Vegan Food Management Veganismus ist hip

Von Sophie Rohrmeier

Blumensträuße stehen auf dem kleinen Tresen der Imbissbude. Jeden Moment könnte ein Hipster-Mädchen über den Markt springen, zwischen Bratwurststand und Fleischtheke - und sich die Wald- und Wiesenblüten ins Haar flechten. Und in einen Burger beißen, den ihr Stefan Vinzelberg reicht. Einen veganen Burger. Der 29-Jährige liegt mit seinem Imbissstand im Trend. Veganismus steht für Tier- und Umweltschutz, für Fitness und Gesundheit. Und er verändert unser Zusammenleben - nicht immer reibungslos.

«Vor fünf Jahren war alles recht verbissen, sehr stur», sagt Vinzelberg, der sich im Frühjahr mit seiner Bude «Vegbereitung» in Bamberg selbstständig gemacht hat. «Das bricht jetzt auf. Aber gesellschaftliche Entwicklung geht nie ohne Fronten.»

Ein junges Pärchen bestellt einmal Soja-Burger, einmal Pommes. «Wir sind auf eine Hochzeit eingeladen und überlegen, ob wir hingehen sollen», sagt Melissa Kaiser. Das Brautpaar wolle nichts Veganes anbieten, nicht mal Vegetarisches. «Meine Mama hätte vielleicht noch das Vegetarische gegessen. Ich auf keinen Fall», sagt die 21-Jährige.

Warum sie vegan lebe? «Aus den gleichen Gründen wie alle», sagt sie genervt. In Deutschland ernähren sich dem Vegetarierbund in Deutschland (Vebu) zufolge 7,8 Millionen Menschen vegetarisch und rund 900 000 Menschen vegan, demnach kommen täglich Hunderte dazu. Die meisten Veganer haben ethische Motive: Sie wollen Tiere nicht für sich töten lassen, energieaufwändige Fleischproduktion vermeiden. Die meisten tun das ohne großes Aufheben, manche missionarisch. Allein aber, dass sie eben ausnahmslos auf Tierisches verzichten, empfinden manche als streng - was wiederum die Veganer oft vor den Kopf stößt.

«Es ist ganz unfein, vegan lebende Freunde einzuladen, für sie dann aber nichts anzubieten», sagt Stephanie Stragies vom Vegetarierbund in Deutschland (Vebu), der auch Veganer vertritt. Rücksicht sei angebracht, wie bei muslimischen Freunden. «Eine Lebenseinstellung wirft man ja nicht für einen Abend über den Haufen.» Ein Gast isst vegan. Also alles ohne für alle? Sich allen Essgewohnheiten anzupassen, fällt nicht jedem Gastgeber leicht. Veganes Essen sei der einfachste Kompromiss, sagt Stragies. Sollte jemand auch kein Gluten vertragen, könne man das auch noch weglassen. «Und schon hat man's.»

Bei Ernährung geht es trotzdem nicht immer entspannt zu. Das zeigt sich schon, wenn Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) extra betont, dass es so sein sollte. Er begrüße, dass sich immer mehr Menschen intensiv mit dem Thema Ernährung beschäftigen, aber: «Generell sollte auch hier Toleranz gelten - man gönne dem Nachbarn sein Schnitzel, ohne jede Belehrung! Ich bin jedenfalls gegen Ernährungsideologien und -vorschriften.»

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) rät davon ab, Kinder vegan zu ernähren. Aus ernährungsphysiologischer Sicht bestehe aber auch für Erwachsene keine Veranlassung dazu, sagt Bernhard Watzl vom Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel. Es gebe vielmehr Hinweise darauf, dass Milch und Milchprodukte ein Vorteil für den Menschen seien. Die Zunahme von Übergewicht und Diabetes, aber auch ökologische Probleme weltweit seien aber für einige Grund genug, sich genau zu überlegen, was sie essen.

Stefan Vinzelberg lebt seit 14 Jahren vegetarisch, seit 9 Jahren vegan. Er fühle sich, sagt er, sehr gesund und fit. Dieses Gefühl sei ein Grund dafür, warum Veganismus ein Trend geworden ist. «Die Selbstoptimierung schreitet voran, der Anspruch an sich selbst wird immer krasser.» Vegane Produkte würden als Fit- und Schlankmacher präsentiert. «Und dann ist da noch der Wunsch, hip zu sein.»

Vinzelbergs Stand jedenfalls läuft gut zwischen Rostbratwürsten und Ochsenfleisch. Weil es nicht nur ihm so geht, wird es in Deutschland bald einen passenden BWL-Studiengang geben: Vegan Food Management. Die Fachhochschule Mittelstand (FHM) richtet ihn zum Oktober in Bamberg, Bielefeld und Köln ein. Die Studenten sollen lernen, mit welchen Zielgruppen es Unternehmen zu tun haben, die vegane Produkte anbieten wollen; wie solche Produkte am besten verkauft werden; und was Vegan-Sein eigentlich bedeutet, für die Umwelt und die Ernährung zum Beispiel. Praxisnah, von Dozenten auch aus Firmen und Verbänden.

Die Macher des Studiengangs gehen davon aus, dass der Trend bleibt. Bei allen aber wird er nicht ankommen. Ein Rentner spaziert an Vinzelbergs Bude vorbei. «Ah, Sie machen vegan.» Pause. «Die Veganer müssen bis 12 essen, sonst wird das Essen welk.» Vinzelberg lächelt ein wenig gequält. «Den kannte ich tatsächlich schon. Aber kennen Sie meinen Lieblingswitz?», kontert er. «Warum dürfen Veganer kein Hühnchen essen? Da ist Ei drin.» Immer die Veganer-Witze. dpa