Südafrika Gourmet-Destination Kapstadt

Von Kristin Palitza

Wer den Namen Kapstadt hört, denkt vermutlich an traumhafte Strände, Safari, Surfen und Pinguine, Weingüter und natürlich an den legendären Tafelberg. Was bisher wenige wissen: Die Stadt am Südzipfel des afrikanischen Kontinents bietet Esskultur auf Weltniveau - für einen Bruchteil europäischer Fine-Dining-Preise.

Die Kombination aus schwacher Landeswährung und Corona-bedingt gesenkter Preise macht eine kulinarische Reise in die malerische Touristenmetropole in dieser Saison zum Schnäppchen.

Selbst die neue Corona-Variante Omikron, die erst einmal Panik bei Reisenden auslöste, hält offenbar nur wenige deutsche Urlauber von ihren geplanten Reisen ab. Obwohl man nach der Rückreise eine zweiwöchige Quarantäne in Kauf nehmen muss, lockt ein sommerliches Südafrika mit langen, warmen Tagen und derzeit noch niedrigen Inzidenzen.  

Inspiriert von einem einzigartigen Mix Dutzender (Essens-)Kulturen, dem sonnigen Klima und Weinen von Weltklasse, haben sich Spitzenchefs aus aller Welt hier angesiedelt und Kapstadt zur Feinschmecker-Destination gemacht. Bisher hat der Michelin-Reiseführer in Afrika keine seiner berühmten Sterne vergeben. Doch ein in Nizza (2016) als erster Südafrikaner mit einem Michelin Star ausgezeichneter Chef, Jan Hendrik van der Westhuizen, ist jüngst in seine Heimat zurückgekehrt.

Im Herzen von Kapstadt hat er das «JAN Innovation Studio» am Fuße des berühmten Tafelbergs eröffnet. Derzeit nur für kleine Gruppen buchbar, verspricht das mehrgängige Menü feine südafrikanische Küche, von Rezepten aus van der Westhuizens Kindheit inspiriert, kombiniert mit den besten Weinen des Landes. Der «südafrikanische Gordon Ramsay» ist international durch zwei Bestseller-Kochbücher und eine mehrstaffelige TV-Show zur kulinarischen Marke geworden.

Genießen mit Bezug zur Umgebung

Als eines der besten Restaurants der Welt gilt das gewollt schlichte «Wolfgat». Das in einem 130 Jahre alten Fischerhäuschen mit atemberaubenden Blick auf eine idyllische Bucht Heimat gefunden hat. Der Südafrikaner Kobus van der Merwe konzentriert sich auf ein Degustationsmenü, das fast ausschließlich aus regionalen Zutaten besteht, die sein Team großteils in der freien Natur sammelt: Algen, Meeresfrüchte, Wildkräuter, essbare Pflanzen, aber auch Lamm und Wild.

Das «Wolfgat» wurde 2019 bei den «World Restaurant Awards» in Paris zum «Besten Restaurant der Welt» gekürt. Unter «The World’s 50 Best Restaurants 2021» von S. Pellegrino und Acqua Panna belegt es Platz 50. Dafür lohnt sich die zweistündige Autofahrt von Kapstadt in das malerische Fischerdorf Paternoster allemal. Wer einen der nur 20 Tische ergattern möchte, muss allerdings früh planen und mehrere Monate im Voraus buchen.

Kultstatus hat das «La Colombe» im Kapstädter Vorort Constantia, in dem jedes Gericht ein Kunstwerk ist. Das mehrgängige französisch-asiatisch inspirierte Gourmet-Abenteuer beginnt mit einem dreistöckigen, märchenhaft gestalteten Entree-Garten. Darauf folgt ein von Liebe zum Detail geprägtes Menü voller unerwarteter Geschmackshöhepunkte und minutiös ausbalancierter Aromen.

Ein Highlight ist das Spezialgericht des Hauses, vermeintlich unscheinbar in einer Thunfischdose serviert, so wie man sie aus dem Supermarkt kennt. Doch beim Zurückziehen der metallenen Lasche entpuppt sich ein sorgfältig arrangiertes Gericht aus hauchdünnem Fischfilet, Tigermilch und einer essbaren Wiese aus Kräutern und Blümchen. Geführt wird «La Colombe» von einem der jüngsten Starköche Südafrikas, dem 32-jährigen James Gaag, ein Lehrling des legendären Sternekochs Raymond Blanc im «Le Manoir aux Quat’Saisons» in Oxford. 

Eine Hommage an das Meer

Direkt am Meeresufer zu dinieren ist ein romantischer Urlaubstraum, den das «Chef’s Warehouse» im Luxus-Boutique-Hotel Tintswalo Atlantic wahr macht. Jeder Tisch bietet einen guten Blick auf die Wellen des Atlantischen Ozeans und den pittoresken Küstenort Hout Bay. Im Hintergrund liegen die Berge mit der berühmten Küstenstraße Chapman’s Peak.

Auch die Speisekarte ist eine Hommage ans Meer: Alle Zutaten stammen von einer Auswahl kleiner, nachhaltiger Lieferanten mit Schwerpunkt auf Fisch und Meeresfrüchte. Austern und Risotto - beide trotz ihrer Einfachheit unübertrefflich - sind die Signaturgerichte des irischen Chefkochs Liam Tomlin, der über Sydney nach Kapstadt kam und auch ein Restaurant in Barcelona besitzt. Die Gourmet-Bibel «La Liste» bewertet «Chef’s Warehouse» mit 90,5 Prozent – der gleichen Note wie das berühmte «Tim Raue» in Berlin oder das «EssZimmer» in München.

Ein Synonym für die feinste, kreativste und innovativste Küche Afrikas ist der seit vielen Jahren in Kapstadt ansässige Brite Luke Dale Roberts. «The Test Kitchen», die lange Zeit mit den besten Restaurants der Welt konkurrierte, schloss im September als Folge der Corona-Pandemie die Türen. Doch Dale Roberts blieb der Fine-Dining-Szene mit gleich zwei Restaurants erhalten.

Der trendige und doch gehobene «Pot Luck Club» - auf dem Dachgeschoss einer ehemaligen Keksfabrik gelegen - bietet ein intimes Erlebnis mit Blicken über Stadt und Hafen. Das im Tapas-Stil aufgezogene Menü besteht aus modernen, globalen Gerichten mit südafrikanischem Flair, begleitet von Signatur-Cocktails wie «Zitronengrass und Passionsfrucht Sake» oder «Thai Green Curry Martini».

Köche tauschen sich mit ihren Gästen aus

Alternativ kann man im benachbarten «Fledgelings» speisen, in dem Dale Roberts seine Zöglinge ausbildet. Einfache, aber köstliche Gerichte, guter Service und ein reger Austausch zwischen den Gästen und Nachwuchsköchen stehen hier im Mittelpunkt.

Einer von Dale Roberts Zöglingen ist bereits flügge geworden: Chefkoch Ryan Cole präsentiert im  «Salsify» eine Küche, die er als «New Age südafrikanisch» bezeichnet und die ihn in die Riege der Top-Chefs katapultiert hat. Er habe ein Restaurant schaffen wollen, über das europäische Touristen denken: «Wenn wir nach Kapstadt kommen, müssen wir da hin», so Cole.

Im «Salsify» speist man inmitten von Geschichte: Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude war im frühen 19. Jahrhundert das Jagdschloss des Britischen Gouverneurs am Kap, Lord Charles Somerset. Als clever inszenierter Gegensatz ist das Interieur modern, gestylt mit Kunst, Skulpturen und Graffiti. Kein Wunder, dass Tennislegende Roger Federer sich entschied, 2020 seinen Sieg gegen Rafael Nadal während der Match-for-Africa-Spenden-Serie hier zu feiern.

Ebenfalls in der Stadtmitte gelegen – direkt gegenüber dem Parlament, mit Blick auf den Tafelberg - bietet das populäre «Fyn» ein zeitgenössisches Zusammenspiel japanischer und südafrikanischer Aromen. Chef ist Peter Tempelhoff, in Boston geboren und in London ausgebildet. Er bringt jahrzehntelange Erfahrung zu Tisch, die er in 3-Sterne-Restaurants in New York («Eleven Madison Park»), Paris («Le Pré Catelan») und San Sebastián («Arzak») gesammelt hat.

So beginnt das Menü mit einer Reihe von Bento-Boxen mit Umami-Geschmackstiefe, gefolgt von innovativen Gerichten wie Perlhuhn-Lutscher und blauen Garnelen mit Wakame und Mandarine. Auch besonders: Tempelhoff hat die mittig im Restaurant gelegene, aber dezent beleuchtete Küche zu einer Bühne für kulinarische Performance-Kunst gemacht.

Ein Muss für Weinliebhaber

Bei keiner Fine-Dining-Reise sollte ein Besuch in die berühmte Weingegend rund um Kapstadt fehlen. Eine der Top-Adressen ist zweifelsohne das in Franschhoek gelegene «Epice», das sich durch ein geschmacksintensives, experimentierfreudiges Spiel mit Gewürzen auszeichnet. Inspiriert von Expeditionen nach Indien, Spanien, Japan, Mexiko, Dänemark und in die USA. Chefkoch Charné Sampson kreiert aus Gewürzen wie Vanille, Safran, Zimt und Muskatnuss ein Gaumenerlebnis, begleitet von speziell für jedes Gericht entworfenem Geschirr und Besteck. Im Tandoor gewürzte Wachteln folgen Austern-Vindaloo sowie Thunfisch mit Mango, Avocado und Kümmel. 

Im benachbarten Stellenbosch ist «Rust en Vrede» eine von internationalen Gastronomie-Kritikern als «himmlisch» beschriebene Muss-Destination. Hier serviert Küchenchef Fabio Daniel moderne französische Küche mit einem von seiner brasilianischen und italienischen Herkunft inspirierten Dreh. Nach Stopps in England, Neuseeland und Brasilien ließ sich Daniel in Südafrika nieder, wo er Gerichte schafft, die Gästen über Jahre in Erinnerung bleiben.

Ob Jacobsmuscheln mit Papadam und Masala oder goldene Zitrussphären mit hauchdünnen Schokoladenkräckern und Krokant - Daniels Liebe zum Detail ist in jedem Gericht spürbar. Der Service ist tadellos: Gäste werden am kleinen Eingangstor im Vorgarten empfangen, für Aperitifs auf die Terrasse mit romantischem Blick auf die Berge eingeladen und später am Tisch von Kellnern meisterhaft durch den Abend geführt. Bekannt ist «Rust en Vrede» auch für seine umfangreiche Weinkarte mit einer imposanten Auswahl an edlen lokalen und internationalen Tröpfchen. dpa

Internet