Über den Jakobsweg bis Kap Finisterre Per Pedes zum Ende der Welt

"Der Jakobsweg beginnt vor der Haustür", erzählt Thijs, der in Amsterdam gestartet ist, auch Jean aus Frankreich ist in Bordeaux losgegangen. Tatsächlich münden viele Jakobswege Europas in der nordspanischen Route "Camino francés", die im französischen Dorf St-Jean-Pied-de-Port über die Pyrenäen in den spanischen Ort Roncavesvalles führt.

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Viele Pilger starten von hier aus den über 730 Kilometer langen Weg nach Santiago de Compostela. Doch die lange Zeit und die Kondition, die man dafür braucht, lässt viele Pilger ihren eigenen Startpunkt auf dem französischen Weg wählen. Ob nun von Pamplona, von Burgos - oder wie ich von Leon über Santiago bis zum Atlantik mit etwa 410 Kilometern. Entweder mit Pilger-App, mit verzeichneten Etappen in einem Handbuch oder ohne Plan, der gelbe Pfeil ist allgegenwärtig und kein Pilger geht verloren.

Auf den letzten 100 Kilometern vor Santiago wird es zunehmend voller. Denn wer in Santiago die begehrte Pilger-Urkunde erhalten will, muss mindestens die letzten 100 Kilometer zu Fuß (oder 200 Kilometer mit dem Fahrrad oder Pferd) unterwegs gewesen sein. Zudem ist der Nachweis mit 2 Stempeln pro Pilgertag im Pilgerpass vorzuzeigen, um in Santiago die begehrte Pilger-Urkunde zu bekommen. Alles, was über diese 100 km geht, ist individuell und zeitlich, jedem selbst überlassen.

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Internationale Begegnungen

Bei der Registrierung in der Pilgerherberge ist man erstaunt, dass ich aus Deutschland bin. "Deutsche kommen sehr wenige im Juli und August, die kommen im Frühjahr und im Herbst", sagt die Nonne und weist den Weg zum Schlafsaal. Ich bin nun das vierte Mal auf dem Jakobsweg - immer im Sommer - und ich genieße das nordspanische Wetter, das ungefähr die gleichen Temperaturen wie Deutschland hat. Ebenso genieße ich es nachmittags, nach den teils anstrengenden Bergauf- und Bergabtouren zufrieden in der Sonne zu sitzen.

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Viele Menschen, die ich auf dem Weg getroffen habe, sind nicht unbedingt religiös, sondern eher wissbegierig und kosmopolitisch. Jeder von ihnen hat seine eigenen Gründe, warum er den Weg macht, ob nun aus Dankbarkeit für überstandene Lebensprüfungen oder geschürt von individuellen Problemen.

Englisch ist die Hauptsprache, denn vor allem Asiaten und Amerikaner haben den Weg für sich entdeckt. Mir gefällt zudem, dass alle Altersgruppen vertreten sind, und Jung und Alt sich kontaktfreudig begegnen. Die Gespräche auf dem Weg oder in den Unterkünften sind Multi-Kulti, die Begegnungen oft überraschend und bieten viele Ein- und Aussichten einmal über den eigenen Tellerrand zu schauen. Hinzu kommt die äußerst freundliche Art der Spanier, denn sie sind davon überzeugt, dass ihre helfende und zuvorkommende Art ihnen bestimmt einen Bonus beim Santo Santiago (Heiligen Jakob) einbringt.

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Jakobsweg "light"

Der schwere Rucksack mit 10 bis 12 kg ist neben dem langen Weg eine große Herausforderung. Dieses Mal wählte ich eine leichtere Variante und ließ den Rucksack von Ort zu Ort transportieren. Auch die Unterkünfte waren im Voraus gebucht, sodass der Druck ziemlich früh am Tagesziel anzukommen, um ein Quartier zu finden, wegfiel, das Wandern wurde dadurch wesentlich entspannter. Mehr Zeit, um einfach mal an einem schönen Platz zu dösen, sich auf längere Mittagsgespräche einzulassen und den Sehenswürdigkeiten mehr Zeit zu schenken.

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Die Etappen lagen zwischen 20 und 28 Kilometer pro Tag, für mich ein persönliches Limit um Füße und Gelenke zu schonen. Zu oft habe ich schon Pilger getroffen, die tagelang um die 40 bis 50 Kilometer gegangen sind und mit ihrer Selbstüberschätzung zu Ruhetagen oder sogar zum Abbruch gezwungen wurden.

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Vielfach hört man, der Jakobsweg sei zu touristisch geworden, das kann ich so nicht bestätigen. Beim Aufbruch morgens um 7 Uhr, früher ist es schwierig wegen der Dunkelheit, grüßt man Einzelne mit "Bon Camino", aber ziemlich bald wird es auf dem Weg einsam. Ich habe mich oft gefragt, wo alle sind. Im nächsten Ort sind auch alle in Herbergen, Klöstern und Hotels, beim Essen oder beim Spaziergang durch den Ort begegnete man dann wieder vielen bekannten Mit-Pilgern. Wer Ruhe und Einsamkeit auf dem Weg möchte, findet sie. Viele zelten, gehen etwas abseits vom Pfad oder verbringen abgeschirmt in Klöstern ihre (Ruhe)Zeit. Doch manchmal stören nachts in Herbergen (Hostel) grölende Radfahrer, die kein Ende finden und den Pilgern die wohl verdiente Nachtruhe rauben.

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"Auch ein langer Weg beginnt mit dem ersten Schritt" (Laotse)

Der 1. Tag ist nicht einfach. Entweder geht man zu euphorisch los, holt sich gleich die ersten Blessuren - oder ist, wie ich es war, zu blockiert zum sich in Bewegung setzen, weil diese respektvolle Strecke vermeintlich vom Kopf her nicht zu schaffen sei. Doch sobald der eigene Rhythmus gefunden ist, manche Gedanken-Querschläger eliminiert wurden, der Blick auf Sonnenblumen-, Weizen- und Maisfelder verweilt, kehrt die innere Ruhe ein. Der kleine Rucksack fühlt sich federleicht an, gesunder Appetit durch die teils An- und Überanstrengung stellt sich ein und das Wasser aus den (Pilger)Brunnen schmeckt einfach noch besser.

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In den kommenden Wochen drehen sich die Gedanken ausschließlich um elementare Dinge wie Kondition, Schlafen, viel Trinken und gutes Essen, denn die Spanier sagen: "Con pan y vino se anda el camino" - mit Brot und Wein gehst du den Weg. Und angekommen in Santiago, war klar, dass der WEG das Ziel ist. In Finisterre verbrannte ich nicht meine Schuhe, denn die brauche ich noch für das nächste Ziel: Der portugiesische Weg von Porto nach Santiago de Compostela.

Rose Marie Donhauser