Von Florian Reil
"Schöne, helle, vollmöblierte Einzimmerwohnung" - und in nur fünf Minuten soll man zu Fuß im Englischen Garten sein. So wirbt eine Münchnerin für ihre private Unterkunft auf der Online-Vermittlungsplattform Airbnb und verlangt in der Adventszeit fast 80 Euro pro Nacht. Bisher weiß die Stadt München nicht, wie oft sie - und zahlreiche andere Menschen in der Landeshauptstadt - ihre private Wohnung als Ferienwohnung vermietet. Mit einem Urteil des Verwaltungsgerichts München kann sich das jetzt ändern: Airbnb muss den Behörden Auskunft über seine Gastgeber geben.
Wie ein Gerichtssprecher mitteilte, haben die Richter am Vortag eine Klage von Airbnb gegen eine entsprechende Verordnung der Stadt abgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und bezieht sich ausschließlich auf die Landeshauptstadt.
Die Stadtverwaltung kann somit die Daten aller privaten Unterkünfte bei dem US-Unternehmen anfordern, die länger als acht Wochen im Zeitraum von Januar 2017 bis einschließlich Juli 2018 als Ferienwohnung angeboten worden sind. Dabei geht es um Namen und Adressen der jeweiligen Gastgeber.
Denn wer seine private Wohnung mehr als acht Wochen im Jahr als Ferienwohnung vermietet, begeht eine Ordnungswidrigkeit und kann in schweren Fällen mit bis zu 500 000 Euro Bußgeld zur Kasse gebeten werden. Dabei geht es um Zweckentfremdung, weil der im Stadtgebiet knappe Wohnraum gewerblich genutzt wird.
Die Europazentrale des Wohnungsvermittlers im irischen Dublin hatte auf ein Schreiben des Münchner Sozialreferats nicht reagiert und ist vor Gericht gezogen. Die irischen Behörden seien rechtlich zuständig und nicht die Münchner Stadtverwaltung, erklärten die Anwälte des Konzerns in der mündlichen Verhandlung am Mittwoch. Die Vorsitzende Richterin entgegnete: "Soll die Stadt München nach irischem Recht vorgehen?"
Das Gericht entschied dem Sprecher zufolge, dass weder die Republik Irland für die Überwachung des Zweckentfremdungsrechts in München zuständig sei noch das irisches Recht gelte. Das Auskunftsverlangen des Sozialreferats sei nach EU-Recht zulässig. Kommt das Unternehmen der Aufforderung nicht nach, droht ein Zwangsgeld von 300 000 Euro.
Airbnb bedauerte die Entscheidung der Richter, da der Schutz der Nutzerdaten höchste Priorität habe. "Wir werden weitere Schritte sorgfältig prüfen, sobald uns die schriftliche Begründung des Gerichts vorliegt", teilte eine Unternehmenssprecherin mit. Airbnb wolle mit der Stadt zusammenarbeiten und sich dafür einsetzen, dass Münchner auch weiterhin ihre Wohnungen an Urlauber vermieten könnten.
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) erklärte, das Urteil "zeigt, dass sich Airbnb nicht aus der Verantwortung ziehen kann. Wir brauchen jede bezahlbare Wohnung für die Münchnerinnen und Münchner." Deshalb werde alles getan, um Zweckentfremdung zu verhindern.
Auch der Deutsche Mieterbund begrüßte das Urteil. "Wenn die schwarzen Schafe, die ihre Wohnung nur für Feriengäste weitervermieten, gefunden werden, kann dieser dringend benötigte Wohnraum wieder dem normalen Mietwohnungsmarkt zugeführt werden und trägt zur Entlastung des Wohnungsmarkts bei", erklärte die Geschäftsführerin des bayerischen Landesverbands, Monika Schmid-Balzert.
Seit Jahren ärgert sich das Münchner Sozialreferat, weil durch die Zweckentfremdung dringend notwendiger Wohnraum in der Millionenstadt fehle. 2017 sind nach Angaben der Behörde 298 bis dahin zweckentfremdete Wohnungen wieder dem freien Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt worden - sie sind also wieder von dauerhaften Mietern bewohnt.
Das bayerische Zweckentfremdungsgesetz hatte der Landtag im Juli 2017 beschlossen. Daraufhin passte München als einzige Stadt im Freistaat seine Satzung an, erhöhte die Bußgelder und forderte Airbnb auf, Daten zu den Gastgebern preiszugeben.
Auch die Millionenstädte Berlin und Hamburg versuchen, mit Maßnahmen und Bußgeldern gegen Zweckentfremdung vorzugehen. So sollen dort nur noch registrierte Nutzer ihre Wohnungen auf Airbnb anbieten dürfen. Auch in anderen Ländern stieß Airbnb in Großstädten wie New York oder Barcelona auf ähnliche Probleme. dpa