in Manhattan ab, mit 329 Meter das nun fünfthöchste Gebäude von New York City - fast pünktlich zu seinem 85. Geburtstag am morgigen Montag.

Stararchitekt Lord Richard Rogers | A Place for All People Press Photo wtc.com

Es ist ein typisches Richard Rogers-Gebilde: Ein äußeres Verstrebungssystem aus reflektierendem Glas und Edelstahl hält den Wolkenkratzer zusammen - eine ähnliche Konstruktion wie die Glaspaläste hinter der Tate Modern in London. Dort beschweren sich die Bewohner nun, dass Museumsbesucher in ihre anderthalb Millionen Pfund (1,7 Mio. Euro) teuren Luxuswohnungen schauen können.

Er wurde von der Queen in den Adelstand erhoben, doch geboren wurde Richard Rogers in Florenz: «Ich komme aus einer ziemlich verwöhnten großbürgerlichen Familie», verriet er dem «Guardian». Der Vater war Zahnarzt - «er träumte immer von England» -, die Mutter Kunstliebhaberin. Kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zog die Familie nach London. Ein Abstieg, aber Richard und sein jüngerer Bruder genossen die aufregende Zeit, obwohl er noch nicht einmal die Schule schaffte. «Ich war wirklich rückständig», erklärte Rogers. «Legasthenie wurde damals nicht erkannt, und ich wurde dumm genannt.» Er lernte boxen, um sich dagegen zu wehren.

Wegen seiner Sprachkenntnisse wurde er beim Wehrdienst nach Italien versetzt und arbeitete an seinen freien Tagen im Architekturbüro seines Cousins. Danach überzeugte er die britische Architectural Association, ihn an ihrem Diplomkurs in London teilnehmen zu lassen, obwohl er keinen Schulabschluss hatte. Ab da ging es aufwärts.

In London verliebte er sich in die Architektur-Studentin Su Brumwell, seine zukünftige Frau. Sie studierten mit dem späteren Stararchitekten Norman Foster in Yale und gründeten 1963 mit ihm und dessen Freundin Wendy Cheesman das sogenannte Team 4 - ein Nährboden für die britische High-Tech-Bewegung, zu dessen bekanntesten Vertretern Foster und Rogers gehören. In seinem autobiographischen Buch «A Place For All People» beschrieb er, wie sie ihr Büro zuerst in Wendys Schlafzimmer einrichteten: «Wenn Kunden kamen, wurden Freunde herangezogen, um als Architekten zu posieren, damit Team 4 wie ein größeres Unternehmen aussah.»

Foster und er begriffen sich beide als Modernisten und Funktionalisten und ließen sich von den frühen Industriebauten in Nordengland inspirieren, sowie von den Poesiegebilden aus Eisen, Stahl und Glas von Eisenbahn-Pionier Isambard Kingdom Brunel und Gewächshausarchitekt Joseph Paxton. Gleichzeitig verlangte die damalige Wohnungsnot nach billigen, vorgefertigten Häusern, die aus simplen Elementen zusammengesetzt und entsprechend den Bedürfnissen der Bewohner immer wieder verändert werden konnten.

Nach diesen Kriterien entwarfen Richard und Sue Rogers ein Haus für seine Eltern. Seine Mutter liebte dessen Schönheit und Farbe. Sein Vater dagegen überlegte sich zu klagen. Heute ist es denkmalgeschützt; Rogers stiftete es der Universität Harvard für Design-Stipendiaten.

Damals entwickelte Richard Rogers seinen wiedererkennbaren, aber auch anpassungsfähigen Stil, mit leuchtende Farben und Strukturelementen, die die Gebäude-Infrastruktur nach außen kehren. So auch bei seinem bekanntesten Bauwerk, dem Kulturpalast Centre Pompidou in Paris, das er mit dem Italiener Renzo Piano zusammen entwarf: Das Skelett umhüllt das Gebäude und nutzt die gesamten Versorgungssysteme als künstlerisches Element mit dem Vorteil, dass der Innenraum ohne Unterbrechung maximal ausgenutzt werden kann. Eine radikale Idee, und es dauerte einige Zeit, bis der Bau nicht nur als Designikone, sondern auch von den Parisern akzeptiert wurde.

«Junge Architekten sind unheimlich naiv», erinnerte sich Richard Rogers an die Zeit von 1971-77 im «Guardian». «Ich würde niemals davon träumen, es jetzt zu tun. Wir hatten einen großartigen Kunden, aber die Presse machte uns die Hölle heiß. In sieben Jahren gab es nur zwei positive Artikel. Ich weiß nicht, wie wir bis zum Ende gekommen sind.» Als eine ältere Dame herausfand, dass er einer der Architekten war, schlug sie ihm mit dem Regenschirm auf den Kopf.

Ende der 60er Jahre verliebte Rogers sich in die Kunststudentin Ruth Elias; sie heirateten 1973, während das Centre Pompidou entstand. Aus dieser Ehe stammen zwei Söhne - zusätzlich zu den dreien aus erster Ehe -, von denen einer 2011 verstarb. «Man kann sich vom Tod eines Kindes nicht erholen», schrieb Rogers in «A Place For All People».

Nach seinem weltweiten Durchbruch in den 1970er Jahren entwarf er das Hauptquartier für den Versicherungsmarkt Lloyd's of London nach demselben Prinzip; es folgten so einprägsame Bauwerke wie der Millennium Dome, Terminal 5 des Flughafens Heathrow sowie das Leadenhall Building im Finanzbezirk, von Londonern liebevoll «Cheesegrater» (Käsereibe) genannt. dpa

Service

Richard Rogers, A Place for All People: Life, Architecture and the Fair Society, Canongate Books 2017