Türkei-Tourismus Urlauber bleiben weg

Von Mirjam Schmitt und Lea Sibbel

Yilmaz zeigt auf die Uferpromenade. «Letztes Jahr haben sich auf dem Weg so viele Leute gedrängelt, da konnte ich noch nicht mal aufs Wasser gucken. Auch die Restaurants waren voll, aber dieses Jahr sind kaum Touristen da.» Der 40-Jährige ist Souvenirhändler, hat ein Geschäft in Side an der türkischen Riviera. Der Urlaubsort in der Provinz Antalya ist vor allem bei den Deutschen beliebt. Liegestühle säumen das Ufer, sie sind nicht alle belegt. Ein Mann in Shorts versucht die Vorbeigehenden zum Bleiben zu überreden.

Yilmaz verkauft in seinem Geschäft alle möglichen Andenken, die man gebrauchen kann oder auch nicht. Tassen mit der Aufschrift «Antalya», Flaschenöffner, Mützen und Getränke. Die Preise sind in Euro ausgewiesen. Im Jahr 2015 habe er zwei Mitarbeiter beschäftigt, aber die habe er entlassen müssen. «Ich bin hier schon zu viel», sagt er und lacht dabei bitter. Sein Geschäft ist leer, nur hin und wieder kommt jemand vorbei und kauft ein Wasser. Schuld an der Misere sei die schlechte Außenpolitik der islamisch-konservativen AKP-Regierung. «Nach dieser Saison gebe ich meinen Laden auf», sagt Yilmaz.

Der Tourismus in der Türkei steckt in einer Krise, das ist in Side nicht zu übersehen. Schlechte Beziehungen mit Russland, Terroranschläge, ein aufbrausender Präsident Recep Tayyip Erdogan und Ärger wegen der Armenien-Resolution im Deutschen Bundestag: Das Image des Landes hat gelitten. Und das trifft vor allem die Händler und Hoteliers im sonstigen Urlaubsparadies Antalya.

Viele, die trotzdem kommen, sind Stammgäste. Das Ehepaar Schuhmann aus Dresden etwa reist mit Freunden schon seit drei Jahren nach Side und wohnt immer im selben Hotel. «Wir mögen die Türkei, und deswegen kommen wir wieder», sagte der 60-jährige Wolfgang Schuhmann. Seine Frau Martina räumt jedoch ein, dass sie achtsamer seien: Sie versuchten, Menschenansammlungen zu meiden - wegen der Terrorgefahr.

Die Hoteliers haben reagiert und die Preise gesenkt. Schilder an den Eingängen weisen auf noch freie Zimmer hin. Noch im Vorjahr sei alles ausgebucht gewesen, sagt Hotelier Ibrahim Civiler. Er betreibt ein kleines Boutiquehotel. Dank guter Rankings auf Webseiten habe er noch keine großen Probleme, die Preise habe er aber um 25 Prozent senken müssen. «Hier gibt es kein Sicherheitsrisiko», sagt er. «Aber vor allem die Medien stellen die Türkei als solches dar.»

Was Yilmaz und Ibrahim Civiler hautnah erleben, zeigt sich bei den großen deutschen Reiseveranstaltern in Zahlen. Ein zweistelliges Minus für die Türkei verzeichnet DER Touristik. Auch bei Tui lag das Minus im Februar bei 40 Prozent. Beide Veranstalter erkennen aktuell aber einen kleinen Aufholeffekt. «Wir sehen schon, dass die Produkte dort aufgrund ihres hervorragenden Preis-Leistungsverhältnisses jetzt wieder stärker nachgefragt werden», sagt Sebastian Ebel, Vorsitzender der Geschäftsführung von Tui Deutschland. Und auch Rolf-Dieter Maltzahn, Geschäftsführer der DER Touristik Köln, spricht von einem leichten Buchungszugang, den man seit Anfang Mai beobachte.

Wird Yilmaz sein Geschäft also doch nicht aufgeben müssen? So rosig ist die Lage noch nicht. Wie sich der Sommer weiter entwickelt, dazu mag bislang kein Veranstalter eine Prognose abgeben.

Für die leichte Erholung bei den Buchungszahlen sind vor allem zwei Faktoren verantwortlich. Zum einen die Preise: Um Besuchern die Türkei schmackhaft zu machen, wurden die Preise gesenkt - wie bei Civiler. Oder die Hoteliers böten mehr Leistung für das gleiche Geld, erklärt Torsten Schäfer vom Deutschen Reiseverband (DRV): «Dieser Marktmechanismus funktioniert.» Seit rund sechs Wochen zögen die Buchungen wieder an. Bei den Buchungseingängen lägen einzelne Tage nun sogar über dem Wert des Vorjahres: «Der Rückgang wird weniger.»

Damit diese Stoßrichtung anhält, drehen die Veranstalter weiter an der Preisschraube. So wird Türkei-Urlaub bei Öger Tours in der Wintersaison um fünf Prozent günstiger. Und weil die Nachfrage aktuell auch bei Öger Tours wieder anzieht, stockt der Veranstalter seine Flugkapazitäten in Richtung Türkei für diesen Sommer wieder um rund 10 000 Plätze auf. Auch bei Alltours sinken die Preise für die Türkei im kommenden Winter um zwei bis fünf Prozent.

Doch nicht nur die Preisoffensive sorgt dafür, dass sich nun doch wieder mehr Urlauber für die Türkei entscheiden. Der zweite Faktor hinter dem Buchungszugang ist die Lage in anderen Ländern: «Spanien ist dicht, Portugal ist dicht», zählt DRV-Sprecher Schäfer auf. Rund ums Mittelmeer sind die Hotels voll, «da finden Sie jetzt kaum noch etwas.» Und nicht jede Familie kann auf ein Fernziel ausweichen. Da wird die Türkei wieder attraktiv.

Doch trotz des aktuellen Aufwärtstrends: Insgesamt liegt die Türkei im Vergleich zum Vorjahr noch immer im Minus, sagt Schäfer. Stefanie Berk, Vorsitzende der Geschäftsführung beim Veranstalter Thomas Cook, resümiert: «Die Erholung der Türkei dauert länger als erwartet.» Die Lage verunsichert weiterhin viele - denn solange das Auswärtige Amt weiter mit gewaltsamen Auseinandersetzungen und terroristischen Anschlägen im Land rechnet, können auch niedrige Preise nur eingeschränkt etwas bewirken. Yilmaz und Civiler müssen weiter ausharren. Aber es gibt einen ersten Hoffnungsschimmer für sie. dpa