Es ist nicht lange her, da verkündeten Berlins Tourismus-Werber jedes Jahr zweistellige Wachstumsraten. Die Hauptstadt zog - bei spanischen Partytouristen ebenso wie bei Museumsfans aus dem Ruhrgebiet und Geschäftsleuten aus ganz Europa. Das tut sie immer noch - doch der Berlin-Tourismus wächst lange nicht mehr so stark. Im ersten Halbjahr sogar weniger als im deutschen Durchschnitt.
DIE ZAHLEN
Von Januar bis Juni kamen 6,2 Millionen Besucher nach Berlin. Nach Daten des Statistikamts vom Donnerstag buchten sie 14,7 Millionen Übernachtungen. Das ist ein Plus von 1,8 Prozent. Bundesweit allerdings stieg die Übernachtungszahl um 3 Prozent.
WO DIE BESUCHER HERKOMMEN
Die meisten Übernachtungen (56 Prozent) kommen durch Gäste aus Deutschland. Es folgen Briten und US-Amerikaner. Unter den Top 10 ist nur ein weiteres außereuropäisches Land: Israel (allerdings mit einem Minus von 8,1 Prozent). Asiatische Länder kommen gar nicht vor, was Tourismuswerber Burkhard Kieker nicht gerade begeistert. «Das hat ganz klar auch mit den Flugverbindungen zu tun», kritisiert er.
DIE KONKURRENZ
Auch bei Niederländern, Dänen und Norwegern gerät Berlin aus der Mode. Kieker spricht sogar von den «Problem-Dänen». Um 8,8 Prozent sind die Übernachtungszahlen der nordischen Nachbarn gesunken. Weil, so meint Kieker, sie in diesem Jahr lieber zur Konkurrenz nach London fahren. Viele wollten das nach der Brexit-Entscheidung schwache Pfund nutzen. «Man kann sich London jetzt wieder leisten», sagt er.
WOMIT BERLIN PUNKTET
Wer nach Berlin komme, erlebe eine «Stadt der Freiheit», sagt Kieker. Die Hauptstadt wirbt mit authentischem Geschichtserlebnis und Toleranz. «Menschen kommen auch einfach, um den Berlinern beim Leben zuzugucken, Trends aufzuspüren», sagt Kieker. Und: «Ich glaube, dass Berlin noch wirklich gute Zeiten vor sich hat.»
DIE TOURISMUS-BREMSKLÖTZE
Die Tourismus-Werber schimpfen als erstes auf die Flughäfen. Streiks und Koffer-Chaos hätten Zehntausende Gäste gekostet. Außerdem bevorzuge das Bundesverkehrsministerium die Drehkreuze Frankfurt und München zulasten Berlins. Der Terroranschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche dagegen habe sich allenfalls bei den außereuropäischen Gästen stärker ausgewirkt.
DAS GELD
Nach Rechnung von visit Berlin gibt ein Gast in der Hauptstadt im Schnitt um die 65 Euro aus. Am meisten lässt mit durchschnittlich 206 Euro der Hotelgast da, am wenigsten (33 Euro) der Verwandten-Besucher. Die Ausgaben könnten höher sein, meint Kieker, wenn mehr Gäste aus nicht-europäischen Ländern kämen. Wie Chinesen zum Beispiel, die als ganze Busladung bei Juwelieren einfielen und ordentlich einkauften.
Einer zweijährlichen Untersuchung zufolge bringt der Tourismus Berlin jährlich einen Umsatz von 11,58 Milliarden Euro. Hauptsächlich Gastgewerbe und Einzelhandel profitieren. 5,9 Milliarden Euro blieben den Unternehmen für Löhne und Gehälter sowie als Gewinn.
DIE SCHATTENSEITEN
Unter ratternden Rollkoffern auf dem Straßenpflaster leiden vor allem «Einheimische» in Kreuzberg/Friedrichshain und Mitte. Der rot-rot-grüne Senat arbeitet an einem Konzept, um den stark belasteten Bezirken zu helfen. Die anderen zehn Bezirke würden den Touristen-Wegweiser dagegen gern mehr in ihre Richtung drehen. «Durch kluges Steuern müssen wir es so hinkriegen, dass alle profitieren», sagt Kieker.
Woher Berlins Gäste kommen
44 Prozent der Berlin-Besucher kommen inzwischen aus dem Ausland. Das internationale Publikum bringt einen großen Anteil am Geschäft. Die zehn wichtigsten Herkunftsländer:
(Land/Übernachtungen 1. HJ 2017/Vorjahresvergleich in Prozent)
Deutschland 8 225 000 +2,4
Großbritannien 789 000 +2,6
USA 551 000 +5,7
Italien 424 000 -2,4
Spanien 403 000 -2,6
Niederlande 351 000 -7,1
Frankreich 324 000 +8,5
Schweiz 285 000 -5,7
Dänemark 238 000 -8,8
Israel 193 000 -8,1