Von Christiane Bosch
Behutsam taucht Ina Mierig den mehrere Meter langen Riemen in das rund zwei tiefe Wasser des Kanals in Hamburg-Eppendorf und rudert damit ihr elf Meter langes Boot gemächlich nach vorn. Dabei ist es um die 57-Jährige herum ganz still. Die gelernte Holzbootbauerin braucht keinen Motor. Sie steuert eine originale Gondel aus Venedig durch die Hansestadt und ist damit längst selbst zum Original von der Elbe geworden.
Nur wenige Frauen rudern venezianische Gondeln
«In Deutschland kenne ich keine andere Gondoliera, die eine echte venezianische Gondel fährt. Und wenn ich sie kennenlernen würde, würde ich mich sehr freuen», sagt sie der Deutschen Presse-Agentur. Seit 25 Jahren ist sie auf den Gewässern der Stadt unterwegs.
Ihre Leidenschaft fürs Gondeln entdeckte die Möbeldesignerin vor rund 28 Jahren. Damals fand und studierte sie in Bibliotheken in England und Deutschland Unterlagen zum Bau einer Gondel. «Ich wollte mir erst selbst eine bauen, habe das dann aber wieder verworfen», sagt Mierig, die auch einige Zeit in Venedig gelebt hat.
1999 kaufte sie schließlich die 500 Kilogramm schwere traditionelle Gondel in der Lagunenstadt. Dort ist sie auch traditionell getauft worden. Fast 40 Jahre ist ihre «Ursula» nun alt. «Gondeln werden immer nach der Mutter benannt», sagt Ina Mierig dazu. Und wenn es nach ihr geht, dann soll das kunstvoll verzierte Boot noch deutlich älter werden. «Die Gondel darf mich gern überleben. Sie ist mir sehr wichtig.»
Silvesterrakete beschädigte Gondel
Deshalb legt sie auch immer wieder selbst Hand an. Zuletzt war aber sogar mehr als das nötig. Denn das Boot war am 1. Januar 2024 durch eine Silvesterrakete beschädigt worden und versank größtenteils im Wasser. Den ganzen Sommer lang werkelte erst eine Werft und dann sie selbst an ihrer «Ursula». Schleifen, Fugen schließen, lackieren. Vor wenigen Wochen konnte sie die Gondel schließlich wieder zu Wasser lassen.
Über zu wenig Nachfrage muss sich Ina Mierig keine Sorgen machen. «Ich habe wahnsinnig viele Stammkunden. Teilweise fährt jetzt schon die zweite Generation mit mir. Und Menschen, die sich einst hier den Heiratsantrag gemacht haben. Es gab schon sehr viele schöne Momente in der Gondel.» Dabei singt sie übrigens nicht «O sole mio» oder ähnliches. «Singende Gondolieri gibt es tatsächlich nur in Filmen.»
Fünf Menschen passen zusätzlich in ihr Boot. Ina Mierig steht dabei stets ganz hinten und damit vergleichsweise hoch über dem Wasser. «Das Schwierigste ist, die Angst zu überwinden, da oben zu stehen. Ohne etwas zum Festhalten, ohne Bremsen oder Rückwärtsgang.» Sie selbst hat das Rudern in Venedig drei Monate lang täglich gelernt - zusammen mit einer Gondoliera aus Amsterdam. Die spezielle Rudertechnik nennen die Venezianer übrigens «Voga alla Veneta».
Gondoliera bildet auch selbst aus
Mittlerweile bildet sie selbst einen 18 Jahre alten Lehrling aus. «Ich bin glücklich über jeden, der weiß, wie das geht.» Sie ist auch Vorsitzende des in Venedig gegründeten Vereins La Gondola. Der Verein hat acht Mitglieder und Gondeln in vier Städten.
Neben ihrer Gondel sind auf der Binnen- und Außenalster und den Kanälen noch wenige weitere Gondeln von zwei anderen Anbietern unterwegs. Eine gehört zu Uwe Kunze. «Für die Leute in den Gondeln zählt der Moment. Ob Kanu oder Gondel - ihnen geht es um den Spaß», sagt der 65-Jährige, der das Rudern auch in der italienischen Stadt gelernt hat.
Hamburg Tourismus: passt super zum Image der Stadt
Für die Hamburg Tourismus GmbH sind die Gondeln ein tolles Angebot. Diese Romantik «können wir alle gut gebrauchen», sagt Sprecher Guido Neumann. Zudem würden die Fahrten hervorragend zum Image Hamburgs als Stadt am Wasser und der Kanäle passen. «Diese Gondelfahrten sind ein Angebot abseits des Mainstreams. Sie kommen überraschend und sind wertvoll für uns.»
Die Hamburger Gondoliera liebt ihre Arbeit und ganz besonders die Ruhe dabei. «Es wird unglaublich ruhig. Es ist absolute Stille. Das ist das Schönste. Und dass man nach vorn gucken kann und noch mehrere Meter vor sich hat.» Deshalb fährt sie auch gern alleine raus. Ans Aufhören denkt sie deshalb noch lange nicht. «In Venedig gibt es 85-Jährige, die das machen. Das ist einfach toll.» dpa