Vermarktung regionaler Produkte per Plattform Bauer sucht Koch - Koch sucht Bauer

Von Gudrun Janicke

"Ich bin Landwirt und habe Kürbisse im Auto". Die Brandenburger Landwirte Sabine Schwalm und Georg Rixmann erinnern sich gut, wie sie vor etwa einem Jahr am späten Abend an die Tür eines Berliner Mitte-Restaurants klopften. Sie präsentierten den Köchen ein paar Kürbisexemplare: Sorten, die so nicht im Handel zu finden sind. Das Interesse war groß.

"Heute gehören regionale Produkte unbedingt auf die Speisekarte", sagt Matthias Kleber, Küchenchef im Hotel Resort Mark Brandenburg in Neuruppin. Er mache das aber nicht nur, weil er damit Gäste anlocke. "Wir Köche tragen Verantwortung für das, was auf den Teller kommt und bestimmen damit das Essverhalten", sagt Kleber. Er verfolgt dieses Konzept seit 2004 konsequent.

Der Küchenchef trainierte viele Jahren die Deutsche Nationalmannschaft der Köche, die international viele Medaillen gewann. Er beobachtet ein Umdenken bei seinen Kollegen - ob in der Spitzengastronomie oder im kleinen Landgasthof. Wenn heimisches Fleisch, Obst oder Gemüse auf der Karte stehe, ziehe das bei Gästen, die bereit seien dafür zu zahlen.

Kleber fasst den Begriff "aus der Region" noch enger. "Ich will lokal produzierte Lebensmittel anbieten, die quasi aus der nächsten Nachbarschaft kommen", sagt er und arbeitet mit 14 Partnern zusammen. "Wir sehen beispielsweise, wie bei Rixmann die Flächen bearbeitet werden", sagt er. Seine Gäste wollen wissen, woher die Speisen kommen, in welcher Umgebung die Produkte wachsen. "Wir sind ständig auf der Suche nach neuen Produzenten", sagt er. Gerade habe er eine kleine Mosterei mit tollen Säften entdeckt.

Rixmann präsentiert ihm ein kleines Kräuterbündel und bereits ausgeblühten Porree, der nicht mehr als Gemüse verwendet werden kann. Nun werden die großen lila Blütenbälle gepflückt, die mit ihrem besonderen Geschmack auf den Teller kommen. "Für Köche bedeutet das auch ständige Weiterbildung, sich mit den neuen Produkten vertraut zu machen", erklärt Kleber.

Mitte der 1990er Jahre hat sich der Niedersachse Rixmann entschieden, vom Textilgeschäft auf Landwirtschaft umzusatteln. Er ging noch einmal in die Lehre als Gärtner für Obstbau. Er erwarb 16 Hektar Acker bei Linum in Westbrandenburg, bekannt auch als Storchendorf. Doch dann fragte er sich: "Was anbauen?" Mit Marktfrüchten wie Kartoffeln oder Getreide sei kein Geld zu machen, entschied er.

Derzeit bilden in seinem Betrieb die Zucchiniblüten gerade Früchte aus. Die Tomaten - 23 Sorten stehen unter Folie auf dem Acker - werden schon geerntet. 150 verschiedene Sorten Speisekürbis hat er im Angebot. Rixmann zählt weiter seine Produkte auf: "Topinambur, rote, schwarze und gelbe Möhren, Fenchel, Pastinaken, Petersilienwurzeln, Spitzkohl, Rot- oder Weißkohl und so weiter." Die Erntemenge schätzt er im Jahr auf 40 bis 70 Tonnen, je nach Wetterverlauf.

Gerade macht er einen Versuch mit Inkagurken (Hörnchenkürbis), Bittergurken und Horngurken (Kiwano). "Mal gucken, wie die in märkischer Erde wachsen und dann schmecken", sagt er. "Ich habe eine Marktlücke mit Obst und Gemüse, die jenseits von "08-15"", weiß der 64-jährige Rixmann. Die Inkagurken wachsen gut und haben schon kleine Früchte.

"Produzenten, die Köchen die Produkte liefern, die sie verarbeiten wollen, sind gefragt", schildert Nikolaus Driessen, Geschäftsführer der Berliner Markthalle 9. Seit einiger Zeit betreibt diese einen Lieferservice speziell für die Gastronomie. "Die Grundidee ist: Köche und Landwirte verbinden", sagt er.

Für die Spitzengastronomie sei die regionale Küche seit längerem ein großes Thema. "Man will einfach wissen, woher kommen die Lebensmittel, die auf dem Teller landen", sagt Driessen. "Wir verstehen uns als verlängerter Arm der Produzenten." Und: "Die Köche werden gefragt, was sie wollen und die Landwirte sagen, was und in welcher Menge sie liefern können." Besonders wichtig ist ihm: "Der Produzent gibt den Takt vor: je nach Saison und angebauter Menge."

60 Landwirte und 90 Köche sind bislang dabei. Derzeit läuft ein Pilotprojekt der Markthalle mit dem Bundesagrarministerium. Das Liefersystem soll ab dem ersten Quartal 2019 als digitales Angebot bereit stehen.

Auch der Verband zur Förderung des ländlichen Raumes pro agro will mit der Plattform "Koch sucht Bauer" beide Seiten vernetzen. "Man kann sehen, wer was in der Region produziert", sagt pro agro-Sprecherin Kristin Mäurer. Lieferanten tragen sich ein und Gastronomen suchen gezielt. "Der Erfolg steht und fällt aber mit dem Engagement aller Beteiligten", sagt Mäurer. Bei der Selbstversorgung der Region Berlin-Brandenburg gebe es noch Nachholbedarf. Bei Spargel liege er bei 110 Prozent, bei Schweinefleisch dagegen nur bei 36 Prozent, bei Kartoffeln seien es 23 Prozent oder bei Erdbeeren 10 Prozent.

Küchenchef Kleber, der in seiner Kochschule im Hotel auch mit lokalen Produkten vertraut macht und die Gäste zu seinen Lieferanten führt, ist selbst in der Region unterwegs. In blütenweißer Kochjacke steht er dann auf dem Acker oder im Gewächshaus. Er schaut, wie Hühner, Schweine oder Rinder leben. "Nur wenn ich das gesehen habe, kann ich das auch mit ruhigem Gewissen vermitteln." dpa

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